Ab Januar 2025 gelten neue Grundsteuersätze, und schon mit dem aktuellen Hebesatz in Mainz wird sich die Grundsteuer B für Hausbesitzer und Wohnungsmieter deutlich verteuern. Zusätzlich will die Stadt Mainz nun aber den Hebesatz bei der Grundsteuer sogar noch weiter anheben: Auf stolze 600 Prozent. Dabei müsste der Satz eigentlich sinken, um die versprochene „Aufkommensneutralität“ zu erreichen. Das sorgt für scharfe Kritik – und nun sogar für eine Petition, die binnen kürzester Zeit bereits 500 Unterschriften sammelte. Kommende Woche ist der neue Haushalt Thema im Stadtrat – Anhebung inklusive.
Im Oktober 2024 war durch Anfragen im Mainzer Stadtrat bekannt geworden, dass die Neuordnung der Grundsteuer zum Januar 2025 bei der Stadt Mainz zu erheblichen Mehreinnahmen in Höhe von rund 8 Millionen Euro führen wird – bei gleichbleibendem Hebesatz. Das aber widerspricht der klaren Absicht des Bundesgesetzgebers, nach dem die Neuordnung der Grundsteuer „aufkommensneutral“ sein sollte: Die Gemeinden sollten durch die Neuordnung nicht weniger einnehmen als zuvor – aber eben auch nicht mehr. Gerade Letzteres war ein ehernes Versprechen der Ampel-Koalition in Berlin.
Mainz müsste eigentlich seinen Hebesatz von derzeit 480 Prozent senken, um das Ziel der „Aufkommensneutralität“ zu erreichen – und zwar nach Berechnungen des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums auf einen Hebesatz von 403 Prozent. Das entsprechende Dokument mit Berechnungen für alle kommunen in Rheinland-Pfalz veröffentlichte das Mainzer Finanzministerium Ende Oktober hier im Internet. Schon jetzt gehört Rheinland-Pfalz nach offiziellen Studien zu den teuersten Gegenden in Sachen Grundsteuer, die eine der wenigen Einnahmequellen für die oft hoch verschuldeten Kommunen ist.
Grundsteueranhebung: „Massiver Wortbruch“, kritisiert BdSt
Im Oktober-Stadtrat gab Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) aber zusätzlich bekannt: Die Grundsteuer B solle auf einen Hebesatz von 600 Prozent angehoben werden, um das neuerliche Haushaltdefizit ausgleichen zu helfen – Mainz& hatte damals als erstes Medium darüber berichtet. Sogar nach Berechnungen der Finanzverwaltung selbst würden die Einnahmen bei der Grundsteuer B damit 2025 auf 62,453 Millionen Euro und für 2026 auf 63,265 Millionen Euro steigen – das sind satte 20 Millionen Euro mehr als bisher. Beck teilte zudem mit: Vorschläge zur Umsetzung der Aufkommensneutralität werde er keine unterbreiten.
Die geplante Anhebung auf 600 Prozent wirft seither hohe Wellen: „Was die Mainzer Verwaltung aktuell bei der Grundsteuer B plant, wäre ein massiver Wortbruch“, reagierte René Quante, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler auf den Mainz&-Bericht. Mainz müsse eigentlich den bestehenden Hebesatz von 480 Prozentpunkten senken, stattdessen plane man eine Steigerung um fast 50 Prozent“, schimpfte Quante: „Mit Verhältnismäßigkeit hat das nichts zu tun.“
Quante forderte den Stadtrat in Mainz explizit auf, „die massive Grundsteuererhöhung“ zulasten der Bürger zu verhindern. „Gerade die Vertreter von SPD und Grünen sollten sich daran erinnern, dass sie den Bürgern eine aufkommensneutrale Reform versprochen hatten – nachzulesen im letzten Koalitionsvertrag“, kritisiert Quante. Aber auch die Vertreter der CDU hätten sich in Vergangenheit wiederholt für eine aufkommensneutrale Reform ausgesprochen. „Jetzt können Grüne, CDU und SPD den Bürgern zeigen, was ihre politischen Versprechen in Mainz wert sind“, fügte er hinzu.
