Er ist der wohl berühmteste Maler des Jugendstils, seine „Frau in Gold“ gehört mit einem Erlös von 135 Millionen Dollar zu den teuersten Gemälden der Welt: Gustav Klimt. Der Österreicher war ein Revolutionär seiner Zeit, ein Vordenker, vor allem aber faszinieren seine Werke bis heute mit unglaublicher Farbenpracht – allen voran die goldene Serie. Aus dieser stammt auch „Der Kuss“, Klimts berühmtestes Werk, und nach diesem ist eine Multimedia-Ausstellung benannt, die jetzt in der Alten Lokhalle in Mainz zu sehen ist. Höhepunkt ist dabei eine immersive Show, die den Besucher tief in Klimts Farbenwelt und Leben wirft: Wieviel ist davon Kunst, was nur Show?

Eintauchen in die Kunst: Bei "Klimts Kuss" werden die Zuschauer zu Schatten in der Kunstshow. - Foto: gik
Eintauchen in die Kunst: Bei „Klimts Kuss“ werden die Zuschauer zu Schatten in der Kunstshow. – Foto: gik

Der Anfang führt durch hängende Banner in Gold, Weiß und Dunkelbraun, einige Farbtafeln handeln danach das Leben und Werden des Maler Gustav Klimt ab. Danach folgt ein Raum mit Spiegeln und viel goldenem Flitter, dessen Bedeutung sich dem Zuschauer nicht recht erschließt – um den Kubus herum irrt man ein wenig verloren durch dunkle Räume. Nein, „Klimts Kuss“ ist wahrlich nicht das, was man sich klassischerweise unter einer Ausstellung zum Thema Malerei vorstellen würde.

In der Alten Lokhalle in Mainz ist ein abgedunkeltes Areal entstanden, über große Projektionswände flimmern Zitate, auch ein Selfie-Spot darf nicht fehlen. Nur: Gemälde sucht man hier vergebens. „Klimts Kuss – Spiel mit dem Feuer“ heißt die Multimedia-Show, die von der Münchner Firma „Alegria Exhibition“ entwickelt wurde, und die setzt komplett auf virtuelle Welten. Immersive Ausstellungen sind der große Trend derzeit, Salvador Dali, Frieda Kahlo oder Monet – kein Künstler entkam zuletzt den Ausstellungsmachern.

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„Immersiv“ als hip: Eintauchen in Kunst statt nur davor zu stehen

Das Prinzip: Der Besucher steht nicht analog vor einem Gemälde und wandert zum nächsten – er sitzt mitten in einer Projektionswelt, umgeben von Farben und Formen des Künstlers. So ist es auch bei „Klimts Kuss“: In einem großen Raum von 13 mal 20 Metern Größe, umgeben von meterhohen Projektionswänden, entfaltet sich eine wahre Zauberwelt: wirbelnde Formen tanzen durch den Raum, Farbe umgibt den Zuschauer, tanzt über Boden und Wände. Frauenköpfe blicken von den Wänden herab, nah, seltsam eindringlich, seltsam lebendig. Und „Nuda Veritas“ liegt einem zu Füßen.

Klimts "Nuda Veritas" an den Wänden, und als herumwirbelnde Heldin auf dem Fußboden. - Foto: gik
Klimts „Nuda Veritas“ an den Wänden, und als herumwirbelnde Heldin auf dem Fußboden. – Foto: gik

„Ist das noch Kunst, oder Spektakel“, fragte im Februar 2024 eine Redakteurin des WDR, der NDR unkte gar, ob das „Kunst oder Kitsch“ sei  – die Wahrheit liegt womöglich in der Antwort: Es ist beides – Kunst und Spektakel zugleich. In Sekundenschnelle versinkt die schnöde Umgebung des kahlen Raumes in der Lokhalle, wird der Besucher tief hineingeworfen in eine Welt von Farben und Formen. Der Zuschauer sitzt auf niedrigen Hockern, und er sitzt mitten in den Gemälden anstatt davor.

