Die Menschen in Deutschland sollen nun doch mit einem umfassenden Paket bei den Kosten für Energie, Benzin und Mobilität entlastet werden. Nach langem Ringen beschloss die Bundesregierung am Donnerstag ein ganzes Paket von Maßnahmen. Der Benzinpreis soll deutlich sinken, Familien und Arbeitnehmer sowie Selbstständige Energiekostenzuschüsse bekommen. Spannend zudem: Der Öffentliche Nahverkehr soll für ganze 9 Euro im Monat genutzt werden können, das soll befristet für drei Monate gelten.
Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine habe „die ohnehin angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschärft“, heißt es im Beschlusspapier der Bundesregierung vom Donnerstag: „Kosten für Strom, Lebensmittel, Heizung und Mobilität sind für viele Bürgerinnen und Bürger zu einer großen Belastung geworden.“ Seit Russland vor genau vier Wochen seinen Überfall auf die Ukraine begann, schossen besonders die Benzinkosten an den Tankstellen in ungeahnte Höhen: Mehr als zwei Euro für den Liter Benzin oder Diesel, das bedeutet für zahllose Pendler, aber auch für Unternehmen und Selbstständige sowie Handwerker eine massive Belastung.
Dazu aber waren auch die Preise für Strom in den vergangenen Wochen geradezu explodiert, nun drohen auch noch gewaltige Preissprünge auf dem Gasmarkt, weil Russland der wichtigste Gaslieferant Deutschlands ist. Deutschland hatte sich über Jahrzehnte hinweg immer weiter von russischen Gaslieferungen abhängig gemacht, nun räumt die Bundesregierun kleinlaut ein: Es sei „klar, dass die Bundesrepublik durch Diversifizierung und Verbrauchsreduktion schnellstens unabhängig von russischen Energieimporten werden muss.“ Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war dazu in den vergangenen Tagen durchaus erfolgreich auf Einkaufstour in den Golfstaaten sowie in Norwegen unterwegs gewesen, um neue Gasquellen zu erschließen.
„Die Bundesregierung unternimmt alles, um die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen aus Russland schnellstmöglich zu beenden“, hieß es nun am Donnerstag ausdrücklich noch einmal. Man wolle zudem klimafreundliche Energieträger schneller voranzubringen, die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft beschleunigen und mehr Biomasse nutzen. Zur kurzfristigen Reduzierung des Gasverbrauchs in der Stromerzeugung sollen zudem die Kohlekraftwerke in Deutschland „länger in der Sicherheitsbereitschaft gehalten“ werden.
Zu den Maßnahmen gehört auch, dass die Bundesregierung Fernwärmenetze ausbauen und höhere Effizienzstandards bei Neubauten festschreiben will. Dazu soll ab dem 1. Januar 2024 „möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden“, heißt es im Papier weiter – wie genau das gehen soll, sagt die Regierung nicht. Allerdings soll bei Industrie, Handwerk und Privathaushalten eine große Wärmepumpen-Offensive gestartet werden.
Im Mittelpunkt des Papiers steht aber die Entlastung der Bürger: Bereits zum 1. Juli 2022 soll die EEG-Umlage beim Strompreis abgeschafft, sowie Grundfreibeträge und ArbeitnehmerpauschBetrag in der Steuer angehoben werden. Bereits am 17. März hatte die Koalition eine Verdoppelung des Heizkostenzuschusses für Empfänger von Wohngeld, BAföG, Bundesausbildungshilfe oder Ausbildungsgeld auf den Weg gebracht – er soll nun auf 200 Euro verdoppelt werden. Nun sollen Familien „zur Abfederung zusätzlicher Härten“ ergänzend zum Kindergeld einmalig einen Zuschuss in Höhe von 100 Euro erhalten.
300 Euro Energiepreispauschale für jeden Arbeitenden
Vor allem aber soll eine Energiepreispauschale bei der Bewältigung der gestiegenen Energiepreise helfen: Danach sollen alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen der Steuerklassen 1-5 einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss erhalten, dieser Zuschlag soll unabhängig von den geltenden steuerlichen Regelungen wie Pendlerpauschalen, Mobilitätsprämie oder Job-Tickets „on top“ gewährt werden. Der Zuschuss solle „weitere Härten im Bereich der Energiepreise abfedern“, betont die Bundesregierung. Die Auszahlung erfolge über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers
bzw. des Dienstherren – die Pauschale unterliegt allerdings der Einkommensteuer.
