Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde richtig eindringlich: Es gelte die „dringende Empfehlung“ an die Bürger, ab Montag Mund-Nasen-Masken zu tragen, vor allem in Läden und im Öffentlichen Nahverkehr – das sei wichtig, um bei den anstehenden Lockerungen die Verbreitung des hochansteckenden Coronavirus zu unterbinden. Am Montag in Mainz trug in der Mainzer Innenstadt trotzdem kaum ein Passant Maske – nicht einmal die Verkäufer in den Geschäften waren mit solchen schützenden Bedeckungen über Mund und Nase ausgestattet. Dabei kommen Wissenschaftler immer mehr zu der Erkenntnis: Selbst einfache Masken helfen gegen eine weitere Ausbreitung der gefährlichen Lungenkrankheit Covid-19 – weil die Masken dazu beitragen, eine Tröpfcheninfektion zu stoppen.

Einfache Chirurgenmasken können bereits stark zur Eindämmung der Corona-Pandemie beitragen, wissen die Forscher inzwischen. - Foto: Unimedizin Mainz
Einfache Chirurgenmasken können bereits stark zur Eindämmung der Corona-Pandemie beitragen, wissen die Forscher inzwischen. – Foto: Unimedizin Mainz

Es ist ein Problem, das die Politik selbst geschaffen hat: Noch im Februar beteuerten die Politiker, aber auch das Robert-Koch-Institut selbst, ein Mundschutz sei im Alltag unnötig, Wasser und Seife reichten zum Schutz aus – es gebe „keinen wissenschaftlichen Hinweis“, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Alltag Sinn mache. Die Beteuerungen waren, wie man heute weiß, vor allem politisch motiviert: Die Politik wollte vermeiden, dass die Bürger nach Desinfektionsmitteln auch die Geschäfte auf der Suche nach Masken stürmten – denn die waren zu dem Zeitpunkt bereits großflächig ausverkauft.

Deutschland hatte es im Januar und Februar schlicht versäumt, seine Bestände an Mundschutzmasken aufzustocken oder überhaupt erst einmal zu sichern: Tatsächlich lieferte Deutschland noch im Februar insgesamt  5,4 Tonnen Verbrauchsmaterial an das Pandemie-geplagte China, darunter Schutzanzüge, Handschuhe, Masken und Schutzbrillen. Das bestätigte das Auswärtige Amt der Recherche-Organisation Correktiv. Das Problem dabei: Die Masken und Schutzausrüstungen fehlten in der Folge in Deutschland – bis heute klagen zahlreiche Berufsgruppen wie Pfleger, Hebammen, niedergelassene Ärzte und auch Bestatter über einen gravierenden Mangel an Schutzausrüstung.

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Mund-Nasen-Schutztücher aller Art sind geeignet, eine Ausbreitung des Coronavirus zu unterbinden - sie schützen vor allem andere vor meinen Viren. - Fotos: Starkapp
Mund-Nasen-Schutztücher aller Art sind geeignet, eine Ausbreitung des Coronavirus zu unterbinden – sie schützen vor allem andere vor meinen Viren. – Fotos: Starkapp

Der Spiegel zeichnete nun genau nach, dass die Vergabe an das Beschaffungsamt der Bundeswehr zur Besorgung von Masken und Schutzausrüstungen auf dem Weltmarkt alles andere als erfolgreich verlief: Das Beschaffungsamt agierte laut Spiegel viel zu langsam und behäbig, die Ausrüstungen ließen weiter auf sich warten – damit niemand von dem Desaster erfuhr, sei zeitweise sogar eine Nachrichtensperre erlassen worden. Erst mit einer eigens eingerichteten Stabsstelle im Bundesgesundheitsministerium besserte sich die Lage inzwischen langsam. Das Drama um die anhaltende Knappheit von Schutzanzügen und Masken gilt inzwischen als gravierendstes Versagen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Corona-Pandemie.

Also betonte die Politik über Wochen hinweg, dass Schutzmasken über Mund und Nase gar nichts brächten bei der Bekämpfung des Coronavirus, führende Virologen wie Christian Drosten schlossen sich der Meinung an – dabei gab es längst Gegenbeispiele. Der führende Hongkonger Virologe Yuen Kwok-Yung, eine weltweit anerkannte Koriphäe in der Erforschung von Sars-Viren, sagte bereits am 10. März in einem Interview mit dem Magazin Straitstimes, der große Erfolg Hongkongs beim Stoppen der Coronavirus-Infektionen in der Stadt sei zu einem wichtigen Teil durch das Tragen von Mund-Nasen-Masken erreicht worden.

