Ärger um die Schülerbeförderung in Mainz in Coronazeiten: Zur Verhinderung von überfüllten Bussen im morgendlichen Berufsverkehr hatte die Mainzer Mobilität einen detaillierten Plan für entzerrte Anfangszeiten bei den Mainzer Schulen vorgelegt – doch die Schulen lehnten ab. In einem Offen Brief lehnen nun auch die Elternvertreter der Schulelternbeiräte die gestaffelten Zeiten strikt ab und fordern Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) auf, ausreichende Buskapazitäten zur Verfügung zu stellen. Die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel äußerte sich verwundert: „Streiten und ringen wir noch um die Sicherheit und Gesundheit der Kinder?“ Da müssten doch „alle an einem Strang ziehen.“
Die CDU hatte das Thema der vollen Schulbusse vor allem in den Morgenstunden auf die politische Agenda gehoben: Es mehrten sich Meldungen von überfüllten Bussen und dichtem Gedränge, das bedeute aber in der Corona-Pandemie ein hohes Infektionsrisiko, kritisierte die CDU-Opposition sowohl im Landtag als auch in Mainz – und forderte Abhilfe: Das Land Rheinland-Pfalz müsse dafür sorgen, dass genügend Busse zur Verfügung stünden um Idealfall jedem Kind sogar einen Sitzplatz anbieten zu können, sagte CDU-Generalsekretär Gerd Schreiner. „Das neue Schuljahr ist nicht vom Himmel gefallen“, kritisierte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf im Mainzer Landtag.
Die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel hatte zudem vorgeschlagen, die Schulanfangszeiten zu entzerren: „Würde der Schulbeginn versetzt getaktet, könnten sich die Schüler automatisch auf mehr Busse verteilen“, sagte Flegel. Abstandregeln könnten eher eingehalten werden, mehr Berufstätige würden wieder die Busse nutzen, und der Hol- und Bringverkehr an den Schulen würden reduziert, argumentierte Flegel. Die Mainzer Mobilität begrüßte die Vorschläge ausdrücklich, es helfe sehr, wenn sich die Nachfrage nicht komplett in der Zeit zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr morgens balle, hieß es.
Doch ein Gespräch zwischen Stadt, Mainzer Mobilität und den Schulleitungen vergangenen Mittwoch verlief ergebnislos: „Die Schulen haben das abgelehnt“, sagte Unternehmenssprecher Michael Theurer gegenüber Mainz&, „das Ergebnis ist enttäuschend.“ Die Mainzer Mobilität habe sich viel Arbeit gemacht und für jede Schule dezidiert eigene Schulanfangszeiten vorgeschlagen, sagte Theurer weiter, sogar einen externen Gutachter habe man beauftragt, ein Modell zu erarbeiten, wie eine optimale Verteilung aussehen könne.
„Der Vorschlag hätte dazu geführt, dass wir morgens zu den Spitzenzeiten zwischen 7.00 Uhr und 9.00 Uhr bis zu 50 zusätzliche Fahrten hätten durchführen können“, sagte Theurer. Ziel sei gewesen, die Fahrten nicht nur zu entzerren, sondern eine deutliche Verbesserung zu erreichen. Für manche Schulen hätte das eine Verlegung des Unterrichtsbeginns von zehn Minuten, bei anderen von 30 Minuten bedeutet, auch Schulstarts zur zweiten Stunde seien vorgesehen gewesen. „Manche Schulen haben schon jetzt einen anderen Beginn als Punkt acht Uhr“, betonte Theurer – doch es sei vergeblich gewesen. „Man wollte das nicht.“
Am Freitag meldete sich die Arbeitsgemeinschaft der Schulelternbeiräte in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) zu Wort – und lehnte den Plan ebenfalls strikt ab: „Die vorgeschlagenen Anfangszeiten führen zu einer noch weiteren Entfernung vom Regelschulbetrieb“, heißt es in dem Schreiben, das auch Medien zugeschickt wurde: „Das lehnen die Schuleltern entschieden ab.“ Man verwahre sich auch dagegen, „dass den Schulleitungen der schwarze Peter für die schon seit vielen Jahren unzureichenden Bedingungen in den Bussen zugeschoben wird.“
Die Schulleitungen hätten „sehr stichhaltige Argumente gegen einen gestaffelten Unterrichtsbeginn vorgebracht“, heißt es in dem Brief weiter. Es gehe um konkrete unterrichtsorganisatorische Einschränkungen wie etwa die Nutzung von externen Sportstätten und Schwimmbädern, von Fachunterrichtsräumen, Mittagessen, Nachmittagsbetreuung, Ganztagsschule oder schulübergreifende Leistungskurse. Zudem seien bei zeitlichen Verschiebungen auch private Nachmittagsveranstaltungen betroffen, „die mitnichten unwichtig sind, sondern gerade in Coronazeiten den Schülern persönlichen Rückhalt geben.“
Man erwarte nun von Oberbürgermeister Ebling, „dass entsprechender Einfluss auf die 100-prozentige Tochter der Stadt Mainz genommen wird“, dass ausreichende Buskapazitäten zur Verfügung gestellt würden. „Wir können nicht glauben, dass in Zeiten, in denen Busunternehmen in Mainz wegen Auftragflaute hupend demonstrieren, es keine Auftragnehmer für zusätzliche Busse geben soll“, heißt es in dem Brief weiter. Auch am Geld könne es nicht liegen, „solange in Mainz kostentreibende Prestigeprojekte wie das Rathaus“ finanziert würden und das Land auf die Corona-Landesmittel für die Kommunen verweise.
