Nach dem Urteil zu mögliche Fahrverboten für Diesel in Mainz ab September 2019 fielen die Reaktionen in der Stadt verhalten aus. Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) reagierte geradezu erleichtert: Das Verwaltungsgericht habe „mitnichten ein sofortiges Fahrverbot verfügt“, betonte Ebling, die Stadt tue alles, die Stickoxidwerte 2019 unter den Grenzwert zu bekommen. Damit sei ein Dieselfahrverbot „in weite Ferne gerückt“. Oberbürgermeister Günter Beck (Grüne) hingegen sagte, es stehe jetzt 1:0 gegen Mainz, doch das sei nur die erste Halbzeit gewesen: „Für mich ist das mehr Ansporn als Resignation“, betonte er. Die CDU-Opposition warf der Stadtspitze dagegen vor, viel zu spät gehandelt zu haben und nun mit dem Verweis auf den Bund von eigenen Versäumnissen ablenken zu wollen. Tatsächlich forderten Ebling und Beck , um den Stickoxid-Grenzwert einhalten zu können, „brauchen wir nun dringend Unterstützung durch die Bundesregierung.“.
Das Verwaltungsgericht Mainz hatte am Mittwoch geurteilt, Mainz müsse die Einführung von Fahrverboten zum 1. September 2019 vorbereiten. Die Stadt müsse dafür einen neuen Luftreinhalteplan bis zum 1. April 2019 vorlegen, der Konzepte für Fahrverbote enthalte. Sänken die Stickoxidwerte nicht bis zum Sommer 2019 unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, müssten Fahrverbote zum 1. September vorbereitet werden. Die Stadt geht in ihrem eigenen Konzept davon aus, den Grenzwert von 40 Mikrogramm erst Ende 2019 einhalten zu können. 2017 erreichte der Wert in der Parcusstraße aber noch 48 Mikrogramm, nach Prognosen des Landesumweltamtes könnte der Grenzwert 2018 aber nur um ein Mikrogramm gesunken sein. Andere Experten sagen sogar einen leichten Anstieg um 0,5 Mikrogramm voraus.
Trotzdem reagierte Ebling am Mittwoch unmittelbar nach dem Urteil erfreut: Das Gericht habe die Bemühungen der Stadt um saubere Luft gewürdigt und „mitnichten ein sofortiges Fahrverbot verhängt“, sagte Ebling. Die Stadt werde deshalb jetzt alles tun, den Grenzwert 2019 einzuhalten. Auch wenn dies erst zum Jahresende 2019 gelinge, sei „unter der Diktion der Verhältnismäßigkeit ein flächendeckendes Dieselfahrverbot in weite Ferne gerückt“, betonte Ebling, „darüber sind wir froh.“
Tatsächlich hatte das Gericht die Verhältnismäßigkeit betont, gleichzeitig aber glasklar unterstrichen, dass es eine weitere Verzögerung bei der Nichteinhaltung des Grenzwertes nicht weiter dulden wird: Die 40 Mikrogramm seien schnellstmöglich einzuhalten, das sei nicht Ende 2019 und schon gar nicht 2020. Gleichzeitig hatte das Gericht ausdrücklich unterstrichen, dass es auch die Umrüstung der Mainzer Dieselbusflotte nicht als ausreichend betrachtet, um den Grenzwert einzuhalten – das war zuletzt aber das Hauptargument der Stadt gewesen. Maßnahmen zur verbindlichen Einhaltung des Grenzwertes seien deshalb bis zum 1. September 2019 zu ergreifen.
