Am heutigen Dienstag verabschiedet der Stadtrat den neuen Luftreinhalteplan für Mainz, die Stadt setzt damit das Urteil des Mainzer Verwaltungsgerichts von Ende Oktober um. Das Gericht hatte der Stadt aufgetragen, ihren Luftreinhalteplan bis zum 1. April 2019 zu ändern, und darin auch Konzepte für die Umsetzung von Diesel-Fahrverboten zu verankern. Die Stadt setzt das nun um – und hofft gleichzeitig, die Fahrverbote noch zu verhindern. Einfach wird das nicht, die Stadtverwaltung will deshalb im ersten Halbjahr 2019 mit einem ganzen Maßnahmenbündel „Gas geben“: Austausch der Dieselbusse durch Elektrobusse, Lückenschlüsse im Radwegenetz der Bau eines Fahrradparkhauses am Hauptbahnhof – und ein Durchfahrverbot für Lkws auf der Rheinschiene sowie der Neuorganisation der Shuttlebusse bei den Heimspielen von Mainz 05.

Fahrverbotszone 1 für Mainz laut dem neuen Luftreinhalteplan: das Bleichenviertel. – Grafik: Stadt Mainz, Screenshot: gik

„Der Aktionsplan ist eine reine Umsetzung des Gerichtsurteils“, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) vor gut einer Woche bei der Vorstellung des Papiers im Umweltausschuss der Stadt. Die Sache eilt: Schon zum 1. April 2019 muss der Aktionsplan für die Umwelt in Kraft getreten sein, dem geht aber noch eine längere Offenlage für die Bürger voraus – auch deshalb muss der Stadtrat schon heute in aller Eile über das Werk entscheiden. Im Umweltausschuss gab es viel Lob von allen Fraktionen für die Stadtverwaltung für die schnelle Umsetzung des Werkes.

Das Mainzer Verwaltungsgericht hatte Ende Oktober geurteilt, Mainz müsse bis zum 1. April 2019 Diesel-Fahrverbote in den städtischen Luftreinhalteplan aufnehmen und diese auch ab September 2019 umsetzen, falls bis dahin die Stickoxidwerte nicht unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sinken. Die Stadt hatte Anfang Dezember das Urteil akzeptiert und verkündet, man werde keine Berufung einlegen.

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„Aus unserer Sicht handelt es sich um eine durchaus abgewogene und großzügige Umsetzung“, begründete Ulrich Helleberg, Leiter des städtischen Rechtsamtes, im Umweltausschuss die Entscheidung. Das Gericht habe an mehreren Stellen die Maßnahmen der Stadt zur Senkung der Stickoxide positiv gewürdigt und die Stadt eben nicht verurteilt, die gesamte Umweltzone der Stadt zur Dieselfahrverbotszone zu erklären – wie das etwa in Frankfurt geschah. Nun liege die Umsetzung von Verboten „nach wie vor in der Hand der Stadt“, betonte Helleberg, das sei ein Vorteil.

Der neue Luftreinhalteplan sieht nun ein dreistufiges Modell für Dieselfahrverbote vor: Stufe eins wäre eine Verbotszone, die vor allem das Bleichenviertel mit der Kaiserstraße und der Großen Bleiche umfasst und angrenzende Teile der Hindenburgstraße einschließen würde. Rheinstraße und Rheinallee wären hier nicht inbegriffen, wohl aber Alicenbrücke und Parcusstraße, wo sich die wichtigste Luftmessstation der Stadt befindet. Damit wäre eine der wichtigsten Durchfahrtrouten durch Mainz betroffen. In der ersten Stufe würde das Bleichenviertel für Diesel der Euronorm 4 und schlechter sowie für Benzinfahrzeuge der sehr alten Euronormen 1 und 2 gesperrt. Stufe zwei wäre die Sperrung derselben Zone auch für Euro 5-Diesel.

Die mögliche Diesel-Fahrverbotszone für die Mainzer Innenstadt. – Grafik: Stadt Mainz, Screenshot: gik

Stufe drei schließlich würde die Sperrung der gesamten Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Rheinufer, Josefsstraße und Altstadttangente bis zum Südbahnhof bedeuten. Das wären ein Drittel der Mainzer Neustadt, die gesamte Altstadt, die Rheinschiene sowie das Bleichenviertel. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf ältere Dieselfahrzeuge der Norm 5 und schlechter: sie müssten die Mainzer Innenstadt weiträumig über die Mombacher Straße oder sogar den Autobahnring umfahren, auch die Rheinstraße wäre für sie nicht mehr erreichbar. Allerdings würde die Stadt wohl weitgehende Ausnahmeregelungen für Handwerker und Anwohner erlassen – dennoch wären in Mainz insgesamt 38.094 Dieselfahrzeuge betroffen.

Rund 6.500 Dieselfahrzeuge sind derzeit nach Angaben der Stadt in der Mainzer Altstadt und Neustadt in der Diesel-Verbotszone betroffen. Überraschend auch: Von den rund 40.0000 in Mainz gemeldeten Diesel gehören lediglich 11.581 zur modernsten Euronorm 6, aber noch rund 12.000 zur Euronorm 5. Rund 6.500 Fahrzeuge haben noch die Euro 4-Norm, 4.000 die Euro 3-Norm, 1.300 Fahrzeuge sind noch Euro 2er – und 196 Stück gehören noch zur Euronorm 1.

