Die Stadt Mainz baut das Carsharing in der Landeshauptstadt stark aus: Ab April werde es in Mainz 50 neue Stellplätze an 25 Standorten geben, teilte die Stadt am Donnerstag mit – erstmals werden dabei auch Stellplätze in Außenbezirken wie in Laubenheim, Ebersheim, Lerchenberg, Drais und Marienborn geschaffen. Die Stadt verspricht sich davon eine Reduzierung der Privat-Pkws in Mainz, das Angebot wird von dem Unternehmen Book-n-Drive in Zusammenarbeit mit der Mainzer Mobilität umgesetzt. Die Umwelteffekte von Carsharing sind aber umstritten: Studien zufolge führt Carsharing sogar eher zu mehr Verkehr als zu weniger und keineswegs dazu, dass Menschen ihre Privatautos abschaffen.

Gerade in der Mainzer Neustadt ist Parkraum sehr knapp. - Foto: gik
Gerade in der Mainzer Neustadt ist Parkraum sehr knapp. – Foto: gik

Carsharing galt einst als Zaubermittel bei der Reduzierung von privaten Autos in Städten, die Idee dabei: Wenn sich mehrere Hausstände ein Auto teilen, braucht nicht jeder selbst einen solchen fahrbaren Untersatz, der teuer ist und zudem bis zu 90 Prozent der Zeit ungenutzt am Straßenrand steht. Weniger Privat-Pkws könnten die Städte deutlich vom Verkehr entlasten, das schone auch die Umwelt – so die Idee hinter dem Konzept vom geteilten Auto.

Doch so richtig setzte sich Carsharing in den vergangenen zehn Jahren in bundesdeutschen Städten nicht durch: Zu Beginn des Jahres 2020 gab es in Deutschland lediglich 24.400 Fahrzeuge, die für Carsharing eingesetzt wurden, weiß das Internetlexikon Wikipedia – das waren gerade einmal 0,5 Prozent des gesamten Fahrzeugbestands. Carsharing stelle „derzeit lediglich eine Nische dar“, heißt es bei Wikipedia. „Carsharing rechnet sich in den meisten deutschen Städten nicht“, schrieb gar die Süddeutsche Zeitung im August 2019, die Wirkung sei begrenzt, der ökologische Nutzen „überschaubar“.

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Carsharing reduziert viel weniger Pkws und Autofahrten als gedacht, so neueste Studien. - Foto: gik
Carsharing reduziert viel weniger Pkws und Autofahrten als gedacht, so neueste Studien. – Foto: gik

Laut einer Studie zum Thema Carsharing, über die die Süddeutsche damals exklusiv berichtete, reduziert Carsharing deutlich weniger Privat-Pkws als ursprünglich gedacht, maximal fünf Prozent weniger ließe sich durch ein Sharingmodelle erzielen. Weder in Berlin noch in anderen Carsharing-Städten sei die Zahl der zugelassenen Privat-Pkw gesunken, berichtete die Studie des Unternehmens A.T. Kearney damals, ja: Carsharing-Fahrzeuge lösten die Verkehrsprobleme gar nicht, sondern verschärften sie noch, weil es einen Umstieg vom ÖPNV, dem Taxi oder dem Fahrrad auf das Auto gebe. Wichtig sei auch das Thema Bequemlichkeit: „Man will das Auto um die Ecke haben, um nicht weit laufen zu müssen“, bilanzierten die Studienmacher 2019.

Die Landeshauptstadt Mainz besitzt seit 2015 ein Carsharing-System, das seit 2018 von der Mainzer Mobilität gemeinsam mit dem Unternehmen Book-n-Drive umgesetzt wird. Inzwischen nennt sich Book-n-Drive selbst der größte Carsharing-Anbieter im Rhein-Main Gebiet mit aktuell 1.053 Fahrzeugen in Darmstadt, Frankfurt, Mainz und Wiesbaden. Nun soll das Angebot in Mainz noch einmal deutlich steigen. Ab April sollen weitere 50 Stellplätze an 25 Standorten im ganzen Stadtgebiet dazu gekommen, der Großteil davon mit 12 Stationen in der Mainzer Neustadt sowie sechs Stationen in der Altstadt.