Auch Selbständige sollen die Energiepreispauschale in gleicher Höhe erhalten, bei ihnen soll der Betrag über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung abgerechnet werden. Um in Zukunft Direktzahlungen an die Bürger einfacher und unbürokratischer zu ermöglichen, solle die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr zudem „einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das Klimageld entwickeln“, heißt es weiter.
Benzinpreis soll bis zu 30 Cent sinken
Für alle Pendler besonders erfreulich: Die Energiesteuer auf Kraftstoffe soll für drei Monate sinken, und zwar „auf das europäische Mindestmaß“ – an der Tankstelle könnte das einen um etwa 30 Cent niedrigeren Spritpreis beim Benzin und einen 14 Cent niedrigeren Dieselpreis bedeuten. „Wir stellen sicher, dass die Absenkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird“, betont die Bundesregierung zudem. Doch nicht nur die Autofahrer sollen profitieren, der Bund will auch Anreize setzen, auf das Auto zu verzichten: Für 90 Tage soll es deshalb ein Monatsticket für 9 Euro geben, finanziert werden soll das über die Regionalisierungsmittel, die der Bund an die Länder zahlt.
Der ÖPNV sei gerade in der aktuellen Situation für viele „eine notwendige, leistungsfähige und kostengünstige Alternative zum eigenen Pkw“, betont die Bundesregierung. Ab wann das 9-Euro-Ticket starten kann, war am Donnerstag noch unklar, zu erwarten ist, dass sich die Verkehrsminister der Länder auf ihrer Konferenz am Freitag über das weitere Prozedere verständigen werden. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG begrüßte das 9-Euro-Ticket, mahnte aber zugleich, das Ticket müsse für jedes ÖPNV-Mittel gelten – egal ob Bus, S-Bahn oder Regionalzüge.
„Wir fordern die politischen Entscheidungsträger dazu auf, das 9-Euro-Ticket pro Monat nicht als eine einmalige Sache anzusehen“, sagte Ralf Damde von der EVG. Sinnvoll sei, die Erkenntnisse aus dem dreimonatigen Zeitraum zu nutzen, um danach über neue Angebotsformen im ÖPNV ernsthaft nachzudenken. „Hier könnten ein dauerhaftes 9 Euro-Monatsticket, ein 365-Euro-Jahresticket oder sogar ein kostenloser ÖPNV Möglichkeiten sein, um den öffentlichen Personennahverkehr dauerhaft attraktiver zu machen“, betonte Damde, „und nicht nur in Kriegs- und Krisenzeiten.“
Die EVG begrüßte auch die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro für die Arbeitnehmer, kritisierte zugleich aber, dass diese Pauschale der Einkommenssteuer unterliege – und deshalb nicht 1:1 bei den Arbeitnehmenden ankomme. „Wir fordern die Politik auf, diesen Betrag, ähnlich wie die Corona-Prämie, steuerfrei auszuzahlen“, betonte Damde.
Die Mainzer Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne) sprach von einem „ausgewogenen Entlastungspaket“ und berichtete, sie sei „sehr gespannt“ auf die Sitzung der Verkehrsministerkonferenz – sie erhoffe sich dort „wichtige Informationen“ über die Einführung des 9-Euro.Monatstickets. Dabei müsse geklärt werden, wie sich die Finanzierung und die Abwicklung des 90-Tage-Tickets darstelle. „Ein preisgünstiges Ticket kann dort, wo es Nahverkehrsangebote gibt, die Nutzerinnen und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel entlasten und ein Angebot für diejenigen zum Umstieg sein, die den Nahverkehr bisher nicht nutzen“, fügte Eder hinzu.
Info& auf Mainz&: Das gesamte Beschlusspapier der Bundesregierung könnt Ihr Euch hier im Internet herunterladen.