Im Juni 2020 gründeten drei Aktivisten aus dem Umfeld der Fridays for Future-Bewegung die Klimaliste Rheinland-Pfalz, nun wurde die neue Liste zur Landtagswahl am 14. März 2021 zugelassen: Eine komplette Landesliste mit 101 Kandidaten habe man aufgestellt, dazu Direktkandidaten in vielen Wahlkreisen – auch in Mainz, betonen die Aktivisten. Zur Wahl stehen dabei Wissenschaftler und Klimaaktivisten, ihr Ziel: Die Politik in Rheinland-Pfalz nachhaltig verändern und strikt an dem Pariser Klimaabkommen mit der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ausrichten. Dafür legte die „Klimaliste RLP“ nun ihr Programm vor: einen mehr als 140 Seiten starken „Klimaplan“.
Als „neuer Player“ in der Politikszene versteht sich die „Klimaliste RLP“, hervorgegangen ist sie aus der Fridays for Future-Bewegung und vor allem ihrem Ableger, der „Scientists for Future“. Man sei keine Partei und wolle auch gar keine werden, betonte Spitzenkandidat Maurice Conrad schon bei der Gründung im Juni 2020, sondern ein „sehr offener und freier Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Akteure“, die sich gemeinsam im Landtag für Klimagerechtigkeit einsetzen wollten. „Wir wollen selbstverständlich keine Partei mit Karrierewegen und Substrukturen gründen, sondern ein Bündnis, welches wissenschaftliche Forderungen im Bereich des Klimaschutzes ergebnisorientiert in die Landespolitik bringt“, betonte auch Mitgründerin Greta Waltenberg.
„Klimalisten“ sind eine neue Erscheinung in der Politik, eine der ersten gründete sich 2019 in Erlangen zur bayrischen Kommunalwahl – und zog gleich mit zwei Sitzen in den Erlanger Stadtrat ein. Seither folgten weitere Gründungen von Klimalisten, die rheinland-pfälzische ist nun die erste, die bei einer Landtagswahl antritt – in Baden-Württemberg sammeln die Kollegen derzeit noch Stimmen für ihren Wahlvorschlag. Auch in Hessen wollen bei der Kommunalwahl mehrere Klimalisten antreten, ihre Kandidatur ist vor allem eine Kampfansage an die Grünen: „Für uns bildet keine Partei in Rheinland-Pfalz eine wissenschaftlich basierte Klimapolitik ab“, sagte Conrad am Donnerstag in Mainz.
Der 20-Jährige gehört zu den Mitbegründern und Organisatoren der Fridays for Future-Bewegung in Mainz, Conrad studiert inzwischen Informatik und zog bei der Kommunalwahl im Mai 2018 in den Mainzer Stadtrat ein – damals noch für die Piratenpartei, aus der er inzwischen aber wieder austrat. Es sei einfach „frustrierend mit anzusehen, woran es oft scheitert“, sagte Conrad nun – oft liege es an den Wegen, wie Politik gemacht werde. Die Klimakrise aber warte nicht, „die nächste Legislatur ist diejenige, in der entschieden wird, ob das 1,5-Grad-Ziel eingehalten wird oder nicht“, betonte er.
Deshalb müssten Klimaaktivisten Einfluss nehmen auf politische Prozesse, „wir haben keine andere Chance, als Politik zu machen“, sagte Conrad. Klimaschutz sei zudem „eben kein parteiisches Interesse, sondern muss schnellstmöglich auf Basis von Wissenschaft und Forschung aufbauend umgesetzt werden“, betonte Conrad, der nun als Spitzenkandidat der Klimaliste RLP ins Rennen geht.
„Eine Transformation in der Größe, wie wir sie brauchen, braucht neue politische Angebote und Strukturen“, sagte auch seine Ko-Spitzenkandidatin Beatrice Bednarz. Die Erfahrung aus anderen Städten zeige bereits, dass Klimalisten den Wahlkampf beeinflussen könnten und so auch die Klimakrise mehr ins Bewusstsein rückten. „Wir haben nicht das Gefühl, dass die anderen Parteien bereit sind anzusprechen, dass es zu Veränderungen kommen muss“, sagte die 26 Jahre alt Bednarz, die Physik-Doktorandin in Mainz ist.
Die Welt steuere derzeit auf eine massive Krise zu: Tropennächte, Waldsterben, Instabilität und Planungsunsicherheit, „wenn wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen, wird sich unsere Welt grundlegend verändern“, warnte die Physikerin. Schon jetzt habe sich das Klima in Rheinland-Pfalz um 1,6 Grad Celsius erwärmt, „es war auch für mich schockierend zu sehen, wie nah wir schon an der Klimakrise sind.“
Das erklärte Ziel der Klimaliste daher: Das Pariser Klimaabkommen umsetzen, den Treibhausgasausstoß stoppen und die Erderwärmung so auf maximal auf 1,5 Grad begrenzen. Erreicht werden soll das mit einer Politik, die sich konsequent an der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels orientiert, der „Klimaplan“ soll der Fahrplan dazu sein. „Wir werden in Rheinland-Pfalz ein jährliches Treibhausgasbudget festlegen, das eingehalten werden muss“, sagte Tomas Kasemets, 38 Jahre alt und Teilchenphysiker an der Universität Mainz. Das Klimaziel solle Verfassungsrang bekommen, das Land bereits ab jetzt mit einem „Schattenpreis“ von 125 Euro pro Tonne CO2 rechnen. „Wir werden auch kommunale Treibhausgasbudgets festlegen“, sagte Kasemets, damit sich die Kommunen das auch leisten könnten, solle sie das Land dabei umfassend unterstützen.
