Ist die Anordnung von Tempo 30 in Mainz auf den Hauptverkehrsstraßen Rheinallee und Kaiserstraße rechtswidrig? Ja, sagt die CDU in Mainz – und fordert nun die sofortige Aufhebung der Geschwindigkeitsreduzierung. Seit dem 1. Juli 2021 gebe es für Tempo 30 auf diesen beiden Strecken „keine ausreichende Rechtsgrundlage mehr“, sagte Gerster am Donnerstag in Mainz – die Stadt habe keine gültige Genehmigung mehr zur Aufrechterhaltung des Tempolimits. Gersters Fazit: Die Regelung müsse umgehend aufgehoben werden, „Schilder weg oder Rücktritt.“
Zum 1. Juli 2020, mitten in dem ersten Ausbruch der Corona-Pandemie hatte die Stadt Mainz die Geschwindigkeit auf der Rheinallee sowie der Kaiserstraße von Tempo 50 auf Tempo 30 reduziert. Umstritten war das von Anfang an, und nicht nur wegen der massiv gedrosselten Geschwindigkeit: Beide Straßen sind Hauptverkehrsachsen in Mainz, auf denen der Verkehr eigentlich zügig durch die Stadt rollen soll.
Mehr noch: Beide Straßen sind Teil der Bundesstraße 40, die über die Theodor-Heuss-Brücke führt – und auf Bundesstraßen ist Tempo 30 laut Straßenverkehrsordnung eben gerade nicht erlaubt. Dort heißt es in Absatz 1c nämlich, Tempo 30-Zonen dürften sich „weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen“ erstrecken, auf denen es mit Ampelanlagen geregelte Kreuzungen gebe. Was fraglos auf Kaiserstraße und Rheinallee zutrifft.
Tempo 30 in Mainz sollte Schadstoffe in der Innenstadt senken
Die damalige Mainzer Verkehrsdezernentin und heutige Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) hatte bei der Einführung von Tempo 30 auf den beiden Hauptverkehrsstraßen argumentiert, Tempo 30 sei wichtig, um die Schadstoffe in der Innenstadt zu senken, insbesondere der Stickoxidausstoß könne so verringert werden, Mainz dadurch den EU-Grenzwert einhalten – und ein Dieselfahrverbot vermeiden. Die Geschwindigkeitsreduzierung bringe Gutachten zufolge eine deutliche Reduzierung der Stickoxidemissionen, behauptete Eder damals, das aber bestätigte sich nicht.
Fast vier Monate nach Einführung von Tempo 30 zeigt sich: Eine durchschlagende Wirkung auf die Stickoxide in der Luft hatte die Maßnahme nicht – die Stickoxidwerte waren sogar noch angestiegen. Dazu sind seit der Einführung viele Mainzer hochgradig genervt, derb Einzelhandel warnt bis heute, der schleichende Verkehr mache für das Umland eine Fahrt zum Einkaufen nach Mainz zusätzlich unattraktiv. Ein zügiges Vorwärtskommen sei schier unmöglich geworden, „bei Tempo 30 hoppelt man von Ampel zu Ampel“, schrieb im Oktober 2020 ein Mainz&-Leser – geändert hat sich daran bis heute nichts.
Experten hatten stets gewarnt: Eine Einführung von Tempo 30 werde nur dann eine positive Wirkung haben, wenn gleichzeitig eine Grüne Welle für den Verkehr geschaffen werde – doch die gibt es bis heute nicht. Selbst bei der Deutschen Umwelthilfe hieß es damals, man halte zwar Tempo 30 für absolut sinnvoll, weil es für weniger Lärm und mehr Verkehrssicherheit sorge, aber in Sachen Luftqualität sehe man nur „leichte“ Effekte – und auch die nur, „wenn es gelingt, den Verkehrsfluss beizubehalten oder zu verbessern“, teilte die DUH auf Mainz&-Anfrage mit, die Konsequenz: „Nur Tempo 30 reicht noch nicht.“
CDU: Seit Juli 2021 keine Rechtsgrundlage mehr für Tempo 30
Heute argumentiert das Verkehrsdezernat der Stadt denn auch hauptsächlich mit Lärmreduzierung und Verkehrssicherheit, bis heute hält auch Eders Nachfolgerin Janina Steinkrüger (Grüne) an den Tempo 30-Zonen auf den beiden Hauptverkehrsachsen fest. Das aber könnte rechtswidrig sein, stellte nun die CDU-Opposition fest: Nach Auskunft der Verwaltung auf eine Anfrage der CDU im letzten Stadtrat Mitte Mai „gibt es keine gültige Genehmigung mehr zum Aufrechterhalten der Tempo 30-Strecken“, sagte nun CDU-Verkehrsexperte und Kreischef Thomas Gerster.
