Die neuen Steuerbescheide sind da: In diesen Tagen erfahren die Mainzer, was sie nach der Grundsteuerreform nun zahlen müssen – und in vielen Häusern ist das Entsetzen groß. Das Doppelte an Steuerzahlungen ist nach Berichten von Mainz&-Lesern offenbar das Minimum, das Dreifache der bisherigen Summe womöglich das neue Normal. Die FDP Mainz kritisiert das scharf: Die neue Kenia-Koalition im Stadtrat habe das Versprechen der Aufkommensneutralität gebrochen und starte als „Belastungskoalition“, die das Wohnen  in Mainz teurer mache. Und das entgegen des Koalitionsvertrages.

Für die neue Grundsteuerreform wurden rund 36 Millionen Grundstücke und Immobilien in Deutschland neu eingestuft. - Foto: gik
Für die neue Grundsteuerreform wurden rund 36 Millionen Grundstücke und Immobilien in Deutschland neu eingestuft. – Foto: gik

Die Reform der Grundsteuer-Berechnungen in Deutschland geht zurück auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das im April 2018 das alte Berechnungsmodell als ungerecht kippte, und dem Gesetzgeber eine Neuordnung aufgab. Jetzt, sieben Jahre später, greift die Reform: seit dem 1. Januar 2025 gelten neue Grundsteuerberechnungsmodelle in Deutschland. Der Plural ist in diesem Fall wichtig: gegen das Modell der Bundesregierung rebellierten fünf Bundesländer – meist CDU-geführte – und legten Dank einer Länderöffnungsklausel ein eigenes Berechnungsmodell vor, dazu gehört auch das Nachbarland Hessen.

„Von der Grundsteuerreform sind circa 36 Millionen wirtschaftliche Einheiten – bebaute und unbebaute Grundstücke sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft – in Deutschland betroffen“, heißt es auf der Seite des Bundesfinanzministeriums: „Die Reform stellt damit eines der größten Projekte der Steuerverwaltung in der deutschen Nachkriegsgeschichte dar.“ Bund und Länder hatten sich im November 2019 auf ein neues Berechnungsmodell geeinigt, das aber schafft nun neue Ungerechtigkeiten, monieren Kritiker.

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Versprechen der Aufkommensneutralität: gebrochen

Die Grundsteuerreform sollte alte Ungerechtigkeiten bei der Berechnung der Steuer beseitigen und eine zeitgemäße Neuberechnung der für die Kommunen enorm wichtigen Grundsteuer ermöglichen – doch die Kritik an der Reform reißt nicht ab. Denn obwohl die Bundesregierung wiederholt und bis heute betont, die Reform solle „aufkommensneutral“ sein, kann davon keine Rede sein: Besonders in Städten und Ballungsräumen, wo die Mieten und Grundstückspreise in den vergangenen Jahren explodiert sind, werden massive Steuersteigerungen erwartet – so auch in Mainz.

Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Kenia-Koalition im Mainzer Stadtrat: Die Anhebung der Gewerbesteuer - und die Umsetzung der Grundsteuerreform mit eine Einnahmenplus für die Stadt. - Foto: gik
Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Kenia-Koalition im Mainzer Stadtrat: Die Anhebung der Gewerbesteuer – und die Umsetzung der Grundsteuerreform mit eine Einnahmenplus für die Stadt. – Foto: gik

Um das Steueraufkommen durch die Grundsteuer aufkommensneutral zu halten, hätte die Stadt Mainz den Hebesatz von derzeit 480 Punkten auf 403 Punkte senken müssen – doch das lehnte die neue Kenia-Koalition ab. Stattdessen beschloss die Stadtrats-Koalition aus Grünen, CDU und SPD, den Hebesatz stabil zu halten – eine Anhebung des Hebesatzes auf 600 Punkte, wie von den Grünen gewollt, wurde in letzter Minute abgelehnt.

