Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hat das Thema Wohnen für sich entdeckt: Der OB stellte nun zu  seinem 4-Jährigen Jubliläum im Amt – ein neues Konzept zum Thema bezahlbares Wohnen in Mainz vor. „Wir wollen den Menschen die Sicherheit geben, dass sie sich auch zukünftig Wohnraum leisten können“, betonte Ebling  – gelingen soll das mit Kreativität und der Bündelung von Maßnahmen. Neue Bauprojekte verkündete der OB dabei nicht. Die CDU kritisierte prompt, die Probleme in Mainz mit bezahlbarem Wohnraum seien hausgemacht – seit Jahren gebe es nur Sonntagsreden statt Handeln. Die ÖDP nannte Eblings Konzept gar „scheinheilig“.

Was es für Dachterrassen in Mainz gibt! - Foto: gik
Wohnen in Mainz – ein teures Vergnügen – Foto: gik

Tatsächlich sind gerade in den vergangenen vier Jahren die Mieten in Mainz geradezu explodiert: Siebtteuerste Stadt bundesweit ist Mainz, mindestens, die teuerste Stadt in Rheinland-Pfalz sowieso. Die Mieten bewegen sich zum Teil auf Höhe Frankfurts, und wenn Mietraum günstig ist, ist er oft alles andere als modern. Die „Ampel“-Koalition im Stadtrat aus SPD, Grünen und FDP kündigte deshalb bei Vorlage ihres Koalitionsvertrages 2014 eine Offensive in Sachen Bauen an: Die stadtnahe Wohnbau solle bis 2020 rund 1.100 neue Wohnungen schaffen, insgesamt sollten bis 2020 rund 6.500 neue Wohnungen entstehen, hieß es im Oktober 2014.

Passiert ist seither wenig: Die Stadt treibt vorwiegend die drei neuen Wohngebiete Zollhafen, Heilig-Kreuz-Areal und Peter-Jordan-Schule voran – geförderten Wohnraum für sozial Schwächere aber gibt es nur am Heilig-Kreuz-Areal.Auf dem Geländer der früheren Peter-Jordan-Schule entstehen Einfamilienhäuser, im Zollhafen bislang nur Luxuswohnen – große Bauprojekte für bezahlbaren Wohnraum: Fehlanzeige.

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Ebling: „Wir werden kreativ“

Mainz sei als Schwarm- und Universitätsstadt seit der Jahrtausendwende um rund 16.000 Menschen auf heute rund 214.000 Einwohner gewachsen, berichtete Ebling, das entspreche in etwa der Größenordnung des Stadtteils Hechtsheim. Die Menschen aber treibe nicht nur der Mangel an Wohnraum an sich um, sondern „das Defizit an Wohnraum, den man „sich auch leisten“ kann“, sagte Ebling weiter: „Wohnen ist zur sozialen Frage des 21. Jahrhunderts in unseren Städten geworden.“

Die Neustadt: Gewirr, ein Hochhaus und dahinter viele Schornsteine in Mombach - Foto: gik
Die Neustadt: Gewirr, ein Hochhaus und dahinter die Schornsteine von Mombach – Foto: gik

Die Stadt gehe diese Aufgabe aktiv an: „Wir wollen niemanden in unserer Stadt aufgrund derzeit steigender Mieten abhängen und zurücklassen“, unterstrich Ebling. Mit dem Konzept „Wohnen in Mainz“ solle den negativen Entwicklungen entgegen gesteuert werden: „Wir werden kreativ, tragen alle unsere Maßnahmen und Fördermöglichkeiten zusammen, bündeln sie gezielt und wollen sie konsequent zur Anwendung bringen.“

Zielmarke von 6.500 Wohnungen bis 2020 wird übertroffen

Als Zielmarke nannte Ebling erneut – wie schon 2014 – die Erhöhung des Wohnungsbestand bis zum Jahre 2020 um 6.500 Wohnungen. Diese Zielmarke werde „aller Voraussicht nach übertroffen“, ohne dass die Großprojekte Heiligkreuzviertel, Zollhafen oder weitere große Projekte wie östlich der Frankenhöhe „auch nur annähernd abgeschlossen sein werden“, verkündete Ebling nun. Zwischen 2011 und 2014 seien bereits 3.759 Wohneinheiten fertiggestellt worden – Ebling rechnet nun also mit dem Zeitraum ab 2011.

Die neuen Wohneinheiten seien zudem fast durchgängig durch Bauverdichtung erfolgt, also durch Lückenschließungen im Stadtbild. Das werde sich fortsetzen, hierfür sei „noch großes Potential vorhanden, das derzeit auch mit enormer Dynamik abgerufen wird“, sagte Ebling.

Preisgünstige Mieten für 1.000 Wohnungen – bestehende

Blick in die Leibnizstraße in der Mainzer Neustadt Richtung Josefsstraße - Foto: gik
Wer aber fördert die „ganz normalen“ Wohnungen zu günstigen Preisen wie hier in der Neustadt? – Foto: gik

Wie aber will die Stadt denn nun bezahlbares Wohnen fördern? Die Wohnbau werde noch in 2016 und 2017 bis zu 1.000 Wohnungen mit preisgünstigeren Mieten versehen, kündigte Ebling an. Hier wird also nicht neu gebaut, hier werden lediglich bestehenden Wohnungen als Sozialwohnungen umgewidmet oder erhalten. „In den meisten Fällen“ könnten die Mieter hiervon profitieren, wenn sie einen Wohnungsberechtigungsschein vorlegten, hieß es weiter – wer das nicht kann, muss offenbar ausziehen….

