Vor knapp zwei Wochen stellten Grüne, SPD und CDU die Weichen in Richtung einer gemeinsamen „Kenia-Koalition“, nun äußert sich auch die FDP zu dem Vorhaben – das für sie das Aus an der Regierungsbeteiligung bedeuten würde. „Eine Kenia-Koalition wäre ein Minimalkonsens“, sagte die neue FDP-Fraktionschef Susanne Glahn skeptisch. Die Liberalen bedauerten es, „dass keine Koalitionsoptionen betrachtet werden, die mehr Fortschritt und Mut erwarten ließen als eine Koalition der kleinsten gemeinsamen Nenner.“

Bekommt der Mainzer Stadtrat ein grün-rot-schwarzes Bündnis - eine Kenia-Koalition? - Foto: gik
Bekommt der Mainzer Stadtrat ein grün-rot-schwarzes Bündnis – eine Kenia-Koalition? – Foto: gik

Am 11. Juli hatten SPD und CDU in Parteigremien, die Grünen sogar auf einem kleinen Parteitag beschlossen, gemeinsam Koalitionsverhandlungen aufzunehmen – es wäre der Beginn einer Mega-Koalition, und das Ende von 15 Jahren „Ampel“-Bündnis in Mainz. Bei der Kommunalwahl am 9. Juni hatte das alte Bündnis aus Grünen, SPD und FDP seine Mehrheit im Mainzer Stadtrat verloren: Gemeinsam kommen die drei bisherigen Partner nur noch auf 30 Sitze, zu wenig für eine Mehrheit im 60 Sitzen fassenden Stadtrat.

In den Wochen danach wurde sondiert und ausgelotet, dem Vernehmen nach sprachen tatsächlich alle Parteien miteinander und untereinander, mit Ausnahme der AfD. Sondiert wurde eine Ampel-Koalition plus Volt, ein Bündnis mit der Linken, Konstellationen mit Freien Wählern – doch alle hatten ein Problem: Eine breite Mehrheit im Stadtrat, die mehr als zwei Sitze über der notwendigen Mehrheit gehabt hätte, wollte sich einfach nicht formen lassen.

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V-Ampel scheiterte am fehlenden Vertrauen, Volt zog zurück

Eine sogenannte „V-Ampel“, also eine Ampel plus Europapartei Volt scheiterte laut Teilnehmern an der Vertrauensbildung, die wohl länger gebraucht hätte, als den größeren Parteien lieb war: Die Arbeit an einem neuen Haushalt für das Jahr 2025 direkt nach der Sommerpause wird als der kritische Punkt genannt – das sei mit Volt und ihren frisch in den Stadtrat eingezogenen Vertretern nicht machbar gewesen.

Abgehängt: Wahlplakate der Mainzer FDP im Wahlkampf. - Foto: gik
Abgehängt: Wahlplakate der Mainzer FDP im Wahlkampf. – Foto: gik

Volt zog schließlich selbst zurück, und teilte am 11. Juli per Pressemitteilung mit, man sehe „trotz der teilweise hohen inhaltlichen Übereinstimmungen und wertvollen Begegnungen derzeit keine ausreichende Grundlage für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.“ Man habe „zum aktuellen Zeitpunkt und innerhalb kurzer Zeit nicht das notwendige Vertrauen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen“ aufbauen können und wolle jetzt im Stadtrat „positive Impulse im Sinne einer modernen, progressiven und europäischen Politik setzen.“

Damit blieb eigentlich nur noch ein Weg übrig: die Bildung einer Mega-Koalition aus Grünen, SPD und CDU. Die hätte zusammen satte 41 Sitze und könnte so die Politik der kommenden Jahre mit einer komfortablen Mehrheit bestimmen. Der große Verlierer wäre die FDP: Die Liberalen würden nach 15 Jahren jegliche Beteiligung an der Stadtregierung verlieren. Schon seit 2018 war die FDP nach dem Ausscheiden von Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte nicht mehr regulär im Stadtvorstand vertreten, als Hilfskonstrukt wurde schließlich im Januar 2021 Volker Hans als ehrenamtlicher Dezernent für „Kommunales Fördermittelmanagement“ installiert.

Glahn: „Gespräche sind nicht an der FDP gescheitert“

Hans sicherte der FDP den Sitz zum Stadtvorstand, und zog im Juni  2024 im Mainz&-Interview ein begeistertes Fazit seiner Amtszeit – die endete gleichwohl mit der Stadtratswahl: Im Gegensatz zu den übrigen Dezernentenposten, war Hans‘ Tätigkeit mit der Kommunalwahl erst einmal beendet. Dass der Stadtrat ihm eine Verlängerung gewähren wird, dürfte ohne die FDP in einer Koalition unwahrscheinlich sein.