Die Stadt Mainz baut ihr Carsharing-System zum April deutlich aus. - Foto: Landeshauptstadt Mainz
Die Stadt Mainz baut ihr Carsharing-System zum April deutlich aus. – Foto: Landeshauptstadt Mainz

Erstmals werden aber auch in Laubenheim, Ebersheim, Lerchenberg, Drais und Marienborn Carsharing-Stationen geschaffen, zusammen mit weiteren Stellplätzen in Finthen und Mombach gibt es dann ein Carsharing-Angebot in allen Mainzer Stadtteilen. Zu jeder Station gehören zwei stationsgebundene Autos, die sich im Voraus buchen lassen und an der gleichen Station zurückgegeben werden müssen. Die Nutzer wüssten damit immer genau, wo sie ein Fahrzeug vorfinden, heißt es bei Book-n-Drive. Weitere Details zur genauen Lage der Stationen, den angebotenen Fahrzeugen und Eröffnungsaktionen will das Unternehmen zum Start im April bekanntgeben.

Mainz habe sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 weitestgehend klimaneutral zu werden, eine Lösung dafür sei „die konsequente Umstellung auf den sogenannten Umweltverbund ÖPNV, Rad- und Fußverkehr“, betonte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne). Die Menschen sollten „multimodal unterwegs sein können, und wenn es dann mal nötig ist auch mit dem Auto“, genau dafür biete Carsharing die Lösung. Studien zeigten, dass ein Carsharingauto acht bis zwanzig private Kfz ersetzen könne, betonte Eder weiter, deswegen sei der jetzige massive Ausbau in alle Stadtteile „ein wichtiger Zwischenschritt in der Verfügbarkeit eines Carsharing-Angebots.“

Für die „Mainzer Mobilität“ sei Carsharing eine „bestmögliche Ergänzung unserer ÖPNV-Angebote in Mainz“, sagte MM-Geschäftsführer Jochen Erlhof, man freue sich, den Zuschlag für die 50 Stellplätze bekommen zu haben. „Die 25 Stationen werden gut sichtbar sein im Straßenraum und sorgen für eine bessere Wahrnehmung von Carsharing“, versprach Erlhof, „wir fördern damit eine nachhaltige Alternative zum Autobesitz und Ergänzung des Umweltverbunds.“

Die Mainzer Mobilität will sich zunehmend zu einem Multi-Mobilitäts-Unternehmen entwickeln. - Foto: gik
Die Mainzer Mobilität will sich zunehmend zu einem Multi-Mobilitäts-Unternehmen entwickeln. – Foto: gik

In den sozialen Netzwerken gab es aber auch prompt Kritik an der Ausweitung des Carsharing-Angebots: Damit würden in der Neustadt noch mehr Parkplätze wegfallen, kritisierten einige Kommentatoren auf der Facebook-Seite der Stadt Mainz, ein anderer berichtete gar, in der Sömmeringstraße seien dafür sogar „gesetzlich vorgeschriebene Parkplätze vernichtet worden für ein System, das höchst ineffektiv genutzt wird.“ Ein anderer Nutzer fragte verwundert, warum die Stadt denn auf ein festes Stellplatz-System setze, wo es doch längst klügere Alternativen wie „Free-Floating“ gebe, bei denen das Fahrzeug auf der Straße und damit deutlich näher zur Wohnung geparkt werden könne.

CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster merkte dazu an, er habe „wie ein Löwe im Verkehrsausschuss für ein Free-Flow-System gekämpft“, ein echtes Carsharing sei aber „von sämtlichen anderen Parteien nicht gewollt“ gewesen. Free-Floating-Systeme führten aber zu mehr Verkehr in der Stadt, „kanibalisierten“ den ÖPNV und sorgten nicht für weniger private PKW, antwortete daraufhin der Verkehrsexperte der Grünen im Stadtrat, Davis Nierhoff – die Parkplatzprobleme würden dadurch noch verschärft.

Info& auf Mainz&: Alle Infos zum Carsharing in Mainz findet Ihr hier bei der Mainzer Mobilität, Infos zu Book-n-Drive direkt gibt es hier im Internet.

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