High Noon in Sachen Fahrverbote für alte Diesel: Am Mittwoch will das Verwaltungsgericht Mainz die Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte in Mainz entscheiden. Stickoxide seien giftig und gesundheitsgefährdend, die dauerhaften Überschreitungen des offiziellen Grenzwertes von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft verstießen gegen den im Grundgesetz festgelegten Schutz der Bürger, argumentiert die DUH – Mainz habe in den vergangenen Jahren nicht genug getan. Die Stadt widerspricht und verweist auf ihren just im Sommer vorlegten „Masterplan M3“: Von den dort vorgesehenen 70 Vorhaben seien 23 bereits in der Umsetzung, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Montag in Mainz, und verspricht: „Wir können Ende 2019 die Grenzwerte einhalten.“ Ob das alles dem Gericht reicht, ist indes völlig offen – Mainz zittert vor dem Fahrverbot.

Stau, Abgase, Umweltbelastung, Gesundheitsgefährdung: die DUH zieht gegen dicke Luft in Mainz vor Gericht, am Mittwoch ist Entscheidung vor dem Verwaltungsgericth Mainz. – Foto: gik

„Da schwebt eine dicke dunkle Wolke über uns, die uns bedroht“, klagt Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen. Käme ein solches Verbot, 80 bis 90 Prozent der Fahrzeuge im Handwerk wären betroffen, rechnete Obermann am Montag in Mainz vor, und besonders kleine und mittlere Unternehmen und Handwerker stünden vor großen Problemen. „Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Wirtschaft“, warnt auch Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rheinhessen. Die Folgen wären gravierend: Transportunternehmen könnten ihre Güter nicht mehr anliefern, Taxis keine Fahrgäste mehr transportieren, Pendler müssten draußen bleiben. In Mainz könnte noch gerade ein Bestatter den Zentralfriedhof ansteuern, sagt Obermann – alle anderen wären vom Fahrverbot betroffen.

Vor zwei Jahren, im November 2016 schaltete die Deutsche Umwelthilfe ihre Klage gegen den Luftreinhalteplan der Stadt Mainz wieder scharf. Man akzeptiere nicht länger, „dass Mainz auf Zeit spielt und die freie Fahrt für Dieselstinker höher bewertet als die Gesundheit seiner Bürger“, schimpfte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch damals. Mainz verweigere seit Jahren seinen Bürgern das Recht auf ‚Saubere Luft‘ und verstoße damit gegen Artikel 2 des Grundgesetzes, dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Drei Jahre lang habe die DUH versucht, mit der Stadt Vereinbarungen zu „außergerichtlichen Maßnahmen“ zur Verbesserung der Luftqualität zu erreichen, das müsse man nun „als gescheitert ansehen“.

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Tatsächlich läuft der Streit zwischen der DUH und der Stadt Mainz bereits seit 2011, 2013 ließ der Umweltverband seine Klage vorerst ruhen – und nahm sie Ende 2016 wieder auf. Am Mittwoch trifft man sich nun vor dem Verwaltungsgericht in Mainz, und in der Landeshauptstadt ist die Nervosität groß. Bislang hat die DUH sämtliche Verfahren vor Gerichten gewonnen, in Stuttgart, Düsseldorf und Berlin ordneten Gerichte bereits Fahrverbote an. Besonders hart trifft die Rhein-Main-Region das jüngst für Frankfurt angeordnete Fahrverbot: Bereits ab Februar 2019 sollen Diesel der Euro-Norm 4 großflächig ausgesperrt werden, ab September 2019 auch Euro 5-Diesel, so ordnete es das Gericht an, und befand: Auch die kurz vor der Verhandlung noch vorgelegten Maßnahmenpläne könnten daran nichts ändern.

Stemmen sich gegen das drohende Fahrverbot für Mainz (vion Links): Bürgermeister Günter Beck (Grüne, Anja Obermann von der Handwerkskammer Rheinhessen, OB Michael Ebling (SPD) und IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz. – Foto: gik

Das Land Hessen hat nun gegen das Urteil des Wiesbadener Verwaltungsgerichts Berufung eingelegt, doch der schwarz-grünen Landesregierung verhagelte es endgültig den Landtagswahlkampf, als der Bund in seinem Dieselkompromiss ausgerechnet Frankfurt nicht unter die 14 besonders betroffenen Städte aufnahm. Auch Mainz ist nicht unter den besonders betroffenen Regionen, doch nur in diesen sollen Dieselbesitzer Anspruch auf möglicherweise kommende Umrüstungen und Umtauschprogramme der Autohersteller haben.

