Die Coronakrise verhilft den Mainzer Autofahrern nun zu einem Aufschub in Sachen Dieselfahrverbot: Die eigentlich zum 1. Juli geplante Fahrverbotsregelung auf der Mainzer Rheinachse wird um drei Monate verschoben und soll nun zum 1. Oktober 2020 kommen. Darauf einigten sich Stadt Mainz und Deutsche Umwelthilfe (DUH) gemeinschaftlich am Donnerstag. Die DUH betonte zugleich aber auch gegenüber Mainz&, das sei keine „Exitstrategie“: das Fahrverbot müsse trotzdem kommen. Die CDU-Opposition fordert hingegen, das Fahrverbot ganz zu stoppen. Die Stadt will nun zudem die Einrichtung provisorischer Fahrradspuren auf leeren Straßen prüfen – auf Vorschlag der DUH.

Leere Straßen auf der Rheinachse zurzeit - die Coronakrise verhilft nun auch zu einem Aufschub für das Dieselfahrverbot. - Foto: gik
Leere Straßen auf der Rheinachse zurzeit – die Coronakrise verhilft nun auch zu einem Aufschub für das Dieselfahrverbot. – Foto: gik

Paukenschlag am Donnerstag: Das Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Euronorm 4 und 5 auf der Rheinachse in Mainz wird nun doch nicht zum 1. Juli 2020 umgesetzt. Die Coronapandemie sorge derzeit „für einen Einbruch der Verkehrsbewegungen und damit temporär für eine Verbesserung der Luftwerte„, teilte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) mit. Stadt Mainz und Deutsche Umwelthilfe (DUH) hätten sich deshalb am Donnerstag darauf verständigt, die Umsetzung des Dieselfahrverbots um drei Monate auf den 1. Oktober 2020 zu verschieben. Da viele Menschen vom Homeoffice aus arbeiten, und zudem die Mainzer dem Aufruf folgen, zuhause zu bleiben, sinken die Verkehrszahlen gerade deutlich – es sind einfach erheblich weniger Autos in der Innenstadt unterwegs. Auch die Schadstoffwerte in der Luft sanken in den vergangenen Tagen spürbar, wie auch die App des Bundesumweltamtes anzeigt.

Die Verständigung sei „in einer konstruktiven und atmosphärisch angenehmen Videokonferenz“ zwischen Eder und DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch getroffen worden, dabei habe man Folgendes vereinbart: Stadt Mainz und DUH verfolgten weiter gemeinsam das Ziel, den europäischen Grenzwert für Stickoxide einzuhalten. Die Stadt Mainz werde den Luftreinhalteplan mit der Erweiterung auf die Rheinachse wie geplant fertigstellen, um den Anwohnern sowie allen Menschen, die sich dort aufhalten, eine gesunde Lebensumgebung zu gewährleisten. Die Einführung der geplanten Tempo-30-Zone werde aber von der Stadt Mainz wie angekündigt ab dem 1. Juli 2020 umgesetzt.

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Das Dieselfahrverbot in Mainz ist um drei Monate verschoben und soll nun zum 1. Oktober kommen. - Foto: gik
Das Dieselfahrverbot in Mainz ist um drei Monate verschoben und soll nun zum 1. Oktober kommen. – Foto: gik

Zum 1. Juli sollte die gesamte Rheinachse vom Zollhafen bis zum Fort Malakoff für Dieselfahrzeuge der Euronorm 4 und 5 gesperrt werden, damit wäre auch die Theodor-Heuss-Brücke betroffen gewesen. Anfang der Woche hatte die Stadt indes noch mitgeteilt,. man halte an der Einführung und dem Zeitplan dazu fest. Noch am Mittwoch habe die Stadt einen Stopp oder eine Verschiebung der Maßnahme in den Anfragen im Stadtrat strikt abgelehnt, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig gegenüber Mainz&. Offenbar aber wurde der Druck inzwischen zu groß, auch die Wirtschaft hatte vehement einem Stopp der Vorbereitungen gefordert.

Die CDU-Opposition begrüßte am Abend die Kehrtwende: „Wir finden sehr gut, dass das Dieselfahrverbot kurzfristig vom Tisch ist“, sagte Fraktionschef Schönig gegenüber Mainz&, „wir verbinden das auch mit der Hoffnung dass ein Verbot auch langfristig vom Tisch ist.“ Die Schadstoffwerte in der Luft würden „erheblich zurückgehen“, schätzt Schönig, dazu zeichne sich erkennbar eine Zeit erheblicher wirtschaftlicher Probleme ab. „Ein Fahrverbot ist auch in einem Vierteljahr ein Irrsinn“, betonte Schönig, „eine Verschiebung um drei Monate ändert nichts an dem desaströsen Sachverhalt, dass man eine der wichtigsten Verkehrsachsen sperren will.“

Es sei doch nicht zu verstehen, „dass man sehenden Auges die Rheingoldhalle und das Hilton-Hotel von den Besucherströmen abklemmt“, kritisierte Schönig weiter. Die CDU hatte dazu am Mittwoch eine Anfrage in den Mainzer Stadtrat gestellt, in der Antwort verwies Eder darauf, Besucher für Rheingoldhalle und Hilton könnten ja auf die Tiefgaragen am Kaufhof oder am Staatstheater ausweichen. „Sollen die Hilton-Besucher den Koffer durch die halbe Stadt ziehen“, schimpfte Schönig, „das ist doch gnadenlose Ignoranz – da geht doch kein Mensch mehr in das Hotel.“

Die CDU kritisiert weiter, dass die Stadt Mainz Hilton-Hotel und Rheingoldhalle mit dem Dieselfahrverbot schädigt. - Foto: gik
Die CDU kritisiert weiter, dass die Stadt Mainz Hilton-Hotel und Rheingoldhalle mit dem Dieselfahrverbot schädigt. – Foto: gik