In früheren Experimenten hätten er und seine Teams 100 Millionen Viruszellen in der menschlichen Spucke nachweisen können. „Szenarien mit dem Potenzial zum Austausch menschlichen Speichels sind deshalb generell sehr gefährlich“, sagte Kwok-Yung in dem Interview – solche „Szenarien“ sind etwa das Reden miteinander auf engem Raum, der Kontakt in öffentlichen Verkehrsmitteln und erst Recht Sport oder Singen. Maskentragen könne den Austausch unterbinden, denn durch das Tragen einer Maske schütze man andere vor einer potenziellen Ansteckung, wenn man selbst infiziert sei: „Selbst wenn Sie infiziert sind, aber noch keine Symptome haben, können Sie die Verbreitung des Virus stoppen, in dem sie eine Maske tragen.“

Mainzer Einkaufszentrum am Brand am 20. April, erster Tag der Ladenöffnung: Niemand mit Maske. - Foto: gik
Mainzer Einkaufszentrum am Brand am 20. April, erster Tag der Ladenöffnung: Niemand mit Maske. – Foto: gik

Hintergrund für diese Aussagen sind die zunehmenden Erkenntnisse der Wissenschaftler über den Verbreitungsweg des Coronavirus: Die Experten sind sich inzwischen sicher, dass das hochansteckende Virus durch Tröpfcheninfektion übertragen wird – also mit der menschlichen Spucke durch die Luft zum Gegenüber segelt. Tatsächlich verbreitet jeder Mensch schon beim ganz normalen Ausatmen und erst Recht beim Reden oder gar Singen winzige Tröpfchen seiner Spucke durch die Luft – je nach Energieaufwand des Luftausstoßes kürzer oder weiter in der Entfernung.

Das ist auch der Grund für das sogenannte „social distancing“ und die Abstandsregeln in der Coronakrise: Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Tröpfchen nach etwa 1,50 Metern, spätestens aber nach zwei Metern zu Boden segeln, der Sicherheitsabstand sorgt dafür, dass man mit den Tröpfchen seines Gegenübers nicht in Berührung kommt. Das ist wichtig, weil das neuartige Coronavirus deutlich ansteckender ist als die uns bisher bekannten Viren, sei es Grippeviren oder andere Sars-Viren. Denn gegen das neue Coronavirus haben die Menschen noch keine Antikörper entwickeln können, ein Kontakt mit dem Coronavirus führt deshalb so gut wie zwangsläufig zur Ansteckung.

Tröpfchenausstoß eines Menschen beim Niesen - Foto: via Wikipedia, von James Gathany - CDC Public Health Image library ID
Tröpfchenausstoß eines Menschen beim Niesen – Foto: via Wikipedia, von James Gathany – CDC Public Health Image library ID

Neueste Forschungen legen zudem nahe, dass das Coronavirus Sars-CoV-2 sogar mit Aerosolen übertragen werden kann, also mit winzigen Schwebeteilchen in der Luft, an die sich das Coronavirus anheftet. Forscher konnten in Studien bereits das Erbmaterial von Sars-2-Coronaviren in Aerosolen nachweisen, berichtet etwa der Bayrische Rundfunk, das sei zum Beispiel in der Luft von Isolierstationen in Singapur und am Medical Center der University of Nebraska festgestellt worden. Die National Academy of Medicine in den USA warne inzwischen davor, dass Sars-CoV-2 durch Aerosole, die Infizierte ausatmen, verbreitet werden könnte – endgültige wissenschaftliche Beweise dafür stehen aber noch aus.

Die Konsequenz aus den Erkenntnissen: Verhindert man, dass menschliche Tröpfchen andere Menschen erreichen, kann man einen wichtigen Übertragungsweg für das Coronavirus unterbinden – möglicherweise sogar den entscheidenden Ansteckungsweg. Dafür sprechen etwa Erfahrungen der Stadt Jena, die bereits vor zwei Wochen eine Maskenpflicht für ihre Bürger erließ – und danach neun Tage lang keine einzige Neuinfektion mit Covid-19 verzeichnete. Denn die Krux mit Covid-19 ist: Die Krankheit kann auch schon übertragen werden, solange der Infizierte selbst keinerlei Krankheitssymptome hat, und das mehrere Tage im Voraus.

Mund-Nasen-Maske von Sylvia Kindling. - Foto: Starkapp
Mund-Nasen-Maske von Sylvia Kindling. – Foto: Starkapp

Angesichts der erheblichen Beweise schwenkte inzwischen das Robert-Koch-Institut um und erließ am 14. April ein neues Bulletin, in dem das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen im öffentlichen Raum als sinnvolle Maßnahme zur Eindämmung der Corona-Pandemie empfohlen wird. In dem Bulletin heißt es nun, bei einem Infizierten könne es „bereits 1–3 Tage vor Auftreten der Symptome zu einer Ausscheidung von hohen Virusmengen kommen.“ Eine teilweise Reduktion der unbemerkten Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tragen von Masken könne zu einer weiteren Verlangsamung der Ausbreitung in der Bevölkerung beitragen. Das betreffe vor allem die Übertragung in solchen öffentlichen Räumen, „an denen mehrere Menschen zusammentreffen und sich dort länger aufhalten“ und zwar ohne dass der Mindestabstand eingehalten werden könne – also etwa den Arbeitsplatz, Einkaufssituationen oder öffentliche Verkehrsmittel.

