Es wird wohl das ungewöhnlichste aller Open Ohrs in der 47-jährigen Geschichte des Mainzer Festivals: Am Pfingstwochenende kommt das politische Jugendkulturfestival live von der Zitadelle – und per Livestream ins Haus der Zuschauer. „Lasst uns bunte Banden bilden!“ lautet das diesjährige Festivalmotto, es geht um das Thema „Familie – in all ihren Farben, Formen und Größen; um die Bande, die unsere Gesellschaft zusammenhalten“, heißt es in der Vorankündigung. Zwei Tage lang wird es im Livestream von der Zitadelle Podien, Workshops, Kabarett und auch Musik geben, zu hören sind unter anderem Melane und Sam Vance-Law, höchtsrangiger Politik-Gast ist die grüne Umweltministerin Anne Spiegel, die bis zum 18. Mai noch Familienministerin war. Und das beste: Es gibt noch Karten.

Party, Diskussionen, Menschenmengen - so wird das Open Ohr 2021 nicht. - Foto: gik
Party, Diskussionen, Menschenmengen – so wird das Open Ohr 2021 nicht. – Foto: gik

Kein buntes Treiben auf der großen Festivalwiese, kein Zeltlager im Park, kein gemeinsames Abtanzen vor der Hauptbühne – das Open Ohr 2021 wird ein völlig anderes Festival als die Besucher es gewohnt sind. Lange hatten die Planer der Freien Projektgruppe gebangt und gehofft, das traditionsreiche Festival an Pfingsten mit Publikum auf der Mainzer Zitadelle durchführen zu können, doch Mitte April war klar: Die Corona-Infektionen sanken nicht schnell genug, eine Öffnung mit Publikum live vor Ort würde nicht möglich sein.

Doch ein zweites Mal wie schon 2020 wollte man das Festival nicht ausfallen lassen: Dem Schock des „verlorenen 46. Open Ohr Festivals“ im Jahr 2020 widmet die Projektgruppe im neuen Programmheft gleich vier Seiten Rückblick. „Die Planung des Mainzer Festivals ist mit hohen Ansprüchen und Erwartungen verbunden; dem Open Ohr wohnt eine stolze Tradition, eine große Bedeutung für die Kulturlandschaft Mainz inne“, heißt es da. Genau diese Leidenschaft für Kunst und Kultur, aber auch die Verantwortung, das Open Ohr zu bewahren, habe letztlich die Projektgruppe dazu bewogen, ihre Arbeit fortzusetzen – und allen Widrigkeiten der Pandemie und der fehlenden Ansagen aus der Politik heraus, ein Festival 2021 zu planen.

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Das Programmheft fürs 47. Open Ohr zum Thema Familienbande. - Foto: gik
Das Programmheft fürs 47. Open Ohr zum Thema Familienbande. – Foto: gik

Nun ist es so weit, das Festival steht in den Startlöchern: Am Pfingstsamstag, dem 22. Mai und am Pfingssonntag, den 23. Mai, wird das 47. Open Ohr steigen – und live über die Bildschirme der Zuschaue in ihre Häuser flattern. Man wolle die Open Ohr Familie „nach dieser langen Zeit mit Kulturlockdown und Kontaktbeschränkungen endlich wieder zusammenbringen“ und nicht auf Diskurs, Freude und Erkenntnisse verzichten, betont die Freie Projektgruppe – die bunten Familienbande kommen nun eben zu den Familien. Zwei Tage lang will das 47. Open Ohr Festival der Frage nachspüren: „Wer oder was sind die Bande der Familie, die Familienbande und was ist Familie?“

Das Thema könnte für die Zeit der Corona-Pandemie kaum besser gewählt sein, waren es doch die Familien, die in der Zeit von Lockdown und Kontaktbeschränkungen der Nukleus, in dem die Pandemie bewältigt wurde. In den Familien gab man sich Halt – oder auch nicht -, hier wurde nun gelernt, gelebt und gestritten – und wer keine Kernfamilie um sich herum hatte, der konnte darunter schon einmal leiden oder die Ruhe genießen. „Das Thema Familie betrifft uns alle auf irgendeine Art“, heißt es denn auch im Programm. Familienmitglieder, Freunde, Partner oder die Katze – Familie sei die Familie, in die man hineinwachse, oder eben auch die Familie, die man sich über Freundschaften aussuche.