Nun beschert die Reform der Stadt entgegen aller Zusicherungen im Vorfeld rund 8 Millionen Euro an Mehreinnahmen, das bekommen die Mainzer nun zu spüren: Mainz&-Leser berichten derzeit von erheblichen Steigerungen in den neuen Steuerbescheiden. Da steigt die Grundsteuer für ein normales Einfamilienhaus etwa von bisher rund 130 Euro auf ab sofort 600 Euro, für ein Mehrfamilienhaus in einem Stadtteil werden nun statt bisher rund 900 Euro rund 1600 Euro fällig.

FDP: „Belastungskoalition“ macht Wohnen in Mainz teurer

„Die ‚Belastungskoalition‘ aus Grünen, CDU und SPD hat das Wohnen in Mainz teurer gemacht“, kritisierte nun die FDP Mainz: „Das von der Koalition und dem Stadtvorstand gebrochene Versprechen, die Reform der Grundsteuer aufkommensneutral zu gestalten, kommt die Mainzerinnen und Mainzer teuer zu stehen“, schimpften FDP-Fraktionschefin Susanne Glahn und der finanzpolitische Sprecher der FDP und Bundestagskandidat, David Dietz. Die FDP – seit der Kommunalwahl im Juni 2024 in der Koalition – hatte in der Stadtratssitzung im Dezember 2024 die Senkung des Hebesatzes gefordert.

Von der Steuerexplosion der Grundsteuer B besonders betroffen: alte Häuser in den Ortskernen der Mainzer Stadtteile. - Foto: gik
Von der Steuerexplosion der Grundsteuer B besonders betroffen: alte Häuser in den Ortskernen der Mainzer Stadtteile. – Foto: gik

„Die Koalition im Mainzer Stadtrat ist bewusst darüber hinweggegangen und belastet damit auch Investitionen in den Wohnungsbau in der Landeshauptstadt“, kritisierten Glahn und Dietz weiter. Damit klängen die Beteuerungen im neuen Koalitionsvertrag der Kenia-Koalition, Wohnen in Mainz „attraktiver und bezahlbarer“ zu machen, „wie blanker Hohn in den Ohren derjenigen, die ihre neuen Steuerbescheide erhalten haben.“ Denn die Grundsteuer darf von den Vermietern auf die Mieter umgelegt werden und ist Teil der Nebenkosten – und die werden nun steigen.

Es brauche „keine prophetischen Gaben, um zu erkennen“, dass die Eigentümer die zusätzlichen Belastungen weitergeben würden, warnt die FDP: „Die neue Belastungskoalition und der zunehmend überfordert wirkende Stadtvorstand werden so selbst zur Hypothek für Mainz“, sagten Glahn und Dietz. Stattdessen brauche es eine Debatte, wie mehr Anreize zur Schaffung von Wohnraum gesetzt werden könnten – Instrumente wie die Mietpreisbremse sowie Steuererhöhungen seien da „Gift in der aktuellen Lage.“

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Mainz&-Leser: Steigerungen um 100% – und steigende Nebenkosten

Tatsächlich rechnete ein Vermieter gegenüber Mainz& vor, dass in seinem Mehrfamilienhaus samt Gewebeeinheiten die neue Grundsteuer zu teils erheblichen Steigerungen bei den Nebenkosten führen dürfte – und das, obwohl seine Steuer um „nur“ rund die Hälfte steige. Statt rund 938 Euro an Grundsteuer würden ab jetzt rund 1687 Euro an Grundsteuer fällig, und das für ein im Jahr 1900 gebautes Haus im alten Ortskern von Mainz-Bretzenheim, berichtete der Besitzer, der seinen Namen nicht nennen möchte.

Gerade ältere Häuser in guter Lage, wie hier in der Mainzer Altstadt, könnten beim Blick in den Grundsteuerbescheid einen Schock bekommen. - Foto: gik
Gerade ältere Häuser in guter Lage, wie hier in der Mainzer Altstadt, könnten beim Blick in den Grundsteuerbescheid einen Schock bekommen. – Foto: gik

Die Zahlen dürfen wir aber nennen, und danach stiegen durch die Steueranhebung die Nebenkosten künftig auf rund 11 Prozent Anteil an der Miete, so der Besitzer weiter – vorher seien es 6,25 Prozent gewesen. Umgelegt werde die Grundsteuer je nach Quadratmeter der Wohnung, danach steige in einer Wohneinheit die Zahlung für die Grundsteuer von bisher rund 79 Euro pro Jahr auf künftig 292 Euro – mehr als das Dreifache. Und in einer Ein-Zimmer-Wohnung muss der Mieter künftig statt bisher 1,68 Euro pro Jahr 44,74 Euro zahlen – das ist mehr als das 26-fache.