Die Stadt legt damit praktisch keine Lösung vor für die wachsende Zahl der Familien und Alleinstehenden in der Mittelschicht, die sich Mieten von 1.000 Euro warm im Monat einfach nicht leisten können, aber zu viel verdienen, um einen Wohnberechtigungsschein zu erhalten – also Zuschüsse vom Staat für Wohnen.

CDU: Probleme mit bezahlbarem Wohnen hausgemacht

Modell Dock1 Zollhafen - Foto gik
Luxuswohnungen und Luxusbüros – das entsteht gerade am Zollhafen – Foto: gik

In Neubaugebieten solle künftig mittels einer flexiblen Quotierung auch der Neubau von gefördertem Wohnraum sichergestellt werden, kündigte Ebling an „je nach Einzelfall“ zwischen 10 Prozent und 25 Prozent. Das aber hatte schon die Ampel-Koalition 2014 vereinbart – im Zollhafen etwa liegt dieser Anteil bei ganzen drei Prozent. Die CDU kritisierte deshalb scharf, die großen Probleme von Mainz beim Thema bezahlbares Wohnen seien „hausgemacht“. Beim Zollhafen habe die CDU etwa seinerzeit einen Anteil von 20 Prozent sozial gefördertem Wohnraum gefordert – „das ist aber am Widerstand der Ampel und dem Renditedenken der Stadtwerke gescheitert“, erinnerte CDU-Bauexperte Gerd Eckhardt.

„Die Schere geht in Mainz immer weiter auseinander, immer mehr Wohnungen fallen aus der Sozialbindung heraus“, warnte der CDU-Mann weiter. Dagegen explodiere die Zahl der berechtigten Familien ohne Chance auf eine sozial geförderte Wohnung – die bereits erreichte Marke von 5.000 Familien „sollte zum Handeln statt zu Sonntagsreden motivieren“. In den weiteren Baugebieten müsse ein ausgewogener Mix in der Bevölkerungsstruktur sichergestellt werde.

Stadt will Planungen zügig genehmigen

Ebling sagte nun, angesichts des sehr angespannten Wohnungsmarktes „drängt es sich geradezu auf, bei neuen Vorhaben in Zukunft nur noch den höchsten Anteil von 25 Prozent anzustreben.“ Genau dasselbe hatte die Ampel bei der Vorstellung ihres Koalitionsvertrages allerdings auch schon gesagt. Die Stadt will sich selbst verpflichten, Genehmigungs- und Planungsverfahren zügig durchzuführen eine Richtlinie zur Konzeptvergabe von städtischen Grundstücken einzuführen. Zugleich forderte Ebling mehr Unterstützung von Land und Bund für kommunale Wohnungsneubauprogramme, hier wäre „ein Programm in Milliardenhöhe über mehrere Jahre hinweg notwendig.“

Die Yachten am Winterhafen kommen in Fahrt - Foto: gik
Luxuswohnungen am Winterhafen – solche Bauprojekte gab es in den vergangenen Jahren diverse in Mainz – Foto: gik

„Es ist nicht in Ordnung, die Schuld für das soziale Manko auf andere zu schieben“, konterte Eckhardt. Es sei bislang kein Fall in Mainz bekannt geworden, in dem sozial geförderter Wohnungsbau an fehlenden Zuschussmitteln des Bundes gescheitert sei. Ebling solle sich mehr mit dem Bündnis für bezahlbares Wohnen auf Landesebene befassen – Wohnungsbaupolitik ist nämlich Ländersache. Und die Bauministerin des Landes heißt Doris Ahnen, ist SPD-Kollegin und Eblings ehemalige Chefin in seiner Zeit als Staatssekretär im Bildungsministerium.

ÖDP: Scheinheiliges Konzept, Politik nutzt nur Finanzstarken

Die ÖDP nannte deshalb Eblings Konzept für Wohnen „scheinheilig“: „Die Stadt war vor allem auch in den vergangenen Jahren seit Eblings Amtsantritt für die Zerstörung von preisgünstigem Wohnraum selbst mit verantwortlich“, kritisiert die Bauexpertin der Fraktion, Ingrid Pannhorst. Eblings bisherige Wohnungsbaupolitik habe „vornehmlich der Bau- und Finanzwirtschaft und denen genutzt, die ihr Geld in Betongold anlegen wollen.“ Gleichzeitig trieben Luxuswohnungsbauten wie im Zoll- oder am Winterhafen die Mieten in die Höhe.

Das Potenzial preisgünstiger Mietwohnungen sei im Augenblick fast nur noch im Wohnungsbestand mit einfacher Ausstattung zu finden, die ÖDP fordere, „diesen günstigen Wohnraum zu erhalten, statt ihn durch Abriss und hochpreisigen Neubau, der mit ‚Quartiersaufwertung‘ umschrieben wird“, zu ersetzen. „Statt ‚bauen, bauen, bauen‘ fordern wir: ‚erhalten, erhalten, erhalten'“, sagte Pannhorst.

 

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