Ebling kritisierte das am Montag noch einmal als „völlig unverständliche“ Regelung: „Hier werden Verbraucherrechte in zwei Klassen geteilt, das ist kein Ansatz, die Probleme zu lösen“, schimpfte der OB. Mit Fahrverboten könne ein Nerv getroffen werden, der eine Stadt tief zu verletzen drohe. Das Problem der Stadtspitze: „Unsere Sorge ist, dass nicht ausgeschlossen ist, dass es zu Dieselfahrverbote kommen kann“, räumte Ebling ein. Dabei lösten Fahrverbote das Problem auch nicht, wie etwa Städte wie Hamburg zeigten: „Es wird nicht ein Auto weniger fahren, sie werden nur anders fahren“, sagte der Stadtchef mit Blick auf Hamburg. Die Stadt lehne Fahrverbote ab, weil sie zu einer massiven Einschränkung der Mobilität der Mainzer führen würden, man tue alles, dies noch abzuwenden.

„Wir nehmen die Luftbelastung in unserer Stadt sehr wichtig“, betonte Ebling weiter, Mainz habe bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, die Luftqualität zu verbessern. Mit der Mainzelbahn sei viel für die Elektrifizierung getan, 162 Busfahrten pro Tag würden dadurch ersetzt, rechnete Bürgermeister Günter Beck (Grüne), der derzeit die sich in Mutterschutz befindende Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) vertritt, vor. Im Juli legte die Stadt zudem ihren „Masterplan M3“ vor, die rund 70 Maßnahmen setzen auf die Elektrifizierung des Verkehrs, den Ausbau des Radverkehrs, digitale Ampelschaltungen und Umrüstung des städtischen Fuhrparks. Allein in den kommenden Jahren seien Maßnahmen für 83 Millionen Euro geplant, sagte Ebling, 28 habe man dem Gericht vorgelegt, weil sie bereits in der Umsetzung seien.

Käme ein Fahrverbot, Handwerker, Unternehmer, aber auch der städtische Fuhrpark bekämen große Probleme. – Foto: gik

Schnelle Abhilfe soll vor allem die Umrüstung der Dieselbusflotte bringen: Einhundert Busse sollen bereits Ende des Jahres mit Katalysatoren ausgestattet sein, das senke den Stickoxid-Ausstoß um 90 Prozent. Dazu schaffe man vier Brennstoffzellenbusse und vier elektrische an. Im Unterschied zu anderen Kommunen seien das keine Vorhaben, sondern bereits erfolgte Bestellungen, betonte Ebling: „Unsere Busse werden bis Ende des Jahres tatsächlich alle umgerüstet sein.“ Und man könne schon viel weiter sein, wenn denn die Autoindustrie schadstofffreie Busse liefern könne, doch genau da hake es. Mit den Maßnahmen werde Mainz aber schon Ende 2019 den Grenzwert von 40 Mikrogramm einhalten können betont Ebling, man rechne mit einer Senkung von 6 bis 7 Mikrogramm in der Parcusstraße.

Vier Messstellen gibt es zurzeit noch in Mainz, nur an der offiziellen Messstelle des Landesumweltamtes in der Parcusstraße werde der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft noch überschritten. „Die Stickoxidbelastung in unserer Stadt sinkt, das ist gewollt“, betonte Ebling, „und wir können das auch konkret mit Zahlen belegen.“ 2010 seien in Mainz noch 61 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter Luft gemessen worden, 2017 seien es noch 48 Mikrogramm gewesen. Die Deutsche Umwelthilfe sieht das jedoch anders: Die 48 Mikrogramm in der Parcusstraße seien noch immer eine „deutliche Überschreitung“ des erlaubten Jahresmittelwerts, betonte Resch am Montag. Dazu gebe es zahlreiche weitere amtliche Messungen mit hohen Überschreitungen, etwa an der Binger Straße mit 59 Mikrogramm, an der Rheinallee mit 58 Mikrogramm sowie auf dem Neubrunnenplatz mit 53 Mikrogramm.

