Die eiskalten Vollmondnächte haben den Winzern in Deutschland eine selten gewordene Spezialität beschert: „Einigen wenigen Winzern ist es in den zwei Nächten vom 13. und 14. Januar gelungen, den Weinjahrgang 2024 mit einem Eiswein zu krönen“, teilte das Deutsche Weininstitut in Bodenheim bei Mainz mit. Geerntet wurden dabei ein Silvaner Eiswein aus Rheinhessen, in anderen Gebieten waren auch ein Riesling-Eiswein darunter – und ein Souvignier Gris. Warum die PiWi-Rebsorte die Rettung für den Eiswein sein könnte, und wie die Rheinhessen 1830 den Eiswein (wider-)entdeckten – unsere Mainz&-Geschichte.

Eine gefrorene Beerentraube vor eiskalter Kulisse: Eiswein wird bei mindestens minus 7 Grad geerntet. - Foto: DWI
Eine gefrorene Beerentraube vor eiskalter Kulisse: Eiswein wird bei mindestens minus 7 Grad geerntet. – Foto: DWI

Es ist eine ganz besondere Spezialität, die allerdings in Zeiten des Klimawandels immer seltener wird: Eiswein. Der edelsüße Wein wird aus tiefgefrorenen Trauben gewonnen, die tatsächlich in diesem Zustand vom Weinstock geerntet werden. Dafür muss es laut Weingesetz mindestens 7 Grad Minus haben, die Trauben werden noch in ihrem eisigen Zustand direkt gekeltert – das Ergebnis ist ein intensiver, oft ein bisschen dickflüssigerer Most, der eine besonders dichte Konzentration der Beeren-Inhaltsstoffe und einen vergleichsweise hohen Säuregrad aufweist.

„Diese Spezialität ist immer wieder ein Meisterstück des Winzers, das nur in nördlichen Weinregionen produziert werden kann“, weiß Ernst Büscher, Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI) in Bodenheim bei Mainz. Und das wird immer seltener möglich: „In Zeiten des Klimawandels wird es immer schwieriger Eiswein zu erzeugen, weil der starke Frost wenn überhaupt, immer später einsetzt und gleichzeitig die Trauben immer früher reif werden“, erklärt Büscher. In den vergangenen Jahren war es oftmals nur eine Nacht im ganzen Jahr, in der die Lese von Eisweintrauben möglich war.

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Poker um den Eiswein: Hohes Risiko für den Winzer

Der Poker um den Eiswein ist für den Winzer denn auch ein hohes Risiko: „Wenn sich die mindestens erforderlichen minus sieben Grad Celsius nicht einstellen, bedeutet das für die Winzer oftmals einen Totalverlust“, sagte Büscher. Manchmal können die Trauben noch als Auslese oder Beerenauslese verwendet werden, oft aber verfaulen oder vertrocknen sie einfach im Weinberg – für den Winzer ein Totalausfall von Trauben mit einer besonders hohen Qualität. Denn die Trauben müssen für den Eiswein vollkommen gesund sein und das Potenzial für eine Auslese haben – viele Winzer erntet dann lieber gleich die Auslese, anstatt auf den Eiswein zu pokern.

Eisweinlese im Weinberg bei Nacht. - Foto DWI
Eisweinlese im Weinberg bei Nacht. – Foto DWI

So sind denn auch die Flächen in den Weinbergen, auf denen Trauben für die Eisweinlese zurückgehalten werden, in den vergangenen Jahren immer stärker zurückgegangen. In Rheinland-Pfalz waren es für den aktuellen Jahrgang der Ernte 2024 lediglich noch 42 Hektar von 50 Betrieben. Und die wurden nun für ihre Mühe und Risikofreude belohnt: 15 das Weinhaus Heymannns in Edenkoben als wahrscheinlich einziger Betrieb in der Pfalz gefrorene Rieslingtrauben mit 130 Grad Oechsle ernten.

