Vor genau einem Jahr fielen am frühen Morgen des 7. Oktober Terrorbanden der Hamas über die Grenze von Gaza nach Israel ein. Sie wüteten in 22 Orten im Grenzgebiet, überfielen das Supernova-Musikfestival, töteten mehr als 1200 Menschen teils bestialisch und verschleppten 250 Menschen als Geiseln nach Gaza. „Viele haben die Dimension des 7. Oktober bis heute nicht verstanden“, sagt nun zum Jahrestag des Terrorüberfalls der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker – und kritisiert „das laute Schweigen“ in Deutschland, Judenhass und Israelfeindlichkeit. Auch in Mainz fand am Sonntag eine grauenhafte Kundgebung für Opfer in Gaza statt – von Israel war dabei nicht die Rede.
Es war am frühen Morgen des 7. Oktobers 2023, als rund 3.000 Kämpfer der Terrororganisation Hamas die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel überwinden, und in Israel einfallen. In mehr als 20 Kibbuzim dringen die Terroristen ein, und sie ermorden jeden, den sie finden können. Frauen und Männer werden in ihren Betten erschossen, Babies geköpft, Frauen vergewaltigt. Die Terroristen richten unvorstellbare Massaker an, foltern ihre Opfer, schneiden Babies bei lebendigem Leibe Gliedmassen ab, verbrennen sie, noch in ihren Schlafanzügen.
Die bestialischen Taten sind bestens dokumentiert: Die Angreifer selbst filmen sich mit Kameras, befestigt an ihren Uniformen. Sie stellen die Aufnahmen auf Social Media, deutlich sichtbar ist dabei, wie sie sich selbst feiern. Wie sie ihre Morde feiern. In vielen der Kibbuzim lebten Menschen, die sich für die Rechte der palästinensischen Bevölkerung in Gaza einsetzten, den Terrorbanden ist das egal. Einer der Hamas-Terroristen telefoniert mit seiner Familie in Gaza und berichtet voller Stolz, dass er bereits zehn Juden getötet hat. Die Familie in Gaza bricht in Jubel aus und feiert ihn: „Mein Sohn ist ein Held“, weint die Mutter. Es ist ein Freudentag für die Familie in Gaza – denn ihr Sohn hat „Jahudis“ getötet.
Bestialische Morde, Foltern Verschleppungen: der 7. Oktober
Der gebürtige Mainzer Journalist Tobias Huch hat diese Szenen berichtet, Huch war im September 2023 Teil jener Journalistengruppe, denen die israelische Armee Originalvideos der Hamas-Terroristen vorführte – ungeschönt, in aller Grauenhaftigkeit. Darunter waren auch Filmaufnahmen des Supernova-Musikfestivals, auf dem Hunderte junger Menschen friedlich und fröhlich feierten – bis die Terrorgruppen der Hamas das Festival stürmten. Huch berichtet, wie die Videos zeigen, wie sich Menschen in Panik verstecken, Jugendliche erschossen werden, junge Frauen vergewaltigt, Menschen lebendig verbrannt werden. Und wie Menschen auf den Straßen von Gaza die Rückkehr der Kämpfer jubelnd feiern.
„Bis heute haben viele die Dimension des 7. Oktober nicht verstanden“, sagt nun der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker zum Jahrestag des Terrorüberfalls der Hamas auf friedliche israelische Bürger. Und Becker stellt klar: „Es war der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah. Dies war ein genozidales Infernal, das von der vollständigen Auslöschung jüdischen Lebens getrieben war, so wie es die Hamas in ihrer Charta 1988 bereits formuliert hat.“
Tatsächlich gilt das Massaker vom 7. Oktober heute als das größte Pogrom gegen jüdisches Leben seit dem Holocaust, und es erschütterte Menschen, aber vor allem Juden in aller Welt bis ins Mark. Denn der „sichere Hafen“, als der der Staat Israel bis zu diesem Zeitpunkt galt, diese Schutzfunktion wurde an jenem 7. Oktober erschüttert, viele Juden re-traumatisiert: „Die Traumata von Holocaust-Überlebenden wurden mit neuen Bildern in die Gegenwart geführt“, sagt Becker.
