Der „Gedenkort Deportationsrampe“ wird konkreter: Ein Platz mit Tunnel und Schiene soll samt der ehemaligen Deportationsrampe in Zukunft an das Schicksal derjenigen erinnern, die im Zweiten Weltkrieg vom Mainzer Güterbahnhof aus in die Konzentrationslager der Nationalsozialisten deportiert wurden. Am Montag präsentierte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) den Gewinner eines Ideenwettbewerbs zur Gestaltung der Gedenkstätte an der Mombacher Straße. Sieger wurden die Architekten Schmelzer Weber aus Dresden in Zusammenarbeit mit dem Kunstprofessor Andreas Theurer. 2017 jährt sich die Massendeportation zum 75. Mal, weshalb es am 20. März eine Mahnwache auf dem Mainzer Markt geben wird.

Platz 1 des Ideenwettbewerbs für den Gedenkort Deportationsrampe an der Mombacher Straße – Grafik: Schmelzer Weber SW Architekten

Vom Mainzer Güterbahnhof aus wurden rund 1.100 Juden, Sinti und Roma und auch Homosexuelle in die Todeslager im Osten deportiert. Ende November 2014 hatte Grosse einen Ideenwettbewerb für einen Gedenkort in der Nähe des früheren Güterbahnhofs gestartet.Eigentlich sollte der Sieger des Ideenwettbewerbs bereits 2015 gekürt werden, die Ergebnisse wurden aber erst jetzt vorgestellt. Insgesamt gingen 17 Entwürfe bei der Stadt ein, die jeweils in Teamarbeit von Architekten und Künstlern entworfen wurden. Die Gewinneridee zeigt eine langgestreckte Betonwand, auf der die Namen der aus Mainz deportierten Menschen erscheinen sollen. Die noch aus der NS-Zeit erhaltene Deportationsrampe soll als Fragment in die Betonfläche eingebunden werden, davor führen Schienen in ein Torhaus, das mit einem Spiegel abschließt. Dieses symbolhafte Bild soll den Betrachter in die damalige Situation hineinspiegeln. Außerdem sollen in dem Spiegel Zitate aus überlieferten Briefen zu lesen sein.

Siegerentwurf stellt Täter-Opfer-Relation am Gedenkort her

Dies sei der einzige Entwurf, der die Täter-Opfer-Beziehung so stark berücksichtige, sagte Grosse. Zudem verwendet der Gewinnerentwurf als einziger die Originalteile vom damaligen Deportationsort und integriere sie in schlichter, aber symbolhafter Art und Weise in den Gedenkort. Beides zusammen habe den Ausschlag gegeben für den ersten Platz, der im übrigen von einer Expertenjury einstimmig gekürt wurde. Ein weiteres verbindendes Element zwischen damals und heute sind Menschenschatten, gebildet aus hellen und dunklen Steinen am Boden. Bei Sonnenschein kreuzen sich die Schatten der Besucher dann mit den festen Schatten auf dem Boden und sollen erkennbar machen, dass dieses Leid jedem hätte widerfahren können: „Als Apell, der nicht vergeht, als Schatten, der bleibt“, wie die Erfinder es selbst nennen.

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Platz 2 ging an ein Büro aus Mainz, das vorwiegend mit Stelen arbeitet. – Grafik: Adler & Olesch Landschaftsarchitekten

Ob die Rampe und die Schiene wirklich die Originalteile aus Zeiten des Nationalsozialismus seien, wisse man nicht sicher, sagte Hedwig Brüchert vom Verein für Sozialgeschichte Mainz. Schiene und Rampe wurden vor ein paar Jahren wegen des Neubaus des Vlexx-Werks abmontiert und eingelagert. Die Stadt wollte aber die Reste nicht einfach wiederaufbauen, sondern eine Gedenkstätte zur Erinnerung an alle Deportierten errichten. In unmittelbarer Nähe vom jetzigen Standort an der Mombacher Straße war einst der Mainzer Güterbahnhof, von dem zwischen März und September 1942 rund 1.100 Juden und andere Feinde der Nationalsozialisten in die Vernichtungslager im Osten transportiert wurden.

Die rund 300 Quadratmeter große Fläche befindet sich in der Nähe der Goetheunterführung an der Zufahrt zum Vlexx-Gelände. „Vlexx sieht es als gesellschaftliche Verpflichtung, Mainz diese Fläche zur Verfügung zu stellen“, sagte Geschäftsführer Frank Höhler. Es sei bei dem Wettbewerb darum gegangen, einen Entwurf zu finden, der Aufmerksamkeit errege, aber zugleich symbolträchtig sei“, sagte der Mainzer Architekt Klaus Bierbaum als Vertreter der Jury am Montag.

Realisierung noch unklar, Stadt will auf Partnersuche gehen

Soll an einen Güterwaggon erinnern: Der Entwurf des Hamburger Büros auf Platz drei. – Grafik: Konermann Siegmund Architekten

Der Wettbewerb war nämlich zunächst ein Ideenwettbewerb, für den 20.000 Euro aus der Senta und Berthold Schmidt-Stiftung zur Verfügung standen. Die Realisierung ist damit noch nicht auf den Weg gebracht. Den Bau des Gedenkortes schätzte Grosse grob auf 300.000 Euro. „Wie wir die Finanzierung angehen werden, wissen wir bisher noch nicht“, räumte die Dezernentin ein. Erst am Freitag habe die Jury getagt und sich für den Entwurf entschieden, jetzt müssten passende Partner zur Umsetzung gefunden werden.

Platz zwei aus Mainz besteht unter anderem aus mehreren Stelen, die zusammengesetzt Bilder von Menschen zeigen und vor allem viel Informationsmaterial bereithalten. Der Entwurf auf Platz drei kommt aus Hamburg und besteht aus einem begehbaren Baukörper in Gestalt eines Güterwagons. Innen drin gibt es eine Bilderwand und Informationen zu der Zeit der Deportationen. Der wackelige Boden lässt den Besucher einen Weg nachvollziehen, der auch für die Deportierten kein leichter war. Ein Problem bei diesem Entwurf sei jedoch die Finanzierung, die mit rund drei Millionen Euro deutlich über dem vorher veranschlagten Preisrahmen liege, sagte Grosse. Die Entscheidung über den Gewinner fällte ein Preisgericht mit neun Stimmberechtigten und zahlreichen weiteren Vertretern und Beratern.

Info& auf Mainz&: Vom 23. März bis 22. April 2017 werden die 17 Entwürfe des Ideenwettbewerb in der Rathausgalerie ausgestellt. Die Eröffnung erfolgt am  Mittwoch, 22. März 2017, um 18.00 Uhr, durch Kulturdezernentin Marianne Grosse. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr, Samstag 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, Sonn- und Feiertage geschlossen. Mehr zur Idee der Gedenkstätte findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel von 2014.

Terminhinweis&: Zum Gedenken an die Deportation der Juden aus Mainz vor 75 Jahren rufen die Landeshauptstadt Mainz und der Landtag Rheinland-Pfalz gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde zu einer Mahnwache am Montagabend, 20. März 2017, ab 17.30 Uhr auf dem Mainzer Markt auf. Dabei sollen die Namen der Opfer des Holocausts vorgelesen und mit einer Schweigeminute, Kerzen und auf Zettel geschriebene Grußbotschaften an sie gedacht werden.

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