Mit Kind und Legel auf die Hauptwiese - eine schöne Tradition beim Open Ohr in Mainz. - Foto: gik
Mit Kind und Legel auf die Hauptwiese – eine schöne Tradition beim Open Ohr in Mainz. – Foto: gik

„Welche Bedeutung messen wir Familie bei, welche Anerkennung, welche Ungerechtigkeiten erfahren Familien und ihre Mitglieder in Deutschland“, sagt Projektgruppenmitglied Lea Höltge zum Themenansatz deutlich. Und Familie sei eben auch da „hochaktuell, wo  gesellschaftspolitische Strukturen und Definitionen Menschen, die nicht in bestimmte Normen passen, ihr Recht auf Familie in Frage stellen oder gar absprechen“, heißt es weiter. In vier Podien soll es nun am Samstag und am Sonntag um genau solche Fragen gehen, los geht es mit dem ersten Podium am Samstag um 16.45 Uhr mit dem Thema „Bunte Banden – Familienbilder im Wandel.“

Podium zwei dreht sich am Samstagabend um 19.,40 Uhr um das Thema Gender, Podium drei am Sonntag um 11.15 Uhr um Kinder- und Jugendrechte. Podium vier widmet sich am Sonntag um 18.30 Uhr dem Einfluss von Staat und Gesellschaft auf Familie, und dazu wird auch die bisherige rheinland-pfälzische Familienministerin Anne Spiele (Grüne) erwartet, die seit 18. Mai Umweltministerin ist. Die Diskussionen mit den Referenten kommen per Zoom-Konferenz ins Haus, die Zuschauer können währenddessen über den Chat aktiv mitreden, Fragen stellen und kommentieren.

Die Freie Projektgruppe des Open Ohr im Livestream - ein Vorgeschmack aufs Streaming-Festival. - Foto: gik
Die Freie Projektgruppe des Open Ohr im Livestream – ein Vorgeschmack aufs Streaming-Festival. – Foto: gik

Bereits im Vorfeld konnten die Besucher den Festivalmachern über Social Media-Kanäle  eigene Bilder von Familie als gemalte Kunstwerke einsenden oder Erinnerungen an OPEN OHR-Familientreffen aus den vergangenen Jahren teilen. Auf dem Festival knüpft das an an die Ausstellung „Familien(leit)bilder“ des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung: Das präsentiert die zwischen 2012 und 2016 entstandenen Studien „Familie in Bildern“ und „Familienleitbildern“, bei denen junge Erwachsene ihre Vorstellungen von und über Familie präsentieren.

Die Ausstellung wird ebenso wie die Workshops über das Streaming Angebot zu finden sein, wer die Freie Projektgruppe erreichen will, kann das natürlich Online tun – oder aber über den Festivalbriefkasten an der Kulturei am Fuße der Zitadelle. Man freue sich über Lob und Kritik in Papierform, heißt es bei der Projektgruppe – und wer mag, kann sich dabei auch eine Ausgabe der OPEN OHR-Nachrichten mitnehmen.