Tempo 30 auf einer Bundesstraße dürfe von der unteren Verkehrsbehörde, also hier der Stadt Mainz, nur mit entsprechender Genehmigung des Landesbetriebs Mobilität (LBM) verfügt werden, betonte Gerster. Der Landesbetrieb habe zwar tatsächlich am 22. Juni 2020 die Einrichtung der Tempo 30-Strecken auf der Bundesstraße genehmigt – aber lediglich für eine Pilotphase von einem Jahr, die also am 30. Juni 2021 endete.
Nun berufe sich die Stadt als Rechtsgrundlage für die Tempo 30-Strecken auf den vom Stadtrat beschlossene Luftreinhalteplan, kritisierte Gerster: „Dieser kann allerdings keine Rechtsgrundlage sein, da der Stadtrat in Auftragsangelegenheiten – und eine solche ist das Straßenverkehrsrecht – keine Entscheidungskompetenz hat.“ Die Tempo 30-Strecken auf der Rheinachse und in der Kaiserstraße „sind somit illegal“, betonte Gerster. Die Tempo 30-Zonenn in Nebenstraßen stellt übrigens die CDU nicht in Frage, vielmehr hatte sie sogar mehrfach die Geschwindigkeitsreduzierungen gerade in Wohngebieten begrüßt.
Gerster: Regelung aufheben, Schilder weg – oder Rücktritt
Tatsächlich hatte das rheinland-pfälzische Verkehrsministerium im Herbst 2020 auf Mainz&-Anfrage mitgeteilt, Mainz könne auf Basis des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Tempo 30 als Maßnahme zur Luftreinhaltung einführen – das gelte mit Inkrafttreten des neuen Luftreinhalteplans. Die CDU hatte aber schon damals bezweifelt, dass diese Regelung in diesem Fall greifen könne denn derselbe Paragraph, auf den sich das Verkehrsministerium berufe, schließe unter Punkt 1c Hauptverkehrsstraßen ausdrücklich von einer Tempo 30-Regel aus.
Gerster ist zudem nicht der einzige, der die Tempo 30-Regelung auf den Hauptverkehrsachsen für rechtswidrig hält. Auch der FDP-OB-Kandidat Marc Engelmann, ein ausgewiesener Experte für Verkehrsrecht, hatte im Februar 2023 die Tempo 30-Regelung als rechtswidrig kritisiert. Er halte eine Rechtsprüfung der Tempo 30-Schilder auf Kaiserstraße und Rheinschiene „für dringend geboten“, sagte Engelmann damals im Mainz&-Interview – und verwies zudem darauf: Der Treibhausgasausstoß sei tatsächlich bei Tempo 30 höher als bei Tempo 50.
Nun sieht sich die CDU bestätigt, Gerster forderte Dezernentin Steinkrüger auf, „das ausgeschilderte Tempolimit unverzüglich zu beenden und die entsprechenden Schilder abzubauen.“ Es sei auch „nicht auszuschließen, dass sämtliche seit dem 01.07.2021 verhängten Strafzettel unzulässig gewesen seien“, sagte Gerster weiter, und schimpfte – ganz im Wahlkampf-Modus: „Wieder einmal versuchen – wie bei den illegal angebrachten Piktogrammen – die beiden grünen Verkehrsdezernentinnen Eder und Steinkrüger hier ein besondere Mainzer Landrecht ohne jegliche Rechtsgrundlage einzuführen.“ Da bleibe aus Sicht der Opposition „nur die Option: Schilder weg oder Rücktritt.“
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zur Frage der Rechtswidrigkeit von Tempo 30 auf Mainzer Hauptverkehrsachsen lest Ihr hier auf Mainz&. Mehr zum Streit um die Fahrrad-Piktogramme lest Ihr hier bei Mainz&.