Petition fordert: Keine Anhebung der Grundsteuer auf 600%
Im neuen Koalitionsvertrag für die Kenia-Koalition, der am Montag unterzeichnet werden soll, wird indes das Thema Grundsteuer mit keinem Wort erwähnt. Derweil fordert eine von Mainzer gestartete Petition auf der Plattform „Openpetition“, eine Anhebung der Grundsteuer auf 600 Prozent zu verzichten. Die Anhebung sei „ein massiver Wortbruch“ des Versprechens der Aufkommensneutralität und werde „das Wohnen für fast alle verteuern, auch für die Mieter, denn die Grundsteuer wird auf die Mieten umgelegt“, heißt es zur Begründung. Adressat ist der Mainzer Stadtrat, bis Freitagmittag hatten bereits 511 Personen die Petition unterzeichnet.
Auch beim Hausbesitzerverband „Haus und Grund“ zeigt man sich entsetzt von den Plänen und lehnt die Anhebung „in diesem Umfang entschieden ab“, wie die Geschäftsstelle als Reaktion auf den Mainz&-Bericht mitteilte. „Damit wird auf Kosten von Eigentümern und Mieter das Wohnen in Mainz erneut massiv verteuert“, kritisierte Verbandsdirektor Ralf Schönfeld. Besonders bedauerlich sei dabei, dass durch solche Maßnahmen die Wohnkosten weiter stiegen – und dann die Hausbesitzer „gleich wieder in die emotionale Ecke des ‚raffgierigen Vermieters‘ gesteckt werden“ – obwohl man für die Anhebung gar nichts könne.
Themen wie die aktuelle Diskussion um die Grundsteuer in Mainz „belegen vielmehr zum wiederholten Mal, dass die Wohnnebenkosten viel stärker steigen als die Netto-Kaltmieten, deren Erhöhungen im Durchschnitt oft noch unter der Inflationsrate bleiben“, betonte Schönfeld. In Mainz wolle die Stadt offenbar „die bestehenden Haushaltsprobleme lieber über den bequemen Weg der Steuererhöhungen lösen, statt auch die Ausgabenseite kritischer zu hinterfragen und mögliche Einsparungen vorzunehmen“, kritisierte er.
Jetzt doch unterschiedliche Sätze für Wohnen und Gewerbe
Tatsächlich zeigen die neuen Steuerbescheide sowie Berechnungen von Experten, dass die neue Grundsteuer die Belastungen für Hausbesitzer meist um das Dreifache erhöhen, in Mainz sind sogar Fälle von 17-fachen Steigerungen bekannt. Grund sind die in den vergangenen Jahrzehnten massiv gestiegenen Bodenrichtwerte in der Landeshauptstadt, die als Grundlage der Steuer-Neuberechnung dienen, und dann mit dem Hebesatz multipliziert werden. Beim Städtetag Rheinland-Pfalz heißt es denn auch, mit der Reform werde sich „die Grundsteuerbelastung für die Wohnimmobilien erheblich verteuern, teilweise um deutlich mehr als 50 Prozent.“
„Haus und Grund“, der Bund der Steuerzahler sowie die CDU-Opposition im Land hatten deshalb seit Monaten das Land Rheinland-Pfalz aufgefordert, wenigstens ein bisschen Abhilfe bei der drohenden Preisspirale zu schaffen – und unterschiedliche Steuersätze für Gewerbe- und für Wohnimmobilien zu ermöglichen. Denn während die Steuern für Wohnimmobilien deutlich steigen, sollen sie für Gewerbeimmobilien gleichzeitig zum Teil deutlich sinken. Am Mittwoch, gut einen Monat vor Start der neuen Reform reagierte nun die Ampel-Koalition in Mainz, und legte einen Gesetzesentwurf für gesplittete Steuersätze vor.
Demnach sollen Kommunen künftig beim Hebesatz der Grundsteuer B eigene Hebesätze für die drei Kategorien Wohngrundstücke, Nichtwohngrundstücke und unbebaute Grundstücke festlegen können. Man reagiere damit „auf die Rückmeldungen aus vielen Gesprächen rund um die bundesweite Grundsteuerreform“ und stärke den Entscheidungsspielraum der Kommunen, betonten SPD, Grüne und FDP im Mainzer Landtag. Im Zuge der Reform habe sich „gezeigt, dass es bei der Grundsteuer B in manchen Kommunen eine Belastungsverschiebung von gewerblich genutzten Grundstücken hin zu Wohngrundstücken geben kann“, hieß es zur Begründung weiter.