Blick ins Programmheft des 47. Open Ohr Festival. - Foto: gik
Blick ins Programmheft des 47. Open Ohr Festival. – Foto: gik

Das traditionelle Programmheft, voll gespickt mit Informationen und Thesenpapier, kommt in diesem Jahr als pdf zum Download auf der Internetseite des Open Ohr daher, ganz stilvoll kann man es sogar als E-Paper öffnen und darin blättern – nur das traditionelle knicken, rollen oder als Sitzunterlage benutzen, fällt in diesem Jahr weg. Überhaupt könne dies das erste Open Ohr sein, das man trotz Regen ganz gemütlich auf dem Sofa genießen könne, regt die Projektgruppe an – für das echte Festivalfeeling müsste man sich schon mit dem Livestream vor die Tür in den Regen stellen…

Nicht zu kurz kommen soll beim Streaming-Festival auch die Musik: Das Indie-Folk Duo Stereo Naked eröffnet das Open Ohr am Samstag um 15.45. Uhr auf der Hauptbühne, später am Abend präsentiere „Melane ihr gefühlvolles, vielsprachiges Solo-Debüt fernab eindeutiger Genre-Schubladen“, so die Ankündigung. Am Sonntagabend geht es musikalisch weiter mit Mariama – sie sei „Kölsches Mädchen im Herz und Nomadin in der Seele und feiert diese Mischung in ihrem markanten Sound.“ Den Festivalabschluss macht Sam Vance-Law mit seiner eigensinnigen Kreation des Chamber-Pops und Songs voll queerer Themen.

Kabarett im Zelt auf dem Open Ohr - dieses Jahr gibt's das im Livestream. - Foto: gik
Kabarett im Zelt auf dem Open Ohr – dieses Jahr gibt’s das im Livestream. – Foto: gik

Und ja, auch das traditionelle Kabarett darf auf dem Open Ohr 2021 nicht fehlen: Am Festivalsamstag gibt es ab 21.15 Uhr „Gemeinsame Sache“ mit Liedermacher Fee Badenius und Stefan Ebert – Chanson pur. Am Sonntag berichtet Teresa Reichl in ihrem Debütprogramm „Obacht, I kann wos!“ von fast einem Vierteljahrhundert Frauenleben. In Sachen Theater dürfen sich kleine Zuschauer auf das WishmobTheater am Sonntag mit einem fröhlichen Märchen jenseits bekannter Märchen-Stereotype freuen, am Nachmittag gibt’s das autobiografische Einpersonenstück „Was denn da fehlt oder Wie ich im Datingportal Foucault kennen lernte“ mit Vincent Doddema vom Staatstheater Mainz.

Auch literarische Lesungen, zwei Workshops sowie eine Tanzmeditation stehen auf dem Programm, man darf gespannt sein, wie sich das Angebot digital transportieren lässt. Den Abschluss bildet am Sonntagabend ab 21.30 Uhr der Auftritt von Sam Vance-Law – „ein Open Ohr per Internetstream kann ein Festival auf der Zitadelle nicht ersetzen“, heißt es im Programmheft, „aber es sendet ein Überlebenszeichen in die Welt.“

Wer dabei sein möchte: Tickets für das Streaming-Festival gibt es über Reservix zu kaufen, der Link findet sich auf der Open Ohr-Homepage, die Preise reichen vom Einzelkind-Ticket für 15,- Euro über das Familien-Banden-Ticket für 25,- Euro bis hin zum Unterstützer-Ticket für 35,- Euro. Der Vorverkauf sei zwar gut gestartet, das Ziel von 1.000 verkauften Tickets sei aber noch nicht geknackt, hieß es wenige Tage vor dem Festival noch  – 1.000 zahlende Zuschauer bräuchte das Festival 2021, um sich refinanzieren zu können. „Wir hoffen daher auf viele Last-Minute Shopper“, sagt Laura Acksteiner: Tickets könne man auch noch während des Festivals kaufen.

Info& auf Mainz&: Alle Infos zum Livestream sowie zur Ticketbuchung findet Ihr hier beim Open Ohr im Internet. Das 47. Open Ohr Festival 2021 findet vom 22. bis 23. Mai 2021 statt, mehr zur Vorgeschichte könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen.

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