Becker: „Ein ganzes Land wurde in Geiselhaft genommen“
Nun habe die Enkelgeneration jener Holocaust-Überlebender und Ermordeter „erleben, anhören und sehen müssen, wie sich Jüdinnen und Juden vor der eigenen Ermordung verstecken mussten“, sagt Becker – und das nicht in Geschichten und Büchern über Nazi-Deutschland, sondern in der Realität. Live. In Farbe. Im eigenen Land. „Über die Geiseln hinaus wurde ein ganzes Land in Geiselhaft genommen, in einen 7. Oktober hinein, der für viele bis heute nicht zu Ende ist“, erinnert Becker.
Denn bis heute sind knapp 100 Geiseln noch immer in den Händen der Hamas, entführt und gefoltert in dem Bestreben, den Staat Israel in die Knie zu zwingen, von Vergeltungsmaßnahmen abzuhalten. Es funktionierte nicht: Israel antwortete mit einem beispiellosen Angriff auf die Stellungen der Hamas in Gaza. Ein Jahr später werden aus Gaza mehr als 42.000 Tote und mehr als 96.000 Verletzte gemeldet, ein Großteil des Landstrichs liegt in Trümmern, 1,9 Millionen Menschen sind innerhalb des Gazastreifens auf der Flucht.
Das Problem dabei: Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen – sie stammen von derselben Hamas, die den Terrorüberfall auf Israel durchführte. Die Terrororganisation hat den Gazastreifen fest im Griff, und sie hat jedes Interesse daran, der Welt weinende Kinder und verzweifelte Frauen in Trümmerwüsten zu zeigen. Ob dieselben Frauen ihre Söhne für bestialische Morde an Juden feierten, verraten die Bilder nicht. Seit einem Jahr wird die Weltbevölkerung mit Horrorbildern der verzweifelten Bevölkerung aus Gaza bombardiert – die Bilder vom Terrorüberfall der Hamas bekam sie nicht zu Gesicht.
Täter-Opfer-Umkehr: Bedrohung Israels wird weggewischt
Dass die Hamas ihre eigene Bevölkerung als Schutzschilde missbraucht, dass sie Kommandozentralen und Waffenlager unter Schulen und Krankhäusern einrichtete – es geht in der Berichterstattung der westlichen Medien meistens unter. Hängen bleibt in den meisten Fällen stattdessen: Böse Israelis legen Gazastreifen in Schutt und Asche, arme Palästinenser leiden. Dass Israel die Zivilbevölkerung vorher mit Flugblättern warnt, Fluchtkorridore einrichtet, Hilfslieferungen nach Gaza schickt, geht meist ebenfalls unter. Die Toten des 7. Oktober bekamen keine Warnungen, sie hatten keine Chance.
Israel habe nur zwei Möglichkeiten nach dem Überfall auf seine Bevölkerung gehabt, schrieb gerade ein Nahostexperte zum Jahrestag: Entweder nichts zu tun, und als „weich“ dazustehen – oder mit aller Härte zurückzuschlagen, und zu versuchen, die Hamas zu zerschlagen. Das Problem dabei: „Weich“ zu erscheinen, sich nicht zu wehren, wäre das Todesurteil für den Staat Israel, der umgeben ist von arabischen Staaten, die explizit seine Auslöschung wollen – allen voran der Iran.
„Israel kämpft gegen Bedrohungen aus zehn verschiedenen Richtungen, und für Israel ist es ein Kampf um das Überleben – ein Kampf um die Existenz des jüdischen Lebens in Israel“, schreibt der Islamwissenschaftler und Terrorexperte Ahmad Mansour auf X: „Und keine Frage: Ja, Israel macht Fehler. (…) Aber eines darf man nicht vergessen: Terroristen und Raketen machen keinen Unterschied zwischen linken oder rechten Israelis, zwischen Juden und Arabern. Vor allem aber haben die Menschen in Israel verstanden: Wenn es hart auf hart kommt, stehen nur wenige wirklich an der Seite Israels.“
Golda Meir: „Die Welt hasst jenen Juden, der zurückschlägt“
Selbstverständlich müsse man hinterfragen, wie Israel Krieg in Gaza und jetzt im Libanon gegen die Hisbollah führe, schreibt auch der deutsche Journalist und Ex-Israel-Korrespondent der ARD, Richard C. Schneider in seinen jetzigen Kolumnen für den Spiegel – Schneider ist selbst Jude, seine Vorfahren wurden in Auschwitz ermordet. Aber „was bedeutet es für einen Staat, wenn er in einer Region existiert, in der ein anderes Regime seine Auslöschung propagiert?“, schreibt Schneider, die Antwort sei klar: Ein Scheitern sei keine Option – Israel muss sich wehren, und zwar so, dass seine Nachbarn viel zu verlieren haben, wenn sie Israel angreifen.
