Am Pfingstsonntag gibt es an den Römersteinen ein ganz besonderes Fest: Schafschur, und das mitten in Mainz. Auf der Wiese unterhalb der Überreste der römischen Wasserleitung hält nämlich Günter Dorn 39 Bergschafe. Die sind nicht nur hübsch anzuschauen, sie erfüllen auch einen ökologischen Zweck: In Bretzenheim, Zahlbach, am Hang zur Uniklinik – Dorns Schafe beweiden die Hänge und halten sie frei von Unkraut und Gras. Und natürlich sind sie eine Attraktion, die Schafe mitten in Mainz. Am Sonntag wird geschoren – und gefeiert.

Römersteinschafe Mai 2016 - Foto Günter Dorn
Die Schafe an den Römersteinen im Mai 2016 – Foto: Günter Dorn

„Schon seit dem 13. Jahrhundert gibt es Schafe an den Römersteinen“, erzählt Günter Dorn, der ganz offiziell „Römersteinhirte“ heißt. In Zahlbach stand einst das Kloster Dalheim, die Nonnen lebten unter anderem von der Schafzucht. Die Römer bauten hier einst eine Wasserleitung über das Zahl des Zaybachs, um das Wasser von den Quellen in Finthen zu ihrem Lager auf dem Kästrich zu leiten.

Als es Günter Dorn des Jobs wegen nach Mainz verschlug, waren die Wiesen unterhalb der Römersteine eine zugewucherte Wildnis mit Unkraut, meterhohem Gras und Brombeersträuchern. „Ich habe dann der Stadt vorgeschlagen, dass ich alles herrichte und meine Schafe herhole“, berichtet Dorn. „Ich bin sehr naturverbunden, gesellig, sozial, ich kann nur in der Stadt leben, wenn ich mit viel Natur lebe und mit meinen Tieren.“

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Schafe besitzt Dorn schon seit 30 Jahren, der Fluglotse ist gebürtiger Allgäuer, und als ihm sein Vater einen alten Bergbauernhof vererbte, stand er vor der Herausforderung, die steilen Wiesen mähen zu müssen. Eine Nachbarin besaß dafür Schafe, als die nicht mehr weiter machen konnte, übernahm Dorn die Tiere.“Ich habe eine Art Lehrzeit bei einem richtigen Schäfer gemacht“, erzählt er, von ihm lernte er alles über Klauen schneiden, Wurmbehandlung und das Erkennen von Schafkrankheiten. „Ohne so eine gewisse Grundlage sollte man das nicht machen“, betont er.

Günter mit Schäferwagen - Foto Dorn
Günter Dorn mit einem echten Schäferwagen – Foto: Dorn

Einige Jahre arbeitete Dorn als Flutglotse am Stuttgarter Flughafen, als er dann nach Mainz zog, brauchte er immer jemanden, der nach seinen Schafen sah. Mit der Wiese zu Füßen der Römersteine kam die Chance, das Stück Heimat nach Mainz zu holen – Dorn griff zu. 39 Allgäuer Bergschafe hält er seither dort, „die sind sehr, sehr robust“, berichtet er. Die Tiere brauchen deshalb nur einen Unterstand, ein kleiner Stall bietet Schutz für die neu geborenen Lämmer.

Ihr Futter finden die Schafe auf der Wiese an den Römersteinen – und in der Umgebung. Drei bis vier Kilometer laufen die Tiere pro Tag zu anderen Hängen. In Zahlbach beweiden sie die Wiesen am Hang der Uniklinik, „da ist die Stadt froh, wenn wir da abweiden“, grinst Dorn. Die Böschungen an den Unisportplätzen waren das bevorzugte Winterquartier, auch am Naturschaugarten in Bretzenheim sind die Schafe zu finden. „Man denkt gar nicht, wie viele Flächen es da gibt“, sagt Dorn, „Futter gibt es genug.“ Und so legen seine Schafe im Jahr rund 1.000 Kilometer kreuz und quer durch Mainz zurück.