Die Belastung sei vor allem bei solchen Häusern massiv gestiegen, die älteren Datums seien – und deren Bodenrichtwerte in den vergangene Jahren explodiert seien, mutmaßt der Hausbesitzer – unsere Mainz&-Recherchen bestätigen das bisher. Steigerungen um 600 Euro mehr pro Jahr sind offenbar keine Seltenheit. Rund 42 Millionen Euro machte bisher das Einkommen der Stadt Mainz durch die Grundsteuer B aus, bei einer Steigerung von „nur“ 8 Millionen Euro, müsste es eigentlich auch Grundstücke geben, bei denen die Steuer gesunken ist – nur welche?

Wer verliert, wer profitiert? Wer zahlt jetzt weniger Grundsteuer?

„Mich würde ja interessieren, bei wem die Steuer gesunken ist“, meinte ein Hausbesitzer zu Mainz&, bisher habe er noch niemanden getroffen, bei dem die Steuerlast nicht steige. Das würde uns bei Mainz& auch interessieren: Wie sehen bei Euch die neuen Grundsteuerbescheide aus? Ist Eure Belastung gestiegen, und wenn ja: wie hoch – oder müsst Ihr künftig gar weniger zahlen? Schreibt uns, eine anonyme Behandlung ist gewährleistet, falls gewünscht.

Rechts des Rheins liegt Wiesbaden - und will die Stadt die Grundsteuerreform tatsächlich aufkommensneutral umsetzen. - Foto: gik
Rechts des Rheins liegt Wiesbaden – und will die Stadt die Grundsteuerreform tatsächlich aufkommensneutral umsetzen. – Foto: gik

Die Stadt Wiesbaden übrigens hat angekündigt, die Grundsteuerreform tatsächlich aufkommensneutral umzusetzen: „Ich bin sehr dankbar, dass sich die Stadtverordnetenversammlung mit breiter Mehrheit für diesen Weg entschieden hat“, sagte Stadtkämmerer Hendrik Schmehl (SPD). Die Reform der Grundsteuer sei „ein komplexer Vorgang, der so nicht mit einer Verbesserung der Einnahmen für die Kommune vermischt wird“, betonte Schmehl. Das sei gerade mit Blick auf Nachvollziehbarkeit und Transparenz „ein wichtiger Schritt.“

In Wiesbaden gelten seit dem 1. Januar nun Hebesätze von 341,01 Prozent für die Grundsteuer A auf land- und forstwirtschaftliche Flächen, sowie von 690,06 Prozent für die Grundsteuer B auf bebaute und unbebaute Grundstücke. Die Hebesätze sind wegen des anderen Ländermodells, dem Hessen folgt, aber nicht mit den Hebesätzen in Rheinland-Pfalz vergleichbar. Auch kann sich die Belastung für einzelne Hauseigentümer auch in Wiesbaden verändern – konkret: Auch in der Nachbarstadt kann es wahrscheinlich vor allem für Besitzer älterer Häuser teurer werden.

Info& auf Mainz&: Ihr wollt Eurem Unmut über die Steigerung Eurer Grundsteuer Luft machen? Dann schreibt uns: Unter info(at)mainzund.de nehmen wir gerne Eure Schilderungen entgegen – auch über gesunkene Steuerbelastungen. Alle Informationen werden selbstverständlich vertraulich behandelt, ohne Eure Zustimmung wird nichts veröffentlicht. Mehr zum Hintergrund und der Debatte über die Grundsteuerreform könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.

„Teure Katastrophenreform“: Petition gegen Anhebung der Grundsteuer in Mainz – Land will Hebesätze nun doch splitten