Doch in demselben Maße, wie sich Israel gegen Hamas und Hisbollah wehrte, wandte sich die Weltgemeinschaft von Israel ab: In einer beispiellosen Täter-Opfer-Umkehr steht heute – „Dank“ massiver palästinensischer Propaganda – Israel als der böse Aggressor da, anstelle von Hamas, Hisbollah und ihrem Finanzier Iran. Richard C. Schneider zitiert dazu in einem seiner Artikel die legendäre israelische Ministerpräsidentin Golda Meir: „Die Welt hasst jenen Juden, der zurückschlägt. Die Welt liebt uns nur, wenn wir zu bemitleiden sind.“
In Deutschland hat seit dem 7. Oktober 2023 Judenhass und Antisemitismus so schlagartig zugenommen, wie sich viele das nie hätten vorstellen können. Tausende demonstrieren auf deutschen Straße für „die Solidarität mit Palästina“ – und skandieren dabei Parolen, die die Auslöschung Israels fordern. Von den Opfern des Terrorüberfalls der Hamas ist dabei praktisch nie die Rede, stattdessen wird von einem „Genozid“ Israels in Gaza geredet, den es faktisch nicht gibt. Denn laut der Vereinten Nationen liegt dann ein Völkermord vor, wenn die Absicht besteht, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.
„Ungebremstes Anschwellen von Judenhass und Israelfeindlichkeit“
Israels Absicht in Gaza zielt jedoch eben gerade nicht auf die Vernichtung des palästinensischen Volkes, sondern lediglich auf das Ausschalten der Hamas. Prägendes Element sei dabei „vor allem der Vernichtungswille, was man der israelischen Führung bislang allerdings kaum nachweisen könne“, zitiert ZDF Heute Daniel-Erasmus Khan, Professor für Völkerrecht von der Universität der Bundeswehr München. Auch wenn Israel also Kriegsverbrechen in Gaza begehen sollte – und dafür gibt es gute Argumente – ein „Völkermord“ hat eine völlig andere Dimension und kehrt erneut die Täter-Opfer-Dimension im Nahen Osten auf den Kopf.
Das Ziel ist genau dies: Israel zu brandmarken, seinen Rückhalt in der westlichen Welt auszuhöhlen, den Staat der Juden zu isolieren – und das gelang in herausragender Weise: „Ein weiterer Schmerz hält seit dem 7. Oktober ebenso an“, schreibt Uwe Becker: „Jener, über die mangelnde Solidarität der Weltgemeinschaft, der Gesellschaft mit Israel wie mit jüdischem Leben überhaupt. Das laute Schweigen so vieler Institutionen und Personen und gleichzeitig das nahezu ungebremste Anschwellen von Judenhass und Israelfeindlichkeit.“
Denn „die fehlende Empathie für jüdisches Leben und für Israel wirkt wie ein zusätzlicher Tritt gegen die so gequälten Körper der Opfer des 7. Oktober“, beschreibt Becker die Folgen: „Die Gesellschaft hat gegenüber ihren jüdischen Nachbarn, wie auch gegenüber Israel, bis heute versagt.“ Tatsächlich sind in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 antisemitische Straftaten explodiert, auch in Rheinland-Pfalz verdreifachte sich ihre Zahl binnen eines Jahres. Überfälle auf Juden und jüdische Einrichtungen mehren sich, jüdische Menschen in Deutschland fühlen nicht mehr sicher und denken über Flucht aus Deutschland nach – 80 Jahre nach dem Holocaust.
Deutsches „Nie wieder“ nur noch hohle Phrase?
Der deutsche Slogan des „Nie wieder“ sei nur noch eine hohle Phrase, schreiben Juden in Deutschland auf der Plattform X – völlig desillusioniert von einem Ausmaß an Judenhass und antisemitischen Äußerungen, die sie sich niemals hätten vorstellen können. „Die Welt schaut weitestgehend teilnahmslos zu, wie aus Wellen des Antisemitismus ein wahrer Tsunami des Judenhasses, gerade des israelbezogenen Antisemitismus, geworden ist“, klagt Becker. Juden würden „bedroht, angegriffen und haben Angst. Auch hier bei uns in Deutschland.“
„Es war das Öffnen der Büchse der Pandora“, schreibt heute eine Kommentatorin auf X: „Fast zeitgleich ließen Judenhasser weltweit ihre scheinmoralischen Masken fallen.“ Und ausgerechnet dort, „wo der israelbezogene Antisemitismus schon zuvor salonfähig geworden war, in Wissenschaft, Kultur und Kunst, werden öffentliche Sympathiebekundung eher gegenüber Palästinensern als gegenüber Israel formuliert“, klagt Becker. Tatsächlich kam es an zahlreichen deutschen Hochschulen zu pro-palästinensischen Kundgebungen, denen eines eklatant fehlte: Jegliche Solidarität mit den Opfern des 7. Oktober in Israel. Auch an der Universität Mainz war das der Fall.