Mit 26 Laserprojektoren, werden die Bilder und Filmsequenzen auf die Wände und den Boden projiziert, das Ergebnis: atemberaubend. Es ist die Zauberwelt digitaler Möglichkeiten, die modernste Technik heutzutage eben bietet, eine Entführung in eine virtuelle Welt, die zugleich eine Zeitreise ist. Stimmen aus dem Off erzählen dazu die Geschichte: Vom Klimts Werden als Maler, von seinem Streben nach Schönheit, von seiner kompromisslosen Haltung in der Kunst, die zu Skandalen und Eklats führt.

Historismus, Beethoven-Fries und Skandal der Fakultätsbilder

Da ist die Historismus-Phase und der Beethoven-Fries, da wird der Eklat um die Fakultätsbilder beleuchtet, und Klimts Flucht in die Natur des Attersees. Seine Revolution, Frauen nicht einfach nur als nackt zu zeigen, sondern in allen Stadien der Lust, wird hier zur Darstellung der Nacktheit als Offenbarung – und als Provokation. Das erlaubt Einblicke in die Zeit des Fin de Siècle, jene Jahrhundertwende, deren zunehmend dekadente Geisteshaltung im Einklang mit einer End-Viktorianischen Verkrustung eine wahre Lust zum Untergang inspirierte, die am Ende im Ersten Weltkrieg mündete.

Klimts Frauenportraits in Großaufnahmen und farblicher Brillanz: Eindrucksvolle Nähe. - Foto: gik
Klimts Frauenportraits in Großaufnahmen und farblicher Brillanz: Eindrucksvolle Nähe. – Foto: gik

Es sind denn auch genau Klimts Frauen, die einen besonders intensiven Eindruck in all den wirbelnden Bildern hinterlassen. Der Österreicher, der nie verheiratet war, aber sieben Kinder zeugte, malte Frauen mit einer Intensität und Nähe, wie wohl kein anderer zuvor und nach ihm. Nun blicken sie in großformatigen Aufnahmen von den Wänden, nicht nur als Gemälde, sondern nahbar, gleichsam lebendig. Dazu berichtet Emilie Dröge, eine österreichische Designerin und Modeschöpferin, die als Klimts Lebensgefährtin galt, von dem Leben mit dem Maler, das ist durchaus gut gemacht und passt gut zu dem Eintauchen in Klimts Farben und Werke.

Die Kombination aus visuellen und akustischen Elementen ist Teil des Konzeptes, so könne der Besucher „mit allen Sinnen“ in die Kunstwelt des Malers eintauchen, betonen die Macher der Show: „Mithilfe fortschrittlicher digitaler Technologien werden Klimts Werke zum Leben erweckt, wodurch die Besucher nicht nur Beobachter, sondern Teil der Kunst selbst werden.“ das rege nicht nur zum Staunen, „sondern auch zur Reflexion über die Darstellung von Frauen in der Kunst und die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft“ an, heißt es weiter.

Klimts Portraits der Schönheit der Frauen und ihrer Erotik

Doch das funktioniert nur auf einem recht oberflächlichen Level: Angesichts der wirbelnden Formen und prächtigen Farbenwelt geraten die Inhalte nämlich zum angenehmen Hintergrund, wirklich haften bleibt wenig – die Show vermittelt mehr Gefühl als Wissen. Wer nichts über den Maler im Vorfeld wusste, wird ziemlich allein gelassen: Einen Flyer zum Nachlesen der Eckdaten oder von Klimts Leben gibt es nicht. Ein kleiner Shop in der Eingangshalle bietet die üblichen Tassen, Karten und Notizbücher mit Klimt.