„Kalt genug war es in dieser Nacht wohl auch an der Mosel“, berichtet Büscher, auch in Rheinhessen sei Eiswein gelesen worden: Am 13. Januar wurde hier die Lese eines Silvaner-Eisweins gemeldet. In der Nacht zum 13. Januar hatte sich auch schon das Weingut Löffler im badischen Markgräflerland über Eisweintrauben der Sorte Gutedel gefreut, im Remstal in Württemberg erntete das Weingut Doreas eine kleine Menge Riesling Eiswein. Weil die Trauben noch aus dem Jahrgang 2024 stammen, werden sie auch als „Eiswein 2024“ gelabelt – auch wenn sie 2025 geerntet wurden.

Neue Eisweinsorte Souvignier Gris? Was den PiWi prädestiniert

Geerntet wird meist in den frühen Morgenstunden, wenn es am kältesten ist, manchmal aber auch mitten in der Nacht, so wie in diesem Jahr: „Auch die Bergsträßer Winzer haben in der sternenklaren Nacht auf den 14. Januar an der Hessischen Bergstraße gefrorene Trauben eingebracht, deren Most 135 Grad Oechsle auf die Mostwaage brachte“, berichtet Büscher weiter. Und hier wurde ein ganz besonderer Eiswein geerntet: ein Souvignier Gris.

Eisweinlese 2021 in Erden an der Mosel. - Foto: Moselwein e.V./Chris Marmann
Eisweinlese 2021 in Erden an der Mosel. – Foto: Moselwein e.V./Chris Marmann

Die Neuzüchtung gehört zu den sogenannten „pilzwiderstandsfähigen Rebsorten“ (PiWis), und könnte in Zukunft eine wichtige Rolle spielen: „Der Souvignier Gris könnte eine neue Eisweinsorte werden, weil die Trauben mit ihrer dicken Beerenschale sehr widerstandsfähig und robust sind“, verriet Büscher im Gespräch mit Mainz&. Dadurch seien die Trauben nicht so anfällig für Fäulnis und könnten im Weinberg länger hängen bleiben – und dann gesund zum Eiswein werden.

Neu ist die Spezialität übrigens keineswegs: Schon im Jahre 44 nach Christus berichtete der römische Schriftsteller Plinius von Weinen, die aus gefrorenen Trauben gekeltert wurden, wie man beim DWI weiß. Im modernen Weinbau wurde der Eiswein dann 1830 wiederentdeckt – und zwar in Rheinhessen. „Winzer im rheinhessischen Dromersheim bei Bingen stellten am 11. Februar zufällig fest, dass aus gefrorenen Trauben ein wunderbar süßer Most gewonnen werden konnte“, berichtet Büscher.

1830 in Bingen-Dromersheim: Gefrorene Trauben für Schweine

Die Winzer wollten in einem harten Winter übrig gebliebene Trauben aus den Weinbergen an ihre Schweine verfüttern, als sie merkten: Der Saft aus den gefrorenen Trauben schmeckte recht süß – und ergab einen vorzüglichen Wein. Der Grund: Bei den frostigen Temperaturen gefriert das Wasser in den Beeren, von der Kelter tropft dann nur der zuckersüße Saft, der später gefriert – so entstehen Moste mit extrem hohen Zuckergehalten und gleichzeitig anregender Säure und niedrigem Alkoholgehalt.

Im Deutschen Weingesetz von 1982 wurde der „Eiswein“ schließlich zu einer eigenständigen Prädikatsstufe erhoben und ein Mindestmostgewicht festgelegt – je nach Anbaugebiet 110 bis 128 Grad Oechsle. Echte Eisweine sind übrigens so begehrt, dass man in anderen Ländern wie den USA versucht, sie mit Trauben aus Tiefkühlschränken herzustellen – an einen Original-Eiswein kommen solche produkte aber nicht heran.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema „Risiko Eiswein“ und wie er entsteht, lest Ihr auch hier beim Deutschen Weininstitut im Internet.