Diesen Ausspruch kennt heute (wieder) jeder: „Wenn Du Frieden willst, rüste für den Krieg.“ Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist das antike Sprichwort wieder in aller Munde – nur, was kaum jemand weiß: Autor war der antike römische Kriegstheoretiker Publius Flavius Vegetius Renatus, kurz Vegetius genannt. Bis in die napoleonische Zeit waren Vegetius‘ Schriften über die Kriegsführung eine Art Grundwissen für alle Herrscher, dann geriet er in Vergessenheit. Nun lädt die Unsichtbare Römergarde am 1. Juli dazu ein, über Vegetius und seinen berühmten Spruch nachzudenken – im Römischen Theater in Mainz. Mit dabei: der evangelische Dekan Andreas Klodt sowie Lieder über Krieg und Frieden.

„Den meisten Leuten ist gar nicht klar, dass wir ganz klassische römische Kriegsphilosophie heute noch vertreten“, sagt Christian Vahl, Generalfeldmarschall der Unsichtbaren Römergarde, und erklärt: Vegetius, seine Schriften, und den berühmten Satz von Krieg und Frieden kannte man über Jahrhunderte hinweg bis weit in die Neuzeit hinein. „Si vis pacem, para bellum“ lautet der Satz, der heute wieder eine Renaissance erfährt: „Wenn Du Frieden willst, bereite den Krieg (vor)“ – oder: Rüste Dich für den Krieg.
Publius Flavius Vegetius Renatus war ein Kriegstheoretiker, der im ausgehenden 4. Jahrhundert nach Christus lebte – also in der Spätantike. Es war die Zeit der beginnenden Völkerwanderung, eine Zeit des Umbruchs und des Wandels, in der lange gehegte Werte erschüttert wurden, und lange geglaubte Wahrheiten und Realitäten vor den Augen ihrer Zeitgenossen zu zerbröseln schienen. Das Römische Reich, einst die Herrscher des Caput Mundi, zerbröselte in seiner Machtfülle zunehmend – 395 spaltete es sich gar in eine Weströmischen und einen Oströmischen Teil mit separaten Kaiserhäusern. Westrom versank in langen Bürgerkriegen, die Germanen standen buchstäblich vor den Toren.
Kriegstheoretiker Vegetius: Berühmt bis in die Napoleonische Zeit
Vegetius, ursprünglich Veterinärmediziner mit Hauptgebiet Pferdekunst, lebte um 380 nach Christus, und zwar am weströmischen Kaiserhof in Mailand, womöglich unter Theodosius dem Großen – dem letzten Römischen Kaiser, der das gesamte Reiche regierte. Zwischen 383 und 450 schrieb Vegetius eine Denkschrift über Auswahl und Übung der antiken römischen Rekruten – daraus wurde ein Bestseller der Fachbuchliteratur: Vegetius‘ „Epitoma Rei Militaris – Abriss des Militärwesens“ wurde zum absoluten Standardwerk der Kriegsführung.

In fünf Büchern schilderte Vegetius, durchaus glorifizierend, die Rekrutierung und Ausbildung im römischen Heerwesen der früheren Kaiserzeit, im zweiten Buch Aufbau, Ausbildung und Ausrüstung der Legionen, im dritten Buch dann Strategie und Taktik, gefolgt von Belagerungstechniken und Marine. Vegetius schilderte darin Grundlagen der Kriegsführung, die für die ganzen späteren Jahrhunderte als Maßstäbe galten.
Dazu gehören laut dem Internetlexikon Wikipedia Sätze wie „Was für den Feind vorteilhaft ist, wird dir selbst zum Nachteil, und was dir hilft schadet dem Feind“ oder auch Maximen über Abschneiden des Nachschubs, den Hunger als Waffe – und eben den Satz: „Wer den Frieden will, bereits den Krieg (vor).“ Vegetius selbst berief sich auf Quellen berühmter Römer wie Cato oder Armeeregeln unter Augustus und Hadrian.
Die „Epitoma Rei Militaris“ erfreute sich seit Ihrem Erscheinen „außerordentlicher Beliebtheit“, heißt es bei Wikipedia weiter: Ihre Regeln gerade der Belagerungstechnik seien bis in das Mittelalter hinein viel beachtet gewesen. Vegetius‘ berühmter Satz von Krieg und Frieden wird zitiert vom berühmten Kirchenlehrer Augustinus, aber auch im spätmittelalterlichen „Ritterspiegel“. Seine „Epitoma“ wurde noch vor der Erfindung des Buchdrucks ins Englische, Französische, Italienische, Katalanische, Spanische, Tschechische und Jiddische übersetzt. „Ins Deutsche liegen mehrere Übersetzungen an der Schwelle zwischen Mittelalter und Renaissance vor“, so das Lexikon weiter, die ersten gedruckten Ausgaben des lateinischen Textes seien in Utrecht (1473), Köln (1476), Paris (1478), Rom und Pisa (1488) erschienen.
Nachdenken über (antike) Kriegskunst im Römischen Theater
Ob auch Johannes Gutenberg und seine Nachfolger in Mainz das Werk druckten? Unwahrscheinlich ist das nicht: Bis ins 18. Jahrhundert hinein, und gerade auch unter Napoleon waren Vegetius‘ Schriften noch immer Standardwerke für Generäle, erst danach geriet der antike Kriegsphilosoph in Vergessenheit – bis der aggressive russische Angriffskrieg auf die Ukraine zumindest Vegetius‘ berühmtesten Satz zurück ins Bewusstsein holte. „Deswegen hat die Unsichtbare Römergarde nun beschlossen: Wir holen den Spruch und seinen Autor zurück ins Römische Theater nach Mainz“, berichtet Vahl.