„Wir alle sind dazu verpflichtet, Antisemitismus, egal von welcher Seite, zu bekämpfen und Sorge dafür zu tragen, dass Jüdinnen und Juden ihre Identität in unserem Land sicher leben können“, sagte nun die rheinland-pfälzische Beauftragte des Ministerpräsidenten für Jüdisches Leben und Antisemitismus, Monika Fuhr, und betonte: „Wer Antisemitismus wirklich entgegentreten will, darf jetzt nicht schweigen.“
Mahnwache für Gaza-Opfer vor dem Staatstheater Mainz
Und doch schweigt die große Mehrheit der Bevölkerung, durfte am Sonntag vor dem Staatstheater in Mainz unwidersprochen eine Mahnwache für Opfer in Gaza stattfinden, auf der von „ethnischen Säuberungen“ Israels in Gaza die Rede war. Auf der Mahnwache waren Dutzende blutiger Kissen gemeinsam mit Kinderschuhen und Stofftieren auf dem Gutenberg-Platz ausgelegt, gedacht wurde „den ermordeten Zivilisten“ in Gaza – die Opfer der Terrorattacke der Hamas in Israel kamen ebenso wenig vor, wie die Hunderte von Raketen, die die Hamas noch immer auf Israel abfeuert.
Wer die Mahnwache organisiert hatte, war nicht zu erkennen, zu ähnlichen Mahnwachen ruft aber ein Bündnis „Palästina Solidarität“ auf. „Viele Menschen in Europa haben ebenfalls nicht erkannt, welche Netzwerke hier im Hintergrund arbeiten“, schreibt Mansour: „Linksradikale Aktivisten und Islamisten haben sich verbündet, um jede Stimme, die Solidarität mit Israel zeigt, einzuschüchtern und zu diffamieren. Sie haben es geschafft, die Straßen Europas für sich zu beanspruchen, die Narrative zu verändern, die Öffentlichkeit zu manipulieren.“
Die Politik aber agiere noch immer naiv, hatte Mansour erst Anfang September in Mainz bei einem Vortrag kritisiert: Die Probleme des politischen Islam, des Antisemitismus unter arabisch stämmigen Menschen und dem islamistischen Extremismus seien viel zu lange ignoriert worden, die Politik habe keine Führungsstärke bewiesen – und jahrelang habe auch Deutschland „die Hamas mit deutschen Steuergeldern gefördert, Gelder, die man jetzt in Tunnelsystemen und Raketen wiederfinde“, sagte Mansour, und warnte: Die Demokratie drohe den Propagandakrieg der Hamas zu verlieren.
„Es fühlt sich an, als würde der 7. Oktober niemals enden“
Auch die rheinland-pfälzische Landesregierung bekundete an diesem Montag ihre Solidarität mit Israel und verurteilte den Angriff der Hamas als „brutalsten Terror und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Der 7. Oktober markiere „eine Zäsur“, die Landesregierung „verstärke weiter die ressortübergreifende Zusammenarbeit zur Stärkung jüdischen Lebens und im Kampf gegen Antisemitismus“, unterstrich Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD). Viele Juden in Deutschland fragen sich in diesen Tagen: Was sind solche Sätze Wert?
„Dieses Jahr war in jeder Hinsicht das schwerste meines Lebens“, sagt Mansour: „Es fühlt sich an, als würde es niemals enden. Ruhe habe ich seitdem nicht mehr gefunden. Dieser Tag, der 7. Oktober, ist für mich emotional nie wirklich zu Ende gegangen. Und innerlich lebe ich seither, wie fast jeder Israeli, in einem nie endenden Albtraum, gefangen zwischen Angst und Ohnmacht, stets auf der verzweifelten Suche nach einem Funken Hoffnung.…“
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zu Ahmad Mansour in Mainz findet Ihr hier bei Mainz&. Den ganzen Bericht von Tobias Huch zu dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 lest Ihr hier auf Mainz& – aber Vorsicht: der Inhalt ist schwer zu ertragen.