Beck, der derzeit die sich im Mutterschutz befindliche Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) vertritt, kündigte an, die Stadt werde den neuen Luftreinhalteplan jetzt unverzüglich erarbeiten. Die Stadt habe Maßnahmen zur Luftverbesserung von mehr als 80 Millionen Euro auf den Weg gebracht, „da kann niemand sagen, dass wir nicht versuchen werden, Mitte des Jahres zu einem Ergebnis zu kommen“, sagte Beck. Könne die Stadt Ende Juni 2019 den Nachweis erbringen, „dass wir die Werte einhalten, haben wir eine andere Gesprächsbasis.“ Die Stadt sei jetzt „in der ersten Halbzeit etwas in den Rückstand geraten“, räumte Beck zugleich an, das sei aber eher „Ansporn, in der zweiten Hälfte das Spiel zu drehen.“
Die Option eines Fahrverbotes sei „eine niederschmetternde Nachricht für den Wirtschaftsstandort Mainz“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Rheinhessen, Günter Jertz, die Wirtschaft hatte bereits am Montag vor gravierenden Folgen für Pendler und Handwerker gewarnt. „Wir sind vorsichtig optimistisch, dass es positiv weiter geht“, sagte auch Anja Obermann von der Handwerkskammer Mainz, forderte aber gleich auch, Ausnahmeregelungen für Fahrverbote müssten bürokratiearm und kostengünstig für den Handwerker sein.
Die Opposition sah das alles nicht so rosig: Die CDU-Opposition äußerte sich enttäuscht und kritisierte, die Stadtspitze aber in den vergangenen Jahren zu viel Zeit ohne Aktivitäten und umgesetzte Maßnahmen verstreichen lassen. „Dies müssen sich die grüne Verkehrsdezernentin Katrin Eder und Oberbürgermeister Michael Ebling schon ankreiden lassen“, sagten CDU-Chefin Sabine Flegel und CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig. Die Stadtspitze zeige nur auf den Bund und die Automobilindustrie, das solle „offensichtlich von den eigenen Versäumnissen ablenken.“
Dass der vor einigen Wochen verabschiedete, „eher mit heißer Nadel gestrickte“ Masterplan M3 Green City offenkundig nicht ausreichte, um das Gericht zu überzeugen, komme leider nicht ganz überraschend, sagte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster. Die Verwaltung müsse sich nämlich fragen lassen, warum Maßnahmen, wie zum Beispiel die Einführung von Grünen Wellen oder einer intelligenten Verkehrsleitung, die schon seit über zehn Jahren im Luftreinhalteplan enthalten seien, „in diesem Masterplan als Neuerungen aufgeführt wurden, obwohl sie schon längst hätten umgesetzt werden können“, betonte Gerster. Auch eine Umrüstung der Busflotte wäre „ohne Weiteres schon früher möglich gewesen.“
Die Stadt müsse jetzt alles dafür tun, die Grenzwerte im ersten Halbjahr 2019 einzuhalten, um ein Fahrverbot zu verhindern, fordert die CDU. Gelinge dies nicht, müssten der räumliche und zeitliche Umfang der Sperrungen so gering wie möglich gehalten und weitreichende Ausnahmegenehmigungen vorgesehen werden. „Ein Weg könnte ein Fahrverbot für LKW in der Innenstadt sein, die nach den maßgeblichen Gutachten für über 50 Prozent des verkehrsverursachten Stickoxid-Anteils verantwortlich zeichnen“, schlug Gerster vor.
Tatsächlich kündigte die Stadt Mainz am Mittwoch vor Gericht an, man plane ein Lkw-Verbot auf der Rheinallee – bislang hatte Dezernentin Eder das stets als nicht durchsetzbar abgelehnt. Weiter hieß es, die Stadt wolle 25 Ampelanlagen auf den neusten Stand der Technik umrüsten, um diese intensiv und umweltrelevant steuern zu können. Die „Grüne Welle“ in der Innenstadt solle Anfang 2019 feinjustiert werden, ein Programm für moderne Verkehrsleitstruktur sei beim Bund beantragt.
Der Masterplan sei ein Gesamtkonzept, das eine nachhaltigere Lösung biete, als die Einzelmaßnahme Fahrverbote, sagten auch die beiden SPD-Stadträte Martin Kinzelbach und Marc Bleicher. Mainz müsse nun „alles daran setzen die nötigen Schritte umzusetzen, dass sich die Luftqualität weiter verbessert und ein mögliches Fahrverbot im September 2019 verhindert werden kann.“ Dabei werde sich auch zeigen, „inwieweit die politischen Kräfte in Mainz bereit sind, mutige Entscheidungen im Sinne der Gesundheit der Bürger zu treffen“, warnte die SPD. Trotzdem soll die Stadt auch eine Revision gegen das Urteil prüfen.