Die Stadt Mainz setzt vor allem auf die Umrüstung der Dieselbusse bis Jahresende für schnelle Effekte. – Foto: gik

Pikant ist in dem Zusammenhang auch, dass die Stadt eine Messstelle mitten in der viel befahrenen Innenstadtstraße Große Langgasse nach der Neugestaltung der Straße nicht wieder aufstellen will. „Wir brauchen die Messstation nicht“, sagte Beck: „Wir gehen davon aus, dass es da künftig Unterschreitungen des Grenzwertes gibt.“ Die Stadt hat in der Straße einen neuen, Luftschadstoffe schluckenden Asphalt aufgebracht, natürlich werde man mit Passivsammlern die weitere Entwicklung kontrollieren, sagt Beck.

Bei der ÖDP hält man das für „fahrlässig und unüberlegt“: „Die Station hat bis zuletzt Grenzwertüberschreitungen verzeichnet“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der ÖDP, Wilhelm Schild. Nun einfach zu behaupten, dass die Messungen überflüssig seien, weil die Grenzwerte nach dem Umbau der Straße nicht mehr überschritten würden, „ist aus unserer Sicht unverantwortlich.“ Es brauche einen Nachweis, dass die Maßnahmen in der Großen Langgasse tatsächlich das hielten, was sich die Stadt von ihnen verspreche, ohne werde das „Messstation zur Kaffeesatzleserei“, warnte Schild. Die Stadt vertue damit die Chance eines echten Monitorings, auf dessen Grundlage sich die Wirksamkeit weiterer Maßnahmen besser einkalkulieren lasse.

Besonders an der Messstation in der Mainzer Parcusstraße wird der Grenzwert für Stickoxide von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft noch deutlich überschritten. – Foto: gik

Ob das dem Gericht das alles am Ende reicht, ist völlig offen. In Wiesbaden bescheinigte das Verwaltungsgericht dem Land Hessen vor wenigen Wochen, seine eilig nachgereichten Maßnahmenkataloge seien eben auch nicht ausreichend – und verfügte ein Fahrverbot für Frankfurt. Am Wochenende kündigte Bundeskanzlerin Angelka Merkel (CDU) dann offenbar unter dem Druck der hessischen Wahl an, Fahrverbote per Gesetz als unverhältnismäßig zu erklären. In Mainz stieß das auf Kopfschütteln: „Ich finde den Vorschlag nicht lösungsorientiert“, sagte Ebling, und Beck grollte, das sei doch „ein Taschenspielertrick der Kanzlerin“, der dem Wahlkampf in Hessen geschuldet sei. Die Grenzwerte seien zum Schutz der Gesundheit da, wer damit spiele, spiele „mit dem Schutz der Menschen“, kritisierte Beck: „Die Politik wird völlig unglaubwürdig, das hätte fatale Folgen.“

Bei der DUH hieß es, Merkels Vorschlag sei eine „durch Panik vor einem Wahldebakel gesteuerte Pseudo-Politik, die weder Hand noch Fuß hat.“ Merkel versuche „erneut, die betrügerischen Dieselkonzerne zu schonen“, kritisierte Resch. Die 800.000 jährlichen Neuerkrankungen, die ihr vom Umweltbundesamt vorgerechnet wurden, spielten bei der Kanzlerin „offensichtlich keinerlei Rolle.“ Ein Hochsetzen des NO2-Jahresmittelgrenzwerts sei zudem rechtswidrig, sollte er dennoch beschlossen werden, sei „dieser Bruch des Europarechts von nationalen Gerichten nicht anzuwenden.“

Info& auf Mainz&: Mainz& ist natürlich am Mittwoch vor Gericht live dabei, wir sind schon sehr gespannt auf den Ausgang. Was die Deutsche Umwelthilfe mit ihren Klagen vor Fahrverbote wirklich erreichen will – nämlich die flächendeckende Nachrüstung der Betrugs-Diesel, lest Ihr hier bei Mainz& in einem Interview mit Jürgen Resch. Und bevor wieder das Totschlag-Argument der undurchsichtigen Finanzierung der DUH mit Hilfe des Autobauers Toyota kommt: Die DUH geht sehr offen und transparent mit ihren Finanzen um und legt alles offen – man muss sie halt nur fragen. Die Spenden von Toyota gibt es, sie machen aber lediglich einen kleinen Bruchteil der DUH-Finanzen aus. Mehr zum Frankfurter Dieselfahrverbot und der Begründung des Gerichts lest Ihr hier.

 

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