Zwei Helfer hat Dorn, die mit der Herde unterwegs sind, einen Hütehund besitzt er nicht. „Das ist in der Stadt schwierig“, sagt er, „hier sind ja ständig Spaziergänger mit Hunden unterwegs, da hätte ich mit einem Hütehund zu viel Ärger.“ Denn ein guter Hütehund lasse keinen anderen in die Nähe seiner Schafe, das wäre zu schwierig in der Stadt. „Meine Schafe kennen Kommandos, und auch die anderen Hunde“, sagt Dorn. Und immer läuft ein Helfer mit dem Besen hinter der Herde, um die Hinterlassenschaften zu beseitigen.

Besuch Schafe Römersteine in Zahlbach kleiner
Besuch von den Römerstein-Schafen in Zahlbach – Foto: gik

Vor einigen Jahren war das Idyll akut bedroht: „Vor fünf, sechs Jahren waren die Pläne fertig, hier einen jüdischen Friedhof einzurichten“, berichtet Dorn, „dann wären die Wiesen hier weg gewesen.“ Sogar Probegräber wurden damals gegraben, doch Dorn und seine Nachbarn wehrten sich, gründeten den „Freundeskreis lebendiges Denkmal Römersteine“ – mit Erfolg. Heute sind die Römersteine und die Wiesen Denkmalzone geworden, das bietet einen gewissen Schutz gegen Begehrlichkeiten gegenüber dem Grundstück mitten in Mainz.

„Seit die Schafe hier sind, kommen auch viel mehr Menschen hierher – und die sehen dann ja auch die Römersteine“, sagt Dorn, „das ist schon ein Magnet.“ Auch für die Patienten der angrenzenden Kliniken, für die Kleingärtner und die Kinder der Umgebung sind die Schafe eine geliebte Attraktion. „Viele Kinder haben schon im Zoo einen Elefanten aus der Nähe gesehen, aber im Leben noch kein Huhn“, sagt Dorn, seine Schafe geben der Stadt auch ein Stück Natur zurück.

Schafschur - Foto Dorn
Schafschur an den Römersteinen – Foto: Günter Dorn

Lämmer hat seine Herde in diesem Jahr übrigens nicht, damit es nicht zu viele werden. „Mein Limit ist 50, und keines mehr“, sagt Dorn, „wenn ich die Böcke reinlasse, habe ich ruckzuck 60 Schafe.“ Am Pfingssonntag steht dann traditionell die Schafschur auf dem Plan – ein professioneller Schafscherer aus der Pfalz erledigt den Job. „Karlheinz Krug war mal Schafschurmeister in Rheinland-Pfalz, der kann’s“, sagt Dorn.

Und es wird natürlich gefeiert: mit Kaffee & Kuchen, Grillen Getränke und Livemusik. Eine Mittelalterband spielt Hirten- und Handwerkerlieder, abends gibt es Schlager und eine Rockband. Mit den Einnahmen aus dem Fest werden die Unkosten der Schur gedeckt, die Wolle wird im Verein selbst zu Produkten wie Handschuhe, Schals, Ponchos und Decken für Weihnachtsmärkte verarbeitet. „Der Erlös ist wieder für die Futter der Schafe da“, sagt Dorn, im Winter bekommen die Tiere nämlich zusätzlich Heu. Und vielleicht verliebt sich am Sonntag ja jemand in die Schafe und in das Hüten. „Ich muss nämlich langsam mal einen Nachfolger suchen“, bekennt Dorn.

Info& auf Mainz&: Schafschur-Fest bei den Schafen an den Römersteinen am Pfingstsonntag, 14. Mai 2016, ab 13.00 Uhr auf der Wiese unterhalb der Römersteine an der Unteren Zahlbacher Straße. Infos im Internet findet Ihr hier.

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