Die Coronakrise beutelt den Einzelhandel in Mainz schwer, die Politik sucht nach Wegen, die Innenstadt attraktiv zu halten und den Konsum wieder anzukurbeln – da übt der Handelsverband Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz scharfe Kritik am Wirtschaftsmanagement der Stadt Mainz. Zum Erhalt der Innenstädte sei „eine aktive, zielgerichtete Wirtschaftsförderung notwendig“, doch deren personelle Ausstattung in Mainz sei „beschämend“, eine aktive Bestandspflege so nicht möglich, schreibt der Verbandsvorsitzende, der Mainzer Juwelier Jan Sebastian in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Der antwortete umgehend, er teile die Sorgen –  Abhilfe sei in Sicht.

Neuer Leerstand in der Mainzer Innenstadt im August 2020. - Foto: gik
Neuer Leerstand in der Mainzer Innenstadt im August 2020. – Foto: gik

Die Debatte ist alles andere als neu: Schon im Kommunalwahlkampf im Frühjahr 2019, und dann erneut im OB-Wahlkampf Ende 2019, spielte das Thema immer wieder eine große Rolle. Der Haken: Das Wirtschaftsdezernat in Mainz verfügt über deutlich zu wenig Stellen, als die CDU-Unternehmerin Manuela Matz Ende 2018 den Posten der Wirtschaftsdezernentin von FDP-Mann Christopher Sitte übernahm, waren mehrere Stellen unbesetzt, der Leiter der Wirtschaftsförderung kündigte – räumte seinen Posten aber erst im April 2019. Matz hatte nach ihrer Wahl angekündigt, ein umfassendes Konzept für die Neuaufstellung des Wirtschaftsdezernats zu erarbeiten, nach Mainz&-Informationen liegt das Konzept seit Monaten vor – vorgestellt wurde es bislang aber nicht.

Inzwischen hat die Coronakrise auch den Mainzer Einzelhandel fest im Griff, in der Innenstadt fallen zunehmend Leerstände in Ladenlokalen auf. In dieser Lage wendet sich nun der Vorsitzende des Einzelhandelsverbandes „Handelsverband Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz“, der Mainzer Jan Sebastian von dem alteingesessenen Juweliergeschäft Willenberg, in einem Offenen Brief an OB Ebling – mit einem eindringlichen Plädoyer, endlich die Wirtschaftsförderung in Mainz zu stärken.

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Drohen den deutschen Innenstädten 50.000 Insolvenzen in Folge der Coronakrise? - Foto: gik
Drohen den deutschen Innenstädten 50.000 Insolvenzen in Folge der Coronakrise? – Foto: gik

„Gerade im Hinblick auf die dynamischen Anforderungen an die sich rasant verändernden Innenstädte, verstärkt durch die Corona-Pandemie, ist es notwendig, die Innenstädte neu zu denken, aber auch die Vielfalt des innerstädtischen Handels und der Gastronomie zu erhalten“, schreibt Sebastian. Corona sei nicht der Auslöser der Krise in den Innenstädten, aber der Katalysator einer überfälligen Entwicklung. „Infolge der Pandemie fehlen 40 Milliarden Euro in der Kasse“, der Handelsverband Deutschland (HDE) rechne mit 50.000 Geschäftsaufgaben, warnt Sebastian: „Genau so ist zu befürchten, dass die Zurückhaltung der Gäste in der Gastronomie in den kalten Monaten massive Auswirkungen haben wird.“

Zum Erhalt der Innenstädte sei „eine aktive, zielgerichtete Wirtschaftsförderung notwendig“, daran aber fehle es in Mainz weiterhin: „Die personelle Ausstattung unseres Wirtschaftsdezernates in Mainz ist – insbesondere im Vergleich zu anderen Städten in Rheinland-Pfalz – gerade für eine Landeshauptstadt eher beschämend“, schreibt Sebastian. Es sei „nicht nachzuvollziehen“, weshalb in der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz für die aktive Wirtschaftsförderung weniger „Men-Power“ für diese Themen vorhanden sei kann, als etwa in Trier (6 Personen), Koblenz (9 Personen) oder Kaiserslautern sowie Ludwigshafen (10 Personen).

Wie können Innenstädte auch in Corona-Zeiten attraktiv bleiben? Die Debatte läuft. - Foto: gik
Wie können Innenstädte auch in Corona-Zeiten attraktiv bleiben? Die Debatte läuft. – Foto: gik

Mainz sei hingegen bei Aufgaben der stadtnahen Gesellschaften wie der Mainzplus Citymarketing oder städtischen Gesellschaften wie der Grundstücksverwaltungsgesellschaft der Stadt Mainz „sehr gut aufgestellt“, mehr Personal sei auch notwendig für eine fahrradfreundliche Innenstadt sowie die Begrünung und Schaffung einer größeren grünen Lunge in einer lebenswerten Innenstadt, betonte Sebastian weiter. Eine Stadt wie Mainz müsse aber auch ein aktives Zugehen auf Unternehmen und Investoren leisten, sei für touristische Maßnahmen, Stadtentwicklung und Raumordnungsplanung zuständig.