Die Stadt dürfe zudem die wirtschaftlichen Interessen einer stadtnahen Gesellschaften nicht einfach ignorieren, sagte Schönig in Anspielung auf die Mainzplus Citymarketing und ihre wichtigste Veranstaltungshalle, die Rheingoldhalle. „Wir appellieren an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), einzugreifen und das Fahrverbot am besten gar nicht einzuführen“, sagte Schönig, und fügte hinzu: Es stelle sich ja auch die Frage, „ob ein Gericht in der jetzigen Situation ein Fahrverbot überhaupt noch für verhältnismäßig einstufen würde.“

Auch die Grünen begrüßten die Verschiebung: „Die Corona-Krise hat unseren Alltag komplett auf den Kopf gestellt, viele Menschen haben existenzielle Sorgen, Angst vor Arbeitslosigkeit und sorgen sich um die eigene Gesundheit“, sagte Grünen-Fraktionschefin Sylvia Köbler-Gross. Durch die Verschiebung müsse sich „in der derzeitigen Lage niemand um Ausnahmegenehmigungen kümmern.“ Das Ziel der Grünen sei weiterhin saubere Luft, betonte Grünen-Verkehrsexperte David Nierhoff. Durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der vermehrten Nutzung von Heimarbeit habe der Verkehr aber überall spürbar nachgelassen, dies wirke sich positiv auf die Stickoxidbelastung in der Innenstadt aus. Tempo 30 wie angekündigt weiter zum 1. Juli einzuführen, „zeigt, dass die Stadt ihrer Verantwortung gerecht wird und die Werte weiter senken wird“, sagte Niehoff.

Der Koalitionspartner FDP hingegen forderte energisch einen endgültigen Verzicht auf ein Fahrverbot: „Viele Unternehmen in ganz vielfältigen Branchen kämpfen derzeit jeden Tag um den Fortbestand ihrer Existenz. Jede, wirklich jede, Maßnahme, die für Entlastung sorgen kann, muss daher jetzt angepackt werden“, forderte der FDP-Chef David Dietz. Dazu gehöre „selbstverständlich auch die Aussetzung und dann die völlige Abschaffung des nicht verhältnismäßigen Fahrverbots!“ Dietz kündigte an, die FDP werde mittels einer Großen Anfrage die Entwicklung der Messwerte und der bisher ergriffenen Maßnahmen zur Luftreinhaltung erfragen und so die Notwendigkeit von Fahrverboten eruieren. „Mit den von der Verwaltung vorgelegten Daten, wollen wir festmachen, welche Möglichkeiten die Stadt Mainz hat, um die Luft sauberer zu machen, die Grenzwerte zeitnah einhalten zu können und dabei verhältnismäßig zu agieren“, sagte Dietz. Es müssten Alternativen oder ein stufenweises Vorgehen von Seiten der Verwaltung geprüft, „die „jetzt gewonnene Zeit diesbezüglich gut genutzt werden.“

DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch bestätigte am Abend, die Verständigung mit der Stadt Mainz sei in einem sehr guten Gespräch auf Initiative Eders vereinbart worden: „Wir haben ein großes Verständnis dafür, dass die Stadt Mainz gerade andere Aufgaben hat als die technischen Voraussetzungen für ein Fahrverbot zu schaffen“, sagte Resch gegenüber Mainz&: „Wir wollen damit ein Zeichen setzen, weil die Menschen in dieser Zeit wirklich anderes im Kopf haben.“ Die Einhaltung der Stickoxidwerte sei aber für die DUH weiter „ganz wichtig“, der Umweltverband halte deshalb seine Forderung nach Einführung eines Fahrverbots aufrecht. „Wir brauchen es zum 1. Oktober, das ist auch zugesagt“, sagte Resch, „da gibt es keine Exitstrategie.“

Fahrradstraße statt ungenutzter Autospur? Das will die Stadt Mainz jetzt prüfen. - Foto: gik
Fahrradstraße statt ungenutzter Autospur? Das will die Stadt Mainz jetzt prüfen. – Foto: gik

Mainz ist mit der Entscheidung zur Verschiebung ein Sonderfall: Bundesweit sei Mainz das einzige Dieselfahrverbot, das aktuell zur Einführung angestanden habe, sagte Resch – und verriet zudem: „Ich habe Frau Eder einen besonderen Wunsch mitgegeben, den sie zugesagt hat zu prüfen: auf nicht benötigten Autospuren provisorisch Fahrradspuren einzurichten.“ Die Idee stamme aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, die gerade auf 100 Kilometern einzelne Fahrspuren spontan in Fahrradwege umgewandelt habe. „Selbst Berlin hat das jetzt geschafft, binnen 48 Stunden umzusetzen“, lobte Resch.

Die Idee sei, „das verringerte Verkehrsaufkommen zu nutzen, um für die Menschen, die mit dem Fahrrad am sichersten und gesündesten zur Arbeit fahren, Fahrradschwellwege zu schaffen“, erklärte Resch. Das sei eine Maßnahme, die schnell umsetzbar sei, aber ein gutes Angebot schaffen könne, auch weil Menschen jetzt lieber den Öffentlichen Nahverkehr wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus meiden wollten. „Aber wir haben auch einen Hintergedanken“, räumte Resch ein: „Wenn die Menschen davon begeistert sind – vielleicht wird aus einem Provisorium auch eine Dauerlösung.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Regelungen für das Dieselfahrverbot, aber auch die Tempo 30-Beschränkung könnt Ihr hier noch einmal ausführlich nachlesen. 

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