Welche Fahrverbotsstufe zur Anwendung käme, hängt von der Höhe der Grenzwertüberschreitungen ab: Bisher lag der Jahresmittelwert in der Mainzer Parcusstraße bei 48 Mikrogramm pro Kubikmeter, deutlich über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm. Das Minderungspotenzial für die Stufe 1 – Bleichenviertel für Euronorm 4 und schlechter – beträgt nach Berechnungen eines Ingenieurbüros gerade einmal 1,5 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Stufe 2 würde hingegen bereits 5,3 Mikrogramm Senkung bringen, so die Berechnung, ein Fahrverbot für die gesamte Innenstadt den Berechnungen zufolge hingegen mit 5,6 Mikrogramm nur unwesentlich mehr.

Die Luftmessstation des Landes Rheinland-Pfalz in der Parcusstraße. Hier werden die höchsten Stickoxidwerte für Mainz gemessen. – Foto: gik

Die Stadt zeigt sich zudem immer noch zuversichtlich, die Stickoxidwerte im ersten Halbjahr 2019 so weit senken zu können, dass sie gar kein Fahrverbot erlassen muss – einfach wird das indes nicht. Bei der Stadt setzt man auf eine Passage im Gerichtsurteil, nach dem auf Fahrverbote noch verzichtet werden kann, wenn der Grenzwert bis Ende Juni 2019 nur „geringfügig“ überschritten wird – was „geringfügig“ genau heißt, definierte das Gericht indes nicht. Die ein Rückgang der Stickoxidwerte von 7-8 Mikrogramm erreicht werden kann – das Gericht bezweifelte das in der mündlichen Verhandlung explizit. Im städtischen Maßnahmenkatalog seien zu viele Elemente enthalten, von denen unsicher sei, ob sie überhaupt angenommen werden – dazu zählte das Gericht ausdrücklich den Radverkehr.

Zudem verwies die Richterin auf Prognosen des Landesumweltamtes, nach denen die Stickoxidwerte gerade in der Parcusstraße 2018 voraussichtlich wieder gestiegen sind – das Umweltamt macht die Großbaustelle in der Bahnhofstraße maßgeblich für die Senkung der Werte in 2017 verantwortlich. Weil damals durch die Baustelle deutlich weniger Busse die Messstation in der Parcusstraße passierten, könnten die Werte 2018 wieder gestiegen sein, so die Prognose – damit würden die Maßnahmen zur Senkung der Stickoxidwerte wohl nicht ausreichen.

Kommen 2019 Diesel-Fahrverbote für Mainz oder nicht? Es bleibt spannend… – Foto: gik

„Wir haben eine Schonfrist von sechs Monaten“, sagte Eder denn auch im Umweltausschuss: „Wir müssen jetzt noch eine Schippe drauf legen.“ Dafür nahm die Stadt weitere Maßnahmen in den neuen Luftreinhalteplan auf. Wichtigste Maßnahme: ein Lkw-Durchfahrverbot auf der Rheinschiene. Ziel sei, dass Lkws, „die nicht zum Ziel- oder Quellverkehr gehören, den Autobahnring nutzen müssen und nicht die Abkürzung durch die Stadt“ nehmen könnten, heißt es im Luftreinhalteplan. Schon im ersten Quartal 2019 soll die Maßnahme umgesetzt werden.

Neu ordnen will die Stadt zudem die Shuttlebusfahrten zu den Heimspielen von Mainz 05. Immer dann, wenn Heimspiele ausgetragen werden und deshalb zahlreiche Shuttlebusse im Einsatz sind, stiegen 2017 die Stickoxide auf Höchstwerte – 200 Mikrogramm und mehr. Siebenmal wurde dieser Wert 2017 überschritten, immer an Heimspieltagen. Die Stadt hat nun Warteschleifen für die Shuttlebusse nicht mehr durch die Innenstadt, sondern durch weniger belastete Gebiete geführt und will so die Stickoxidwerte absenken helfen. Dazu sollen auch die neuen Gehwegplatten in der Großen Langgasse aus photokatalytisch wirksamem Material beitragen – sie sollen Stickoxide in Nitrat umwandeln, das mit dem Regenwasser weggespült wird. Die Stadt will in Zukunft mehr solcher Platten am Münsterplatz, in der Boppstraße sowie in Mombach einsetzen.

Bei anderen Maßnahmen hakt es hingegen noch: Bei der Schaffung von Park and Ride-Plätzen habe man Schwierigkeiten, geeignete Plätze am Stadtrand zu finden, räumt der Luftreinhalteplan ein, es solle deshalb zunächst eine Potenzialstudie erstellt werden. Und manche Probleme wurden auch neu geschaffen: An der Kreuzung Parcusstraße – Bahnstraße richtete die Stadt nach dem Ende der Bauphase Vorrang für die querenden Busse ein – seither aber staut sich der Autoverkehr vor allen in Stoßzeiten weit über die Alicenbrücke zurück bis hinaus zur Saarstraße. Das aber lässt die Abgaswerte erheblich steigen. Nun wurde der Auftrag an ein Ingenieurbüro vergeben zu untersuchen, „wie die Ampelanlage trotz Vorrangschaltung des ÖPNV optimiert werden kann.“

In der Parcusstraße sowie der Kaiserstraße will die Stadt zudem deutlich stärker gegen haltende Lieferfahrzeuge in der zweiten Reihe vorgehen – zu manchen Tageszeiten wird hier die dreispurige Straße auf bis zu eine Fahrspur verengt. Das behindert den Verkehrsfluss erheblich, die Stadt will deshalb hier „den Parkraum neu gestalten.“

Info& auf Mainz&: Den gesamten Luftreinhalteplan mit den neuesten Änderungen findet Ihr bis zu seiner Verabschiedung hier im Ratsinformationssystem der Stadt unter dem Termine Stadtrat zum Download. Mehr zum Urteil des Verwaltungsgerichts in Sachen Diesel-Fahrverbote lest Ihr hier bei Mainz&.

 

 

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