Eines gleich vorweg: Ich hasse es, im Internet einzukaufen. Ich liebe es, in Geschäfte zu gehen, Waren anfassen und fühlen zu können ist für mich enorm wichtig. Farben, Formen, Materialien live sehen zu können, die Wirkung von Produkten, auch mich mit einem Menschen (sprich: dem Verkäufer) darüber austauschen zu können, beraten zu werden, ob es Alternativen gibt. All das brauche ich zum Einkaufen. Und trotzdem habe ich in den vergangenen Monaten massiv im Internet eingekauft. Weil ich schlicht und ergreifend die Produkte, die ich brauchte oder wollte, nicht in Geschäften in der Mainzer Innenstadt bekam. Das ärgert mich massiv – und ich bin weiß Gott nicht allein. Ein Denkanstoß – für mehr Vielfalt in Mainz.

Radio Bauer leer
Leerstand, wo einst Radio Bauer war: Viele alteingesessene Einzelhändler gaben in den vergangenen Monaten auf – Foto: gik

Ich habe in den vergangenen Monaten so einiges einkaufen müssen: Bürobedarf, Computer, Schuhe, Kleidung, Ausstattung für Küche und Haus.Und ich habe versucht, diese Dinge in Mainzer Läden einzukaufen – meistens vergeblich. Beispiel Birkenstock-Sandalen: Seit Jahren nutze ich die Ökoschlappen als Hausschuhe, nun waren neue fällig. Also auf in die Innenstadt, zum Fachgeschäft, wo ich seit Jahren meine Birkenstock-Sandalen kaufe. Dort angekommen, hieß es nur: Nö, haben wir nicht mehr.

Keine Schuhe für normale Füße, keine Auswahl

Mein „Problem“ nämlich: Ich habe normale Füße, normal breite Füße, in den Geschäften aber werden nur noch schmale Birkenstock-Sandalen angeboten, die aber passen mir nun einmal nicht. Warum sie denn keine normal breiten Sandalen mehr hätten, frage ich? Ja, sagt die Verkäuferin, hatten wir mal, eine breite Auswahl, aber haben wir ausgemustert. Führen wir nicht mehr. Warum? Schulterzucken. Weiß sie nicht. Wo ich denn nun solche Birkenstock finden könne? Neuerliches Schulterzucken, das wisse sie leider auch nicht. Und ich war nicht anspruchsvoll, wäre flexibel gewesen, was Farbe und Design anging – nichts zu machen. Ich habe meine Sandalen im Internet bestellt, nach zwei Tagen waren sie da, ich bin sehr zufrieden. Zumal die Sandalen mehr als ein Drittel billiger waren.

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Einkaufsliste Amazon
Outdoor-Sandalen, iPad-Zubehör, Dekotisch – kleiner Ausschnitt meiner Amazon-Einkaufsliste der vergangenen Monate – Foto: gik

Beispiel zwei: Für den Urlaub brauchte ich neue Outdoor-Sandalen, und ich wollte welche der Marke Teva. Damit habe ich nun mal gute Erfahrungen gemacht, die passen zu mir und meinen Füßen gut – also auf in die Stadt. In einem großen Kaufhaus die Auskunft: Ja, hatten wir mal, einen ganzen Ständer voll. Haben wir aber nicht mehr. Punkt. Warum? Schulterzucken. Wissen wir nicht. Entscheidet ja die Zentrale. Aha. Und wo….? Wissen wir auch nicht. Am Ende habe ich in ganz Mainz genau ein einziges Modell von Teva-Sandalen für Frauen in meiner Schuhgröße 37 gefunden – genau ein einziges Modell. Das nicht passte. In ganz Mainz. Ich habe – natürlich – meine Teva-Sandalen im Internet bestellt, nach zwei Tagen waren sie da, ich bin damit sehr glücklich.

Enthärter verschwunden, Verkäuferin desinteressiert

Beispiel drei: Ich brauchte Enthärter für meine Waschmaschine, seit Jahren kaufe ich genau denselben in einem bestimmten Öko-Supermarkt, es war nie ein Problem. Nun aber stehe ich vor dem Regal – nichts. Das Kuriose: Von derselben Marke gibt es weiterhin alles: Waschmittel, Spülmittel, Bleichmittel, alles da. Nur mein Enthärter nicht. Nun aber bin ich hochgradig allergisch und kann nicht einfach auf ein anderes Produkt ausweichen – es muss nun einmal dieser Enthärter sein.

Die Verkäuferin irrt desorientiert durch die Regale, sucht natürlich ebenfalls vergeblich, und sagt schließlich: Ja, haben wir wohl nicht mehr. Warum? Desinteressiertes Schulterzucken. Abwenden und weggehen. Entschuldigung, sage ich, kriegen Sie das Produkt denn wieder? Wissen wir nicht. Können Sie das vielleicht mal an die Marktleitung weitergeben? Das ärgert mich nämlich sehr, sage ich. Desinteressierter Blick. Kann ich ja mal machen, sagt die Verkäuferin und schlurft davon.