Tatsächlich hatte das Land Rheinland-Pfalz einen Bus-Pool für die Schülerbeförderung ins Leben gerufen, für die Stadt Mainz ergaben sich daraus sieben zusätzliche Busse. Die Mainzer Mobilität habe in den morgendlichen Spitzenzeiten 145 Busse und 35 Straßenbahnen im Einsatz, sagte Theurer: „Wir müssten noch mal 145 Busse und 35 Straßenbahnen auffahren, damit die Fahrzeuge halb so voll wären.“ Das Konzept hätte eine Verbesserung von umgerechnet 50 Bussen bedeutet, „unser Vorschlag ist vernünftig und würde die Situation deutlich entlasten“, fügte Theurer hinzu.
Die Mainzer CDU-Chefin Flegel äußerte sich verwundert über das Offene Schreiben an die Stadt: „Ich erkenne aus dem Brief nicht, dass man an die Schüler denkt, die Gesundheit spielt da gar keine Rolle“, sagte sie in einer Reaktion gegenüber Mainz&: „An uns wurden zahlreiche Meldungen von Eltern herangetragen, wie dicht in den Bussen gestanden wird, das soll jetzt auf einmal gar nicht schlimm sein?“
Es gehe dabei nicht darum, den Schulleitungen „einen Schwarzen Peter zuzuschieben“, betonte Flegel zudem, „die Schulleitungen leisten im Moment Großes.“ Aber in der derzeitigen Pandemielage sei doch Flexibilität gefragt, „organisatorische Probleme dürfen jetzt nicht ausschlaggebend sein“, betonte Flegel, „es muss einfach gemacht werden.“ Wenn im Oktober oder November die erste Influenzawelle zur Corona-Pandemie hinzukomme, „dann dürfen die Schüler nicht wie Sardinen im Bus unterwegs sein“, sagte die CDU-Chefin: „Es ist doch auch im Interesse der Schulen, alles zu tun, um die Infektionsketten so gering wie möglich zu halten.“
Der Ball liege aus ihrer Sicht jetzt bei den Schulen, der Mainzer Mobilität entgegen zu kommen, sagte Flegel weiter: „Ich sehe keine existenziellen Probleme auf Schule, Eltern oder Schüler zukommen, wenn der Unterricht eine Viertelstunde später anfängt.“ Es müsse nun doch allen ein Anliegen sein zu verhindern, „dass die Zahlen in die Höhe schießen, wie das jetzt etwa in Frankreich der Fall ist“, unterstrich sie: „Streiten und ringen wir noch um die Sicherheit der Kinder?“
Info& auf Mainz&: Mehr zu der Debatte um überfüllte Schulbusse und den Vorschlag der entzerrten Schulanfangszeiten lest Ihr hier bei Mainz&. Chronobiologen empfehlen übrigens schon seit Langem, die Schule in Deutschland deutlich später anfangen zu lassen – das wäre von großem Vorteil für die Konzentrationsfähigkeit der Kinder und führe in den meisten Fällen zu besseren Noten – mehr dazu lest Ihr hier bei Mainz&.