In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckten Nationalsozialisten auch in Mainz die beiden großen Synagogen in der Hindenburgstraße und an der Flachsmarktstraße in Brand, die Gotteshäuser wurden zerstört und geschändet. „Am folgenden Tag zogen Horden von fanatisierten Nazis, darunter etliche Schüler aus Mainzer Gymnasien, durch die Stadt, verwüsteten Geschäfte und Wohnungen von jüdischen Familien, misshandelten und verhöhnten die Besitzer. Mehrere Dutzend jüdischer Männer wurden verhaftet und in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau u. a. gebracht. Nicht alle überlebten die damit verbundenen Strapazen und Qualen.
Die meisten wurden nach einigen Wochen wieder entlassen, mit der Auflage, innerhalb kürzester Zeit auszuwandern. Die Heimgekehrten waren meist von den Schrecken und Demütigungen, denen sie im Lager ausgesetzt waren, gezeichnet.“ So beschreibt die Mainzer Sozialhistorikerin Hedwig Brüchert die Reichskristallnacht vor 81 Jahren in Mainz. Diese Nacht war ein Scheideweg: Waren Juden von den Nationalsozialisten vorher vor allem verhöhnt, diskriminiert und gedemütigt worden, begann nun eine neue Phase: Die der Vernichtung und Ausrottung aller Juden, aber auch von Homosexuellen, Behinderten, Sinti und Roma – und von allen Andersdenkenden.
Am Sonntag gedenkt Mainz der Opfer dieser Nacht der ideologisch motivierten Verfolgungshatz: Zur Erinnerung an die zahlreichen Opfer der Novemberpogrome laden Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mainz, Anna Kischner, zu einer Stunde des Gedenkens am Sonntag, 10.11.2019, 16 Uhr, in die Neue Synagoge (Synagogenplatz 1) ein. „In Zeiten, in denen antisemitische und fremdenfeindliche Tendenzen in unserem Land leider zunehmen, soll dieser Gedenktag auch im Zeichen eines Bekenntnisses zu einer offenen und toleranten Gesellschaft stehen“, heißt es in der Ankündigung weiter.
Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky wird ein Gebet sprechen und Studentinnen der Jüdischen Gemeinde Mainz werden Gedichte zum Gedenken an die Opfer vorlesen. Musikalisch umrahmt wird die Gedenkstunde von Shai Terry, Stipendiatin der Anni-Eisler-Lehmann-Stiftung.