Susanne Glahn ist seit 2023 neue Kreischefin der Mainzer FDP, und seit der Kommunalwahl auch neue Fraktionschefin im Stadtrat. - Foto: gik
Susanne Glahn ist seit 2023 neue Kreischefin der Mainzer FDP, und seit der Kommunalwahl auch neue Fraktionschefin im Stadtrat. – Foto: gik

Die neue Kreis- und Fraktionschefin Susanne Glahn äußerte sich denn nun auch enttäuscht: „Die FDP war über Jahre hinaus ein konstruktiver Koalitionspartner und hat viel für die Stadtentwicklung beigetragen“, sagte Glahn in einer Mitteilung – in einer künftigen Koalition wäre man „auch weiterhin ein verlässlicher Partner“ gewesen. „Die bisherigen Gespräche, in anderen Konstellationen, sind nicht an der FDP gescheitert“, stellte Glahn nun auch klar: „Die Freien Demokraten waren jederzeit ein sehr geschätzter und viel angefragter Gesprächspartner.“

Die jetzige Richtung kam wohl auch unter Zeitdruck zustande, lassen die Liberalen durchblicken: „Man hätte einzelnen Partnern vielleicht noch mehr Zeit geben müssen“, sagte Glahn weiter, schließlich stünden in den kommenden fünf Jahren „zu viele wichtige Entscheidungen an, in denen es gilt, die Weichen für die Zukunft zu stellen.“ Wahr ist allerdings auch: Die FDP hatte es in den vergangenen Jahren weitgehend versäumt, in der Ampel-Koalition eigene, sichtbare Akzente zu setzen. Erst kurz vor der Kommunalwahl legte die neu formierte Spitze ein grundlegendes Papier für eine neue Stadtentwicklungspolitik vor – zu spät, um damit noch durchzudringen.

FDP sieht Ausgang der Kenia-Verhandlungen „völlig offen“

Ob die neuen Partner tatsächlich eine stabile Koalition zustande bringen, hält man bei der FDP aber offenbar noch nicht für ausgemacht: Der Ausgang sei „völlig offen“, die „teils erheblich unterschiedlichen Auffassungen machen es schwierig, dass eine Kenia-Koalition fünf Jahre erfolgreich sein kann, wenn es überhaupt zu einer Koalition kommt“, sagte Glahn. Vor der Wahl seien „teilweise klare rote Linien gezogen worden, flankiert von Rücktrittsforderungen“, kritisierte sie, nun müsse sich zeigen, „ob diese roten Linien aufrichtig gezogen wurden, oder die Rücktrittsforderungen nur Wahlkampfgetöse waren.“

Tempo 30 auf Rheinallee und Kaiserstraße: Herzensprojekt der Grünen, rotes Tuch für die CDU. - Foto: gik
Tempo 30 auf Rheinallee und Kaiserstraße: Herzensprojekt der Grünen, rotes Tuch für die CDU. – Foto: gik

Glahn spielt damit auf die meist harschen Auseinandersetzungen zwischen CDU und den Grünen an, hatte die CDU doch gerade die grüne Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger zunehmend aufs Korn genommen, und ihre Politik von Fahrrad-Piktogrammen bis hin zu Tempo 30 mit Rücktrittsforderungen begleitet. Dass Steinkrüger sich über die Rechtswidrigekeit von Rad-Piktogrammketten einfach hinwegsetzte, dass sie Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen auch mal ohne Rechtsgrundlage vorantreibt – die CDU brachte das zum Schäumen.

Die Grünen wiederum ließen im Mainzer Stadtrat regelmäßig an Vorschlägen von CDU-Räten kein gutes Haar, und das zuweilen auch mit höchst persönlichen Angriffen. Gerade zwischen diesen beiden Parteien sind die ideologischen Gräben tief, und das Verständnis füreinander schwer – wie sich Grüne und CDU auf eine gemeinsame Verkehrspolitik einigen wollen, dürfte einer der spannenden Punkte in den Koalitionsverhandlungen werden. In einem ersten Papier war bisher nur vage von „einer gemeinsamen Entwicklung einer zukunftsfähigen Verkehrsführung“ die Rede – und von einer „nachhaltigen Mobilität mit allen Verkehrsträgern.“

Die Mainzer FDP spricht denn auch von einer „Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners“, die wenig Fortschritt und Mut erwarten lasse. Man werde die Verhandlungen „sehr aufmerksam beobachten“, und stehe weiterhin für Gespräche zur Verfügung, sagte Glahn weiter: „Insbesondere aufgrund erheblicher, inhaltlicher und persönlicher Differenzen darf man gespannt sein, ob die Verhandlungen erfolgreich sein werden. Sollten Sie es sein, wird die FDP eine starke Oppositionsstimme sein.“

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zum gemeinsamen Vorhaben der Kenia-Koalition lest ihr hier bei Mainz&, weitere Reaktionen der anderen Parteien haben wir hier bei Mainz& zusammengefasst.