Kommenden Dienstag, am 1. Juli, soll es nun im antiken Theaterrund am Mainzer Südbahnhof um das Thema Krieg und Frieden gehen: „Das ist keine Friedensdemo“. stellte Vahl im Gespräch mit Mainz& klar: „Es soll eine kritische Auseinandersetzung mit dem römischen Grundspruch sein.“ Diese Philosophie habe vieles ausgelöst, die Kriegsbereitschaft, „aber eben auch die friedensbewegten Lieder in der Liedermacherzeit – und zwar weltweit“, betont Vahl: „Die Idee ist, die Menschen zum Nachdenken zu bewegen: woher kommt das, was wir denken, worauf beruht es?“
An dem Abend soll es denn auch viel Nachdenkliches und viel Musik geben: Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDUZ) will ein Grußwort sprechen, der evangelische Dekan Andreas Klodt eine Meditation halten, auch zu Friedenskonzepten aus Sicht der Kirche. „Ich werde über Vegetius reden, und das Trio Aeterna wird spielen – und zwar Lieder von Donovan bis Biermann“, kündigt Vahl an. Vom amerikanischen Liedermacher Donovan stammen so berühmte Anti-Kriegslieder wie „Universal Soldier“, vom ostdeutschen Liedermacher Wolf Biermann kritische Texte wie die „Soldatenmelodie“ aber auch die „Ermutigung“.

Donovan und Biermann: Lieder gegen Krieg und gegen Verhärtung
„Du, laß dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit“ heißt es in Biermanns berühmten Song, es ist ein Plädoyer gegen Verbitterung und das Versinken in Schreckensstarre: „Du, laß dich nicht erschrecken, in dieser Schreckenszeit/ das woll’n sie doch bezwecken, daß wir die Waffen strecken, schon vor dem großen Streit“, sang Biermann 1968 als Ermutigung an einen Dichterfreund, nun soll dieser Song auch den Mainzer Zuhörern helfen. „Es geht darum, solche Lieder auch gemeinsam zu singen“, sagt Vahl, den gemeinsam zu singen bedeute ja auch, „zusammenfinden, eine Art Gemeinschaft in schwieriger Zeit bilden.“
Die Not und die Sorgen der heutigen Zeit seien allgegenwärtig, „das spüren alle“, sagt Vahl. Mit Musik und Mediation könne man „eine Art positive Gemeinschaft dagegen stellen“. Denn auch wenn dies eine Zeit sei, in der Vegetius‘ Satz aktuell sei wie lange nicht mehr, „manchmal muss man von anderen Sachen träumen, um zu überleben“, sagt Vahl auch. Und genau deswegen gehe es am 1. Juli darum, „im Römischen Theater stehend, dem Kernsatz der Kriegsphilosophie etwas entgegen zu setzen.“
Info& auf Mainz&: Der Abend „Si vis pacem, para Bellum“, findet am Dienstag, den 01. Juli 2025 von 19.00 Uhr bis 20.000 Uhr im antiken Römischen Theater in Mainz statt, der Zugang erfolgt vom hinteren Bahnsteig des Bahnhofs „Römisches Theater“. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht nötig – Platz ist in dem antiken Rund aber nur für 100 Personen.