Die massiven Proteste der Landwirte zeigen Wirkung: Die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) fordert nun von der Ampel-Regierung in Berlin einen Landwirtschaftsgipfel. Derweil wirft die CDU-Opposition Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vor, sie lasse die Landwirte im Stich. Die setzen unterdessen ihre Proteste weiter fort – und laden für Freitagabend in vielen Kommunen zu einem „Meet & Greet“ am Mahnfeuer: Dort wolle man mit den Menschen ins Gespräch kommen, und ihnen die Probleme der Landwirtschaft deutlich machen.

Traktoren-Protestkorso am Montag auf der Rheinhessenstraße in Mainz. - Foto: gik
Traktoren-Protestkorso am Montag auf der Rheinhessenstraße in Mainz. – Foto: gik

Vergangenen Montag hatten die Landwirte mit den größten Protesten seit Jahren für Aufsehen gesorgt: In Mainz versammelten sich rund 1.500 Traktoren, der Korso auf der Autobahn zog sich über 20 Kilometer hin – die Verkehrsbeeinträchtigungen hielten sich trotzdem in Grenzen. Der Riesentreck mit den großen Maschinen beeindruckte offenbar nicht nur viele Menschen am Straßenrand – die ganz überwiegend Beifall spendeten – sondern auch die Politik: Die rheinlandpfälzische Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt forderte am Dienstag einen Agrargipfel auf Bundesebene.

Die weiter geplanten Kürzungen beim Agrardiesel bedeuteten „nach wie vor harte Einschnitte für unsere Bauern“, kritisierte Schmitt einen Tag nach der Großdemo am Montag – ihre eigene Partei stellt in Berlin immerhin den Bundesfinanzminister. Trotzdem forderte Schmitt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf, gemeinsam mit der Agrarbranche Lösungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Deutschland entwickeln.

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Landwirte: erarbeitete Lösungen werden nicht umgesetzt

„Jetzt muss das Momentum der Aufmerksamkeit für die Landwirtschaft genutzt werden, um die Weichen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Deutschland richtig zu stellen“, forderte Schmitt. Agrarpolitik ist sei „mehr als die reine Zahlung von Subventionen“, es gebe viele weitere Bereiche, über die mit den Landwirten ein Gesamtkompromiss erzielt werden könne. Dazu gehörten etwa weniger Bürokratie, weniger Verbote sowie mehr Planungssicherheit – insbesondere im Bereich des Pflanzenschutzes. Schmitt hatte stets die neue EU-Verordnung kritisiert, die die Verwendung von Plfanzenschut6z rigoros einschränken will – gerade in Schutzgebieten, in denen aber viele Winzer Weinberge und Ackerbauern Obstplantagen haben.

Niemand redet über Klimaschutz in der Landwirtschaft? Die Landwirte schon: Themen wie Insektensterben. und Klimaschutz treiben viele Landwirte um. - Foto: gik
Niemand redet über Klimaschutz in der Landwirtschaft? Die Landwirte schon: Themen wie Insektensterben. und Klimaschutz treiben viele Landwirte um. – Foto: gik

Die Branche erinnert derweil daran, dass die Lösungen längst auf dem Tisch liegen: Seit 2021 liege der Abschlussbericht einer gemeinsamen Zukunftskommission Landwirtschaft auf dem Tisch, in dem ein umfangreicher Kompromiss zwischen Politik und Landwirten erzielt worden sei, hatte der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt, bereits am Montag betont. „Lesen Sie sich den Abschlussbericht durch, da ist genau das beschrieben: wie wir einerseits mehr für Umweltschutz und Klima tun können, aber die Lasten zugleich gesamtgesellschaftlich verteilen“, betonte Hartelt.

Von den Landwirten würden „immer mehr Leistungen gefordert“, gerade in den Bereichen Klima, Biodiversität und Umweltschutz, sagte Hartelt weiter. Das sei man auch gerne bereit zu leisten, die Vereinbarung sei aber gewesen, dass dies auch gesellschaftlich honoriert werde. „Was wir jetzt erleben ist das Gegenteil“, kritisierte Hartelt: Den Landwirten würden immer mehr Belastungen aufgebürdet, das Ganze aber ohne Planungssicherheit und ohne Zukunftsperspektiven – das gehe so nicht.

Abschlussbericht Zukunftsbericht Landwirtschaft: nie umgesetzt

Tatsächlich hatte die aus 31 Mitgliedern bestehende „Zukunftskommission Landwirtschaft“ unter Vorsitz von Professor Peter Strohschneider am 29. Juni 2021 einstimmig einen Abschlussbericht verabschiedet – umgesetzt wurde er aber nie. Im Herbst 2021 folgte eine Bundestagswahl, aus der die SPÜD als Siegerin hervorging und anschließend eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP bildete. In der Politik von Landwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) spielte der Zukunftsbericht bislang keine Rolle.

Traktoren auf dem Messegelände in Mainz vor Windrädern... - Foto: gik
Traktoren auf dem Messegelände in Mainz vor Windrädern… – Foto: gik

Am Mittwoch mussten sich die Vertreter der Ampel-Regierung in Mainz deshalb auch Pfiffe und Buhrufe bei der Kundgebung der Landwirte vor dem Abgeordnetenhaus in Mainz anhören. Besonders die Tatsache, dass Ministerin Schmitt die Rücknahme der KFZ-Steuerbefreiung bei gleichzeitiger Beibehaltung des Abschmelzens der Agrardiesel-Förderung als „guten Kompromiss“ lobte, der in die richtige Richtung gehe, stieß weithin auf Unverständnis. Die Landwirte fordern weiter die komplette Rücknahme beider Maßnahmen.