Lieber Einkaufsmarkt – Ihr habt gerade eine Kundin verloren. Und zwar eine, die nicht nur den Enthärter gekauft hat, sondern bei der Gelegenheit auch immer mal andere Dinge mitnahm: Eine Milch, eine Seife, Gemüse, was gerade anfiel. Tja, auch dieser Umsatz geht nun woanders hin. Den Enthärter habe ich dann im Internet bestellt, drei Stück auf einmal, nach einem Tag war er da, ich bin fürs Erste versorgt.

Was soll ich noch in der Innenstadt?

Und ertappte mich neulich bei dem Gedanken: Was soll ich eigentlich noch in der Innenstadt? Will ich mir wirklich die Hacken platt laufen, um am Ende frustriert doch im Internet zu bestellen?Wohlgemerkt: Ich finde diese Entwicklung schrecklich – ich würde so viel lieber in Mainzer Geschäften einkaufen! Bei realen Menschen! Aber so?

Denn das waren ja nicht die einzigen Dinge: In keinem einzigen Geschäft kann ich einen simplen Geschäfts-Computer kaufen, Drucker, Telefone – abgesehen vom Saturn-Einkaufsmarkt hat die Innenstadt wenig bis gar nichts zu bieten. Einen Wasserhahn für meine Küche bekam ich nicht einmal in einem der Baumärkte – für ein Drei-Schlauch-System standen mir ganze zwei Modelle zur Auswahl bereit.

Shoppen am Brandzentrum
Wilder Wechsel bei den Boutiquen am Brand: Quo vadis Einkaufsstadt Mainz? – Foto: gik

Und das zieht sich durch: Schuhe habe ich schon seit Jahren in Mainz nicht mehr gekauft. Warum? Weil die Schuhläden in Schuhgröße 37 kaum noch Auswahl haben. Komisch: In meiner Jugend gab es zwei große Regale voll Auswahl, heute darf ich zwischen zwei Modellen wählen. Frage ich im Geschäft heißt es: Tja, die Kinder und Jugendlichen heute haben eben alle größere Füße. Und was, bitte ist mit den anderen Kunden? Ja, sind denn alle Leute mit Schuhgröße 37 ausgestorben?

Boutiquen weg, Produktauswahl weg – Kunde hilflos

Beim Kleidungsangebot das gleiche Bild: Drei (!) Boutiquen, in denen ich bisher meine sportlich-moderne Kleidung einkaufte, haben im vergangenen Jahr zugemacht. Ersatz? Teenie-Boutiquen mit Kleidung für Bohnenstangen, Mindestgröße 1,70 Meter. Wenn ich Glück habe, bekomme ich noch meine Hosen im Kaufhaus im Shop-in-Shop-System. Dann darf ich die Hose nehmen, die gerade da ist. Auswahl? Produktpalette meiner Marken, die mir gut passen und stehen? Die sehe ich im Internet – in den Läden in der Innenstadt finde ich sie nicht mehr.

Nicht die Läden in Mainz sind weniger geworden – aber die Produktauswahl hat sich verändert. Geschäfte halten es offenbar nicht mehr für nötig, eine breite Produktpalette anzubieten. Dem Kunden anzubieten, fehlende Produkte zu besorgen, kommt ihnen auch nicht in den Sinn – kein einziges (!) Geschäft hat mir das angeboten. War ich in den falschen Geschäften? Vielleicht – aber es waren eigentlich Läden, in denen ich seit vielen Jahren einkaufe. Was hat sich da geändert?

Geschmackvoll, Qualitätsvoll - wir haben da mal an die Martkhäuer gedacht... - Foto: gik
Schon mal in den Mainzer Markthäusern geshoppt? – Foto: gik

Daunenjacke bei 30 Grad, Bademoden bei Minustemperaturen

Und versucht mal, im Sommer Bademode zu bekommen und im Winter einen Wintermantel… Denn es ist doch so, lieber Einzelhandel: Bei 30 Grad im Schatten soll ich Winterpullover anprobieren und Daunenjacken, aber kurz vor den Sommerferien einen Bikini zu finden, ist eine schiere Unmöglichkeit. Ich will aber nicht bei Null Grad Badeanzüge anprobieren, genausowenig wie ich Lebkuchen und Spekulatius im August essen will. Ich will  einkaufen wenn ich die Dinge brauche – und nicht ein halbes Jahr vorher irgendwie auf Vorrat.

Liebe Geschäftsleute – vielleicht muss sich der Handel mal wieder dem Kunden anpassen?  Warum kann ich für mein iPad 4 in keinem einzigen Laden in Mainz mehr Zubehör wie Hüllen oder Ladekabel einkaufen? Nein, wir haben nur das für die neuesten Geräte heißt es. Viele Menschen aber haben noch ältere Geräte – und ich werde mir nicht wegen eines neuen Kabels ein iPad für 600 Euro anschaffen, wirklich nicht. Das Internet – es ist oft der einzige Ausweg für Gegenstände, die man braucht oder wenn man bestimmte Artikel will.

