Das wäre in der Tat ein Skandal und würde einige Vorgänge rund um die Schiersteiner Brücke in den vergangenen Wochen erklären: Hat das Land Rheinland-Pfalz beim Bauvorhaben Schiersteiner Brücke wichtige Bodengutachten nicht eingeholt? Das behauptet heute die Allgemeine Zeitung in ihrer Online-Ausgabe und beruft sich dabei auf einen Prüfbericht des Bundesrechnungshofes. Der hatte im Juli 2014 das Bauvorhaben Schiersteiner Brücke geprüft – „stichprobenartig“, wie die AZ schreibt. Wir versuchen gerade herauszubekommen, was das heißt, und ob es wirklich Versäumnisse gab – denn das Ministerium sagt Nein.

Nun sagen Ministerium in solchen Fällen natürlich immer erst einmal Nein, ist ja logisch 😉 Trotzdem lohnt es sich möglicherweise, genauer hinzuschauen. Die AZ schreibt nämlich: „Wie der Bundesrechnungshof in dem 21 Seiten starken Schreiben ausführt, hat die Behörde vom 7. bis zum 10. Juli 2014 stichprobenartig den Ausbau der A643 vom Autobahnkreuz Schierstein bis zum Autobahnkreuz Mainz geprüft.“ Gemeint ist natürlich das Autobahndreieck Mainz 😉

Dann aber zitiert die AZ aus dem vorläufigen Ergebnis dieser Prüfung den Satz: „Bei unseren örtlichen Erhebungen stellen wir fest, dass das Landesministerium im Gegensatz zur hessischen Straßenbauverwaltung bisher keine Baugrunduntersuchungen veranlasste.“

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Was eben das gelbe Rechteck war, entsteht hier in echt: das Herzstück, Verbindungsstück zwischen Brücke und Vorlandbrücke - Foto: gik
Das neue Herzstück wird gerade gebaut – Foto: gik

Gemeint ist das rheinland-pfälzische Verkehrsministerium, und dass das mit seinen Bauplanungen den Hessen weit hinterher hinkt, haben wir ja schon mehrfach beschrieben. Demnach gibt es Baurecht auf Mainzer Seite ja bislang nur für das Stück zwischen der eigentlichen Brücke und der Ausfahrt Mombach – dem sogenannten Herzstück. Und genau hier passierte ja auch am 10. Februar der Bauunfall, als unter der alten Vorlandbrücke ein Pfeiler wegknickte. Und für diesen Bauunfall gibt es weiter keine offizielle Erklärung – warum eigentlich konnte der Pfeiler plötzlich wegsacken?

Mainz& erfuhr ja schon, dass vor dem Unfall Material in den Boden eingebracht wurde, um weiteren Pfeilern eine Grundlage zu geben, dabei sackt dann der alte Pfeiler urplötzlich weg, was dazu führte, dass die Schiersteiner Brücke um 30 Zentimeter absackte. Das Land beteuert seither gebetsmühlenartig, das sei ein Bauunfall gewesen und habe mit dem Zustand der 50 Jahre alten Brücke nichts zu tun. Vielleicht ist das so – aber dann liegt die Vermutung nahe, dass die Beschaffenheit des Baugrundes falsch eingeschätzt wurde. Und die Schiersteiner Brücke ist bekanntlich auf Sand gebaut – auf dem geologischen Gebiet des Mainzer Sandes…

Im Mainzer Verkehrsministerium ist man not amused: „Es wird der Eindruck erweckt, es wird da unten gebaut und es wären keine Bodengutachten eingeholt worden“, sagte Ministeriumssprecher Joachim Winkler Mainz&, und beteuerte zugleich: „Wo gebaut wird, sind Bodenuntersuchungen vorgenommen worden.“ Will sagen: für den Bereichs des Herzstücks, das ja derzeit zum Teil neu gebaut wird, gibt es Bodenuntersuchungen, das gelte auch für den Bereich der alten Vorlandbrücke, wo der Unfall geschah, betont Winkler.