Die Politik empfiehlt nun seit dem 1. April eindringlich das Tragen von Mund-Nasen-Masken – trotzdem hält sich bislang nur ein Bruchteil der Deutschen in der Öffentlichkeit daran. das liegt auch an der Verwirrung darüber, welche Masken denn nun einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten können. Hieß es zu Beginn, nur FFP2- oder FFP3-Masken würden den Träger wirksam schützen, alle anderen Masken seien unbrauchbar, so hat sich auch das gründlich geändert: Neueste Studien zeigen, dass schon das Tragen zweilagiger Baumwollmasken die eigenen Tröpfchen beim Reden, Husten und Schnaufen wirksam zurückhalten. Damit schützen diese Masken nicht mich als Träger vor den Infektionen anderer, sondern andere vor meinen Tröpfchen für den Fall, dass ich infiziert bin.

Gegen die Übertragung des Coronavirus durch die Luft schützt sich auch dieser Arzt in der Corona-Ambulanz in Mainz - sogar mit einem Gesichtsvisier. - Foto: gik
Gegen die Übertragung des Coronavirus durch die Luft schützt sich auch dieser Arzt in der Corona-Ambulanz in Mainz – sogar mit einem Gesichtsvisier. – Foto: gik

Erfahrungen aus Asien zeigen: Das ist hochgradig wirkungsvoll, zumal eine aktuelle Studie sogar nachwies, dass chirurgische Gesichtsmasken Coronaviren Sars-CoV-2 wirksamer zurückhalten als andere Viren. Selbst Deutschlands führender Virologe Drosten betont inzwischen, dass sogar einfache Masken eigener Herstellung durchaus hilfreich dabei sind, die eigenen Tröpfchen bei sich zu behalten und nicht weiter zu verbreiten: „Wenn ich ein Stück Tuch vor dem Mund habe“, sagte Drosten laut Stern in einem seiner Podcasts, „das kann entweder so ein Zellulose-Tuch sein wie bei einer gekauften Maske, oder es kann auch natürlich ein Schal sein oder irgendetwas, diese großen Tröpfchen werden dann abgefangen. Da lässt sich nichts dran diskutieren.“

Die Mainzer ÖDP forderte deshalb schon Anfang April eine Maskenpflicht für Mainz: Überall, wo es Publikumsverkehr gebe, also in Supermärkten und Verkaufsstellen, aber auch für den Mainzer Wochenmarkt und den öffentlichen Nahverkehr sei eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sinnvoll, sagte ÖDP-Stadträtin Dagmar Wolf-Rammensee: „Eine sinnvolle Maßnahme, da viele nicht wissen, dass sie möglicherweise infiziert sind und eine solche Atemschutzmaske eine Ansteckung durch Tröpfenübertragung deutlich erschwert.“

Auch Mainzer Fastnachter wie hier Thomas Becker vom Gonsenheimer Carnevals-Verein werben für das Maskentragen. - Foto: GCV
Auch Mainzer Fastnachter wie hier Thomas Becker vom Gonsenheimer Carnevals-Verein werben für #maskeauf. – Foto: GCV

Bislang verweigerte sich die Politik einer Maskenpflicht, angesichts der Tatsache, dass sich aber wiederum ein Großteil der Deutschen weigert, eine Maske zu tragen, dürfte eine allgemeine Maskenpflicht nur noch eine Frage der zeit sein: Bayern erließ bereits am Montag eine Maskenpflicht, Baden-Württemberg könnte am Dienstag nachziehen. Bleibt noch immer das Problem, wie breite Schichten der Bevölkerung an Masken kommen sollen, die seit Wochen ausverkauft sind, aber auch dafür gibt es gute Lösungen: In Mainz schneidern immer mehr Nähereien oder Organisationen einfache Mund-Nasen-Masken – oder man bastelt sie sich einfach selbst: Im Internet kursieren zahlreiche Anleitungen zur Herstellung einfacher Masken. Unter dem Hashtag #maskeauf werben inzwischen auch Promis für das Tragen einer Maske – so wie auch zahlreiche Fastnachter.

Die einfachen Stoffmasken können übrigens wunderbar wiederverwendet werden: Nach Auskunft von Ärzten kann man sie natürlich entweder in der Waschmaschine waschen – mindestens 60 Grad heiß – aber auch anderweitig Viren abtöten: Mit einer Behandlung im Backofen, in der Mikrowelle – oder einfach durch Bügeln.

Info& auf Mainz&: Das neue Bulletin des Robert-Koch-Instituts zu Mund-Nasen-Masken findet Ihr hier im Internet, das Interview mit dem renommierten Hongkonger Virologen Yuen Kwok-Yung hier im englischen Original. Einen sehr guten Überblick zum Thema Masken und ihre Wirksamkeit findet Ihr auch hier beim Bayrischen Rundfunk. Alle Informationen, Meldungen und Hintergründe zur Coronavirus Epidemie findet Ihr weiter auf unserer Sonderseite „Alles zum Coronavirus“ genau hier bei Mainz&.

 

 

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