Unterstützung kam unter anderem von Freien Wählern und CDU: Die Bauern und Winzer seien „Opfer ideologiegetriebener Politik“, schimpfte der landwirtschaftspolitische Sprecher der Freien Wähler im Mainzer Landtag, Helge Schwab: Die Bundesregierung müsse dringend umdenken. „Das Maß ist voll“, schimpfte Schwab: Die Landwirte zahlten doch bereits für die Nutzung, den Ausbau und die Instandhaltung der Transportwege in ihren Gemeinden und zahlten bereits jetzt mehr für Diesel als ihre Nachbarn etwa in Österreich oder Luxemburg.

CDU: Dreyer lässt Landwirte im Stich

CDU-Landeschef Christian Baldauf und CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder warfen gar Ministerpräsidentin Dreyer vor, den Landwirten „in den Rücken zu fallen“: Im Gegensatz zu anderen SPD-Ministerpräsidenten wie Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) oder Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil habe Dreyer die Kürzungen noch verteidigt, kritisierten die beiden Christdemokraten. „Für die berechtigten Bauernproteste ist einzig die Ampel-Bundesregierung mit ihrer agrarfeindlichen Politik verantwortlich“, betonte Schnieder.

Am Mittwoch waren erneut Traktoren ins Mainzer Regierungsviertel gerollt. - Foto: LSV RLP
Am Mittwoch waren erneut Traktoren ins Mainzer Regierungsviertel gerollt. – Foto: LSV RLP

„Wir stehen ohne Wenn und Aber hinter unseren Landwirten“, betonte Baldauf: „Wenn wir der Landwirtschaft eine ehrliche Zukunft einräumen wollen, sind weitere Belastungen nicht zumutbar. Die Ampel-Regierung darf nicht weiter planen, ihre Haushaltslücken auf Kosten unserer heimischen Landwirtschaft zu schließen.“ Dreyer hatte am Rande ihres Neujahrsempfangs am Montagabend in der Mainzer Staatskanzlei den Kompromiss der Bundesregierung verteidigt: Sie habe Verständnis für die Proteste der Landwirte, diese dürften aber nicht „auf ihren Maximalforderungen“ bestehen.

Es brauche „auf Bundesebene einen Dialog für eine gute Zukunft unserer Landwirtschaft, der eine langfristige Perspektive und Planbarkeit schafft“, fügte Dreyer hinzu. Auf der Demonstration der Landwirte am Mittwoch ließ sie sich nicht blicken – obwohl diese das forderten. Auf der Demo hatte stattdessen SPD-Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler geredet. Die Landwirte hatten im Übrigen auf Rücksicht aus die Abiturprüfungen und den Bahnstreik am Mittwoch ihren Traktorenkorso in die Innenstadt reduziert: Man habe Aufmerksamkeit erreicht, nun liege der Fokus auf Dialog, sagte Hartelt.

Weitere Proteste geplant, Bund lädt zu Agrargipfel

Ein Ende der Proteste bedeutet das aber nicht: für Freitagabend luden die Landwirte die Bevölkerung zu ihren Mahnfeuern in den Gemeinden ein. In den meisten Orten in Rheinhessen brennen an diesem Freitag Mahnfeuer, in Mainz laden die Landwirte etwa von 17.00 Uhr bis 19.00 Uhr auf den Tannenbaumplatz an der Koblenzer Straße, Ecke Wilhelm-Quetsch-Straße in Mainz-Bretzenheim ein. „Trefft Euren Landwirt vor Ort und tauscht Euch über die aktuelle Situation aus!“, heißt es in der Ankündigung: Die Politik der Ampel-Regierung betreffe alle.

Eine Zukunft mit wirtschaftlicher Basis - das ist die Forderung der Landwirte. - Foto: gik
Eine Zukunft mit wirtschaftlicher Basis – das ist die Forderung der Landwirte. – Foto: gik

Am Montag planen die Landwirte eine erneut Großdemo in Berlin, die Politik will dem Protest offenbar die Spitze nehmen: Die drei Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen im Bundestag haben die Spitzen der Landwirtschaftsverbände für Montag zu einem Treffen eingeladen. Und am Dienstag laden nun spontan Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Ihr Kollege Özdemir (beide Grüne) zu einem  Agrarkongress unter dem Titel „Natürlicher Klimaschutz und Klimaanpassung in Partnerschaft mit der Landwirtschaft“ nach Berlin ein.

Im Vorfeld der Grünen Woche wolle man Fragen erörtern wie: „Wie kann sich die Landwirtschaft für eine Zukunft in Zeiten der Klimakrise aufstellen? Wie können die Grundlagen einer wirtschaftlich ertragreichen Landwirtschaft wie etwa gesunde Böden und Wasserversorgung gesichert werden? Wie können sich die Höfe im natürlichen Klimaschutz engagieren und welche neuen Kooperationen können diesen Weg ebnen? Wie kann eine nachhaltige Bewirtschaftung, die die natürlichen Ressourcen und die Artenvielfalt schützt, zu einem auskömmlichen Geschäftsmodell zu für unsere Bäuerinnen und Bauern werden?“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Hintergründen der Bauernproteste lest Ihr auch hier auf Mainz& in unserem ausführlichen Bericht über den Protesttag am 8.1.2024.