In jeder Kommune solle es zudem Klimaschutzmanager geben, dazu Anpassungsstrategien an den Klimawandel, bei denen die Gesundheit eine zentrale Rolle spielt: Die Klimakrise sei auch eine Gesundheitskrise. Neue Gebäude sollen ihre Ökobilanz ausgleichen müssen und sich an Passivhausstandards ausrichten. Gleichzeitig sollen ökologische Baustoffe, insbesondere Holz, stärker gefördert und Flächenversiegelung verringert werden – die Klimaliste würde etwa auch Steingärten verbieten. „Wir werden eine Trendwende in der Klimapolitik in RLP einleiten“, sagte Kasemets, dazu gehöre auch eine technische Transformation – der „Klimaplan“ umfasse alles von künstlicher Intelligenz über Smartgrids bis hin zur Landwirtschaft.
So soll auch die Industrie ihre klimaschädlichen Emissionen auf Null reduzieren und in eine Kreislaufwirtschaft mit 100-prozentigem Recycling einsteigen, die Landwirtschaft ökologischer werden und ihren CO2-Ausstoß verringern. Der erhebliche Ausbau von Windkraft und Photovoltaik steht natürlich ebenfalls auf der Agenda der „Klimaliste“, Windenergieanlagen sollen näher an Gewerbe- und Industrieanlagen geplant und einfacher repowered werden können, die Bürger automatisch finanziell von den Anlagen profitieren. „Wir wollen, dass es selbstverständlich wird, dass Menschen auch mit 50 Jahren noch Umschulungen machen können“, sagte Bednarz zudem. In anderen Ländern wie Schweden sei das bereits normal, das solle es auch in Deutschland werden.
Das Vorantreiben der Digitalisierung soll zudem Co-Working-Spaces und Homeoffice erleichtern und so Arbeitswege reduzieren, während gleichzeitig die Mobilität neu gedacht und konsequent an der Verkehrswende ausgerichtet wird. „Wir setzen uns für einen radikalen Verkehrswechsel weg vom Auto ein“, sagte der 21 Jahre alte Medizinstudent Mikio Weiss, der ebenfalls für die Klimaliste antritt. Ziele seien die Schaffung von Anreizen für klimagerechte Mobilitätssysteme, die Abschaffung von Stellplatzpflichten für Autos in Städten und die Einführung von Citymaut-Systemen zur Besteuerung von Pkws.
Das ÖPNV-Angebot soll gerade auch in den ländlichen Räumen deutlich ausgeweitet, die Infrastruktur massiv ausgebaut werden. „Dabei reicht es nicht, wie bisher, im Liniensystem zu denken“, sagte Weiss: Zentrale Bausteine eines künftigen Verkehrssystems müssten Mobility on Demand und Carsharing-Systeme werden. Auch sollten Radwege lückenlos und mit angemessener Größe gebaut werden, und diese sämtliche Regionen von Rheinland-Pfalz verknüpfen. Mit modernen Apps sollten nicht nur alle ÖPNV-Angebote untereinander verknüpft, sondern auch Speditions- und Logistikprobleme intelligenter koordiniert werden, erklärte Conrad zudem. Und die Schulen sollten „eine Bildungsplattform erhalten, die man auch benutzen kann“, fügte er hinzu. Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutzthemen sollten zudem in die Lehrpläne Eingang finden.
Ihren Wahlkampf will die Klimaliste weitgehend mit digitalen Veranstaltungen und Plakaten führen, für die Finanzierung des Wahlkampf läuft bereits eine Crowdfunding-Aktion, das Ziel: 25.000 Euro, rund 14.000 Euro wurden bislang erreicht. Wie sie denn im Konzert der anderen, und meist viel größeren Parteien Aufmerksamkeit erreichen wollten, fragte Mainz& dann noch, die Antwort: „Ich glaube, wir werden als Klimaliste herausstechen“, sagte Conrad, und kündigte selbstbewusst an: „Wir wollen die Fünf-Prozent Hürde überspringen und auch in der Landesregierung mitwirken.“
Info& auf Mainz&: das ganze Wahlprogramm der „Klimaliste RLP“, den „Klimaplan“ also findet Ihr samt den Kandidaten und weiteren Informationen hier im Internet. Ein erstes Portrait der neuen Aktivistenplattform lest Ihr hier auf Mainz&.