Inliner-Zubehör, Dekotisch, Campingstuhl – nicht in Mainz

Eine Freundin suchte neulich Knie und Armschoner zum Inlinen, sie wurde in keinem einzigen (!) Sportgeschäft in Mainz fündig. „Außer Essen und Drogerie kaufe ich alles im Internet“, schrieb ein Mainz&-Leser uns: „Einfacher, weniger aufwendig, billiger, bessere Infos.“ Druckerpatronen sind oft 50 Prozent günstiger. Einen halbrunden Wandtisch aus Metall habe ich vergeblich gesucht. Und wo bitte, kaufe ich in der Innenstadt einen Campingtisch samt Campingstuhl? Samt Plane, Kühltasche, Outdoor-Handtuch und Gummihammer für die Heringe? Und mit einer bezahlbaren (!) Regenjacke?

Seit der heiß geliebte Camping Stiefel seine Tore geschlossen hat, ist es hier zappenduster – von edlen Outdoor-Stores abgesehen. Aber was, wenn ich eben nicht 200 Euro und mehr für eine Jacke ausgeben kann oder will? Nein, in Ihrer Größe haben wir da nichts mehr, sagte mein Sportgeschäft. Na, vielen Dank auch. Ich habe meinen Vor-Campingurlaub-Einkauf – bei Decathlon in Wallau getätigt.

Karstadt mit Vorplatz und Apotheke
Ob ein Shoppingcenter auf der LU helfen würde bei der Produktvielfalt? – Foto: gik

Der Kunde ist informiert, zielgerichtet – und mobil

Der Kunde, liebe Einzelhändler, ist heute nämlich so einiges: informiert, mobil und zielgerichtet. Er weiß oft, was er will, und er weiß, wieviel Geld er dafür ausgeben kann und muss. Nennt das anspruchsvoll – ja und? Wenn ich das, was ich brauche oder will, in Mainz nicht bekomme, werde ich mein Geld eben nach Hessen tragen – viele tun das bereits. Pflanzen Kölle, Computermaxx, Decathlon, Staples – die Liste meiner Einkaufsstopps auf der anderen Rheinseite ist lang. Leider.

Aber ich verstehe, warum meine Nichten total gerne im Main-Taunus-Zentrum einkaufen: Das Center sieht aus, wie eine Innenstadt-Fußgängerzone, vollgepackt mit Läden – und bietet eine unglaublich Auswahl an Produkten auf engstem Raum. Das ist effektiv, kuschelig und macht Spaß.Und kostenlos oder günstig parken kann ich da auch noch…

Gebt mir Gründe, bei Euch einzukaufen! Ich komme.

Also, liebe Mainzer Einzelhändler: Gebt mir einen Grund, bei Euch in Mainz einzukaufen – gebt mir viele Gründe! Gebt mir Produktvielfalt, und das nicht nur für Teenies! Stellt Euch auf verändertes Einkaufsverhalten ein, beachtet wieder Jahreszeiten, Produktbedarf und eine breite Kundenstruktur! Hört auf, aufs Internet zu schimpfen, und bietet mir stattdessen Anreize mit hilfsbereiten und informierten Verkäufern und spannenden Produkten. Denn es ist natürlich nicht alles schlecht – das gibt es auch in Mainz. Nur leider viel zu wenig.

Denn vor allem: Gebt mir das Gefühl, dass Ihr Euch freut, wenn ich bei Euch einkaufe! Neulich nämlich, musste ich meine Einkaufsgarderobe erneuern. Ich ließ mich also mit einem ganzen Stapel Hosen, Röcke und Oberteilen in einer Kabine einer Boutique nieder. Man sollte meinen, dass das die Besitzerin freuen würde – aber weit gefehlt: Ich erntete misstrauische Blicke und schroffe Sprüche à la „Wollen Sie sich hier häuslich niederlassen?“ Anstatt mir zu helfen, weitere Kleidungsstücke zu bringen, Ideen zu wälzen, unterhielt man sich lieber mit der Bekannten vorne. Ich habe drei Hosen, einen Rock und zwei Oberteile gekauft. Ob ich noch mal hingehe, weiß ich noch nicht.

Als neulich eine Lieferung bei Amazon viel zu spät kam, und ich deshalb ein Problem hatte, bekam ich ein freundliches Entschuldigungsschreiben zugeschickt – samt kostenloser Druckerpatrone als Entschädigung. Da kaufe ich wieder ein….

Info& auf Mainz&: Wir wollen von Euch wissen: Warum kauft Ihr im Internet ein, und welche Artikel? Warum geht Ihr nicht in die Geschäfte in der Innenstadt? Oder ist alles ganz anders, und Ihr habt gegensätzliche Erfahrungen gemacht? Schreibt uns! Wir konfrontieren dann mal die Vertreter des Einzelhandels in Mainz damit. Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) Haben wir schon gefragt: Unser großes Interview zum Einzelhandel in Mainz lest Ihr morgen auf Mainz&!

 

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