Unter der Vorlandbrücke wird gearbeitet - Foto: gik
Für die Erneuerung der alten Vorlandbrücke gibt es kein Baurecht – und keine Bodengutachten – Foto: gik

Keine Bodengutachten gibt es hingegen für einen anderen Bereich: für die weiterführende A 643 zwischen der Ausfahrt Mombach und dem Schiersteiner Dreieck. Für diesen Bereich gibt es aber auch noch kein Baurecht und kein Baurechtsverfahren – das muss erst noch begonnen werden. Es existieren aber Planungen für den Ausbau der A 643 auf sechs Spuren plus Standstreifen, und für diese Planungen habe man „erst einmal auf die Gutachten des Herzstücks zurückgegriffen“, sagte Winkler uns weiter. Aus Sicht des Bundes sei dieses Vorgehen „völlig in Ordnung“ gewesen. Wenn es also daran geht, auch für diesen Bereich der A 643 Baurecht zu schaffen, dann würden auch Bodengutachten in Auftrag gegeben, versicherte Winkler: „Baurecht bekommt man nur, wenn man Bodengutachten hat.“

Verstärkte Vorbrücke zur Schiersteiner Brücke neu
Wie kaputt ist die alte Vorlandbrücke wirklich? – Foto: gik

Die Mainzer CDU fordert nun das Land auf, die aufgeworfenen Fragen zur Brücke umgehend zu beantworten. Fehlten tatsächlich Bodengutachten, sei dies „ein Skandal erster Güte“, kritisiert der verkehrspolitische Sprecher der CDU im Stadtrat, Thomas Gerster. Die Landesregierung dürfe sich „nicht länger rausreden“ und müsse endlich die Fakten zum Unfall auf den Tisch legen, fordert auch der Mainzer CDU-Landtagsabegordnete Gerd Schreiner. „Mit stellen sich da schon noch ein paar Fragen“, sagte Schreiner Mainz&. Auf der einen Seite heiße es, „wir haben alles im Griff, die Brücke ist in einem guten Zustand“, auf der anderen Seite komme langsam heraus, dass die Brücke „offenbar doch kaputter ist als bisher zugegeben.“ Ein Bauzustand von 3,5 bedeute „kurz vor kaputt, das ist gruselig“, sagte Schreiner. Schließlich werde die Vorlandbrücke noch eine ganze Weile gebraucht.

Mainz& hatte ja erst heute Morgen berichtet, dass die kaputte Vorlandbrücke nun doch komplett neu gebaut wird – sie ist zu kaputt, um sie zu reparieren. Das hatte der Chef des Landesbetriebs Mobilität, Bernd Hölzgen, am Donnerstagabend in einer Diskussion des Radiosenders SWR4 bekannt gegeben. „Wie steht es um die Verkehrssicherheit durch das jahrelange Provisorium mit einer alters-schwachen und behelfsmäßig reparierten Vorlandbrücke?“, will deshalb nun Schreiner wissen. Und er verweist darauf, dass ja nun auch erhebliche Mehrkosten für den Steuerzahler entstehen.

Beim Bundesrechnungshof in Bonn haben wir übrigens auch nachgefragt, dort bestätigte man uns, ja, es gebe den entsprechenden Prüfbericht. Dessen Ergebnis sei aber nur vorläufig, deshalb könne man dazu noch gar nichts sagen. Vorläufig heißt in diesem Fall aber eigentlich nur: Das Ergebnis ist da, die betroffenen Behörden dürfen dazu aber erst noch Stellung nehmen, erst dann geht der endgültige Bericht raus. Haben sich also die Prüfer geirrt? Oder hat die Allgemeine Zeitung (sorry, Kollegen) falsche Schlüsse gezogen? Oder entfaltet sich da gerade ein handfester Skandal? Wir bleiben dran!

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