Das berühmte Bild der "Judith I." steigt in Großaufnahme an der Wand empor, ein Sinnbild der erotischen Lust, die Klimt so meisterhaft auf die Leinwand bannte. - Foto: gik
Das berühmte Bild der „Judith I.“ steigt in Großaufnahme an der Wand empor, ein Sinnbild der erotischen Lust, die Klimt so meisterhaft auf die Leinwand bannte. – Foto: gik

„Ich habe Klimt immer als einen wahnsinnig interessanten und imposanten Maler empfunden“, sagt Produzent Nepomuk Schessl im Gespräch mit Mainz&. Seine Firma „Alegria Exhibition GmbH“ hat schon Frieda Kahlo, Vermeer oder Monets Garten in immersive Ausstellungs-Shows verwandelt, „Klimts Kuss“ hatte im Januar 2023 in Berlin Premiere, Mainz ist nun die fünfte Station.

Er habe selbst zehn Jahre lang im Rheingau und in Wiesbaden gewohnt, verriet Schessl unserer Zeitung, er komme aus einer sehr kunstaffinen Familie – und gerade Klimts Landschaftsbilder vom Attersee begleiteten ihn schon seit Langem. Klimts Farben, sein strahlendes Gold, aber auch die Vielfalt des Malers, all das fasziniere ihn, und auch, dass sich Klimt „auf die Schönheit der Frauen, aber auch auf die Hässlichkeit der Gesellschaft konzentriert“ habe.

„Immersiv heißt vor allem: Eintauchen, Abtauchen in ein Thema“

„Klimt hat in seiner Zeit mit wahnsinnig vielen Tabus gebrochen: Er hat die ganze Kunstwelt gegen den Strich gebürstet und eine ganz besondere, eigene Formensprache entwickelt“, betonte Schessl das sei „Wert, erzählt zu werden.“ Ein Jahr lang dauerte die Entwicklung der Multimedia-Reise, samt Drehbuch, Synchronschauspielern und wissenschaftlichem Beirat. „Immersiv heißt vor allem: Eintauchen, Abtauchen in ein Thema“, sagt Schessl: „Die Herausforderung ist heutzutage, die Aufmerksamkeit der Menschen zu halten“, das könne man mit einer solchen Show erreichen.

Klimts berühmte Frauenportraits bis zur "Dame in Gold" spielen eine Hauptrolle bei "Klimts Kuss". - Foto: gik
Klimts berühmte Frauenportraits bis zur „Dame in Gold“ spielen eine Hauptrolle bei „Klimts Kuss“. – Foto: gik

Denn zeitgemäß sei die Beschäftigung mit Klimt in jedem Fall: „Wir setzen uns ja heute wieder mit seinen Inhalten auseinander, wie die Rolle der Frau in der Gesellschaft“, sagte Schessl. Auch heute werde „wieder diskutiert, wie darf eine Frau sich in welcher Rolle, in welcher Position verhalten, das ist eigentlich genau so relevant wie damals.“

45 Minuten dauert die Multimedia-Show, die mit Klimts plötzlichem Tod im Alter von nur 55 Jahren endet, Höhepunkt ist natürlich das berühmte Gemälde „Der Kuss“. Ein wenig berauscht und benommen stolpert der Besucher danach in die schnöde Realität der kahlen Eingangshalle zurück – für den Besuch sollte man mindestens eine Stunde einplanen. Gut dabei: Die Öffnungszeiten gehen an den meisten Tagen bis 21.00 Uhr.

Info& auf Mainz&: Die immersive Show „Klimts Kuss – Spiel mit dem Feuer“ ist noch bis zum 29. März 2024 in der Alten Lokhalle in Mainz zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10.00 – 21.00 Uhr, Samstag und Sonntag 09.00 – 21.00 Uhr. Karten kosten 22,- Euro für Erwachsene unter der Woche und 26,- Euro am Wochenende, Studenten zahlen 19,- bzw. 21,- Euro, Kinder ab 6 Jahren und Jugendliche immer noch 17,- bzw, 19,- Euro.  Es gibt Familientickets und Sonderkonditionen für Schulklassen. Tickets kann man vor Ort kaufen, Vorrang haben aber Online-Buchungen, alles dazu findet Ihr hier im Internet. UN dien kleines Video aus der Show haben wir hier auf Facebook für Euch.