Städtebund fordert weiter Anpassung der Messzahlen vom Land
„Bisher hat die Landesregierung bei dem Thema auf stur geschaltet und eine Lastenverschiebung zum Nachteil von Mietern sowie Eigentümern von Wohnraum in Kauf genommen“, reagierte darauf der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Christof Reichert – nun sei „der Druck offenbar zu groß geworden.“ Das Gesetz komme viel zu spät, bis es verabschiedet sei, hätten die meisten Städte und Gemeinden bereits ihren Haushalt und die Hebesätze für 2025 beschlossen, kritisierte die AfD: „Eine aufkommensneutrale Reform ist wegen des verspäteten Ampel-Zeitplans vielerorts passé.“
Auch beim Gemeinde- und Städtebund klagte man, das geplante Vorhaben komme viel zu spät, schaffe zusätzliche Rechtsunsicherheiten und sei bis zum Januar überhaupt nicht mehr umzusetzen. „Die Landtagsfraktionen wollen nun den schwarzen Peter an die Gemeinden und Städte geben, man gibt uns Steine statt Brot“, kritisierte Moritz Petry vom Gemeinde- und Städtebund. Das sei „ein Bürokratieaufbau ohne Gleichen“ und schaffe neue Unklarheiten, etwa wenn Grundstücke für Gewerbe- und Wohnzwecke gemischt genutzt würden. „Wir fordern das Land auf, die Belastungsverschiebung zulasten des Wohnens durch eine Anpassung der Messzahlen zu entschärfen“, forderte Petry weiter.
Für die Kommunen bedeute der vorliegende Gesetzesentwurf „eine erhebliche zusätzliche Belastung“, das Problem werde „den Kommunen aufgebürdet, ohne wirkliche Lösungsansätze zu bieten“, kritisierte auch Michael Mätzig, der Geschäftsführende Direktor des Städtetags Rheinland-Pfalz, und ergänzte mit Blick auf das SPD-Geführte Mainzer Finanzministerium: „Für den Städtetag Rheinland-Pfalz ist und bleibt die Haltung des Finanzministeriums zum Thema Grundsteuerreform unverständlich. Der Handlungsbedarf war seit langem klar. Es hat nicht an Zeit gemangelt, um einen realistischen und rechtssicheren Lösungsansatz gemeinsam zu erarbeiten und abzustimmen.“
Freie Wähler: Haushaltsloch nicht auf Kosten der Bürger sanieren
Auch beim Städtetag fordert man eine Anpassung der Steuerhebesätze – das Land Rheinland-Pfalz hatte indes den sogenannten Nivellierungssatz bei der Grundsteuer B im September 2022 flugs noch um satte 100 Prozentpunkte auf 465 Prozent angehoben. Damit gilt diese Marke der Dienstaufsicht ADD als Mindestsatz für die Grundsteuer, denn sie immer dann einfordert, wenn ein kommunaler Haushalt im Minus ist.
Die Freien Wähler im Mainzer Stadtrat fordern nun: „Die im Stadtrat vertretenen Parteien sollten daher zu ihrem Wort stehen, dass sie den Mainzerinnen und Mainzern noch im Wahlkampf gegeben haben“ – nämlich das Versprechen der Aufkommensneutralität der Grundsteuer einzuhalten. Die Reform habe neue Ungerechtigkeiten geschaffen, das könne der Stadtrat nicht heilen. „Aber es ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen, die mit der Reform verbundenen Mehrbelastungen in erträglichen Grenzen zu halten“, betonte der Finanzexperte der Freien Wähler, Mario Müller.
Es könne nicht das Ziel des Stadtrats sein, „mit dem ganz großen Schluck aus der Grundsteuerpulle der durch Bund und Land verursachten strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen entgegenzuwirken“, kritisierte Müller. Umso erstaunlicher sei nun aber, „dass der Stadtrat sich jetzt mit einem Haushaltsentwurf auseinanderzusetzen hat, der exakt auf dieser Basis erstellt wurde“ – offenbar enthält der Entwurf für den neuen Haushalt 2025 die geplante Anhebung auf 600 Prozent. Der Entwurf soll kommenden Mittwoch in den Stadtrat eingebracht werden und danach in den Gremien diskutiert. Die Stadtratssitzung wird im Livestream übertragen.
Info& auf Mainz&: Unseren ausführlichen Bericht zur Grundsteueranhebung in Mainz samt ersten Reaktionen lest Ihr hier auf Mainz&.