„Es geht mir um die aktive Bestandspflege wie Key Account-Management, Bedarfsermittlung der Bestandsunternehmen wie auch Beantwortung von Anfragen, aktive Akkquisition von unterrepräsentierten Branchen, Veranstaltungsorganisation und Clustermanagement“, zählt Sebastian auf. Die Leerstände in der Stadt, „vor allem die in Kürze zu erwartenden, müssen zügig abgearbeitet werden, und es ist eine aktive Ansprache von Investoren und potentiellen Mietern notwendig“, fordert er. Dazu seien deutlich größere Personalressourcen im Mainzer Wirtschaftsdezernat erforderlich, „meiner Einschätzung nach sollten mittelfristig zwischen 15 und 20 Stellen für die Wirtschaftsförderung bereit stehen“, sagt Sebastian, und fügt hinzu: „Wir bitten Sie daher, bei zukünftigen Personalerweiterungen auch das Dezernat III stärker auszustatten.“

Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) kündigte ein Konzept zur Neuordnung der Wirtschaftsförderung an. - Foto: gik
Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) kündigte ein Konzept zur Neuordnung der Wirtschaftsförderung an. – Foto: gik

Unterstützung bekam der Handelsverbandschef umgehend von der Mainzer SPD: Eine Stärkung der Wirtschaftsförderung sei „notwendiger dfenn je“, sagte SPD-Wirtschaftsexperte Martin Kinzelbach, deshalb habe die Ampel-Koalition „damals in unseren Koalitionsvertrag eine Stärkung der Wirtschaftsförderung festgeschrieben.“ Ein Strukturkonzept solle dafür als Grundlage dienen, „auf Basis dieser Analyse und Konzeption werden wir die Wirtschaftsförderung neu aufstellen.“

Wirtschaftsdezernentin Matz teilte derweil am Nachmittag mit, sie begrüße Sebastian’s Initiative und unterstütze seine Forderungen zur Stärkung der städtischen Wirtschaftsförderung. „Um die vielen Herausforderungen zu meistern, Erwartungen zu erfüllen und die Abteilung fit für die Zukunft zu machen, ist gerade eine deutlich bessere personelle Ausstattung von entscheidender Bedeutung“, sagte Matz. Deshalb sei die Stärkung und Neuaufstellung der Wirtschaftsförderung „für mich von Anfang an eine Herzensangelegenheit und ein besonderer Schwerpunkt meiner Arbeit gewesen“.

Das Konzept mit dem Titel „Wirtschaft in Mainz 2020+“ liege vor und werde am 28. August im Wirtschaftsausschuss vorgestellt. „Es arbeitet klar heraus, wie durch den Aufbau einer proaktiven Mainzer Wirtschafts- und Strukturförderung in kurz-, mittel- und langfristigen Schritten eine positive und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Mainz unterstützt wird, denn so etwas hat es in den letzten Jahren nicht gegeben“, kündigte Matz an. Zudem könne sie mitteilen, dass Ebling dem Stadtrat vorschlagen wolle, im Stellenplan 2021/2022 drei neue Stellen in der Abteilung Wirtschaftsförderung zu schaffen. „Das ist ein erster wichtiger Schritt, um die vielen Aufgaben zu bewältigen“, fügte Matz hinzu.

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) will die Mainzer Wirtschaftsförderung auf 7,5 Stellen aufstocken. - Foto: gik
Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) will die Mainzer Wirtschaftsförderung auf 7,5 Stellen aufstocken. – Foto: gik

Oberbürgermeister Ebling wiederum teilte mit, ausgehend von dem neuen Konzept werde er „dem Stadtrat vorschlagen, dass im Stellenplan 2021/2022 die Abteilung Wirtschaftsförderung personell so ausgestattet wird wie Städte vergleichbarer Größe.“  Dafür sollten drei neue Stellen geschaffen werden, damit würde die Abteilung über 7,5 Stellen verfügen. Dazu kämen noch zusätzliche Stellen bei der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft GVG und der Stadtmarketinggesellschaft Mainzplus.

„Ich teile die Sorge von Jan Sebastian, dass die Coronavirus-Pandemie die Innenstadt und den Handel vor große Herausforderungen stellt, die nicht zuletzt durch den zunehmenden Onlinehandel verschärft werden“, betonte Ebling. Seit Jahren setze er sich für die Aufwertung der Innenstadt und die Stärkung des Handels ein, Mainz investiere derzeit so viel in die Aufwertung der Innenstadt, wie seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr und schaffe neue attraktive Straßen und Plätze, um die Aufenthaltsqualität zu steigern. Eines der wichtigsten Projekte sei dabei die Entwicklung des Einkaufsquartiers Ludwigsstraße, unterstrich Ebling: „Gerade jetzt, wo der Handel erheblich leidet, ist diese Investition ein Schlüssel, um die Innenstadt wieder aufblühen zu lassen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Debatte um die Belebung der Innenstädte in der Coronakrise lest Ihr hier bei Mainz&: Gerade forderte der Städtetag Rheinland-Pfalz mehr Kreativität und mehr Hirnschmalz bei der Aufgabe.

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