Das forderte auch die FDP: Das Gericht habe eine Berufung ausdrücklich zugelassen, sagte FDP-Fraktionschef Walter Koppius. Und schließlich seien viele Menschen „auf den Diesel angewiesen und haben diesen im Vertrauen auf die angegebenen Standards gekauft.“ Fahrverbote wären „ein schwerer Schlag für Pendler, die Mainzer Wirtschaft und viele Bewohnerin, das wollen wir unbedingt verhindern“, betonte der FDP-Kreischef David Dietz.
Für die Dieselfahrer in Mainz werde es nun ernst, reagierten hingegen die Freien Wähler, Privatpersonen und Gewerbe müssten große Einschnitte befürchten. „Obwohl dieses Damoklesschwert schon lange über uns Mainzern schwingt, ist das Konzept der Stadt noch immer nicht rauchdicht“, kritisierte Stadtratsmitglied Claus Berndroth. „Mainz reagiert und repariert, anstatt endlich vorausschauend zu agieren“, kritisierte auch ÖDP-Chef Claudius Moseler: „Soviel hätte bereits in den vergangenen sieben Jahren, seit die Diskussion um den Diesel schwelt, umgesetzt werden können.“ Ideen und Anträge im Stadtrat dazu habe es genügend gegeben, vor allem auch von der ÖDP – etwa die Forderung, die Frischluftschneisen in Mainz frei zu halten und durch intelligente Stadtentwicklung die Stadtluft zu verbessern.
„Trauriges Fazit ist: Die Stadt hat nicht gehandelt, die Bundesregierung hat nicht gehandelt und die Autobauer drücken sich um den Austausch der „Hardware““, sagte Moseler. Oberbürgermeister Ebling bleibe derweil trotz der „klaren und vorhersehbaren Gerichtsentscheidung immer noch in seinen alten Mustern stecken“, kritisierte er. Ebling habe sich „bisher mit der Mantra-artigen Wiederholung seiner Fehleinschätzung begnügt und behauptet, dass es kein Dieselfahrverbot für Mainz geben wird.“ Nun verweigere er sich „trotzig dem Urteil einer Richterin“, die Stadtspitze habe „das eigentliche Problem offenbar immer noch nicht verstanden“, kritisierte Moseler: Nicht das Urteil bringe Mainz in Schwierigkeiten, „sondern die gescheiterte Umweltpolitik von Stadtvorstand und Ampelkoalition.“ Mainz solle das Urteil annehmen und als Chance verstehen, denn es zwinge die Politiker endlich dazu, sich ernsthaft mit den Umwelt- und Gesundheitsproblemen in unserer Stadt auseinanderzusetzen.
Die Mainzer Grünen meldeten sich in Sachen Fahrverbot nicht zu Wort, die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner sagte jedoch, Schuld an der Misere sei die Bundesregierung: „Sollten die Grenzwerte in Mainz bis Mitte 2019 nicht eingehalten werden und das Fahrverbot kommen, darf sich die Bundesregierung eine weitere Trophäe für ihre desaströse Verkehrs- und Umweltpolitik in die Vitrine stellen“, sagte Rößner. Die Stadt habe sehr viele Maßnahmen ergriffen, um zur „Green City“ zu werden, die ASutobauer rieben sich indes „Dank eines faulen Kompromisses mit der Bundesregierung die Hände“, schimpfte Rößner: „Die einzig richtige Gangart wäre hier, Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Automobilindustrie durchzusetzen.“
Das forderte auch Ebling: „Wir brauchen dringend Unterstützung durch die Bundesregierung“, sagte der OB, sie müsse „der Automobilindustrie zwischen die Hörner kloppen“ und deutlich machen, dass an verpflichtenden Hardware-Nachrüstungen kein Weg vorbei führe. „Das könnte 3 bis 4 Mikrogramm für Mainz ausmachen“, rechnete Ebling vor, „das könnte unser Delta schließen.“ Ob die Stadt Berufung gegen das Urteil einlegen wird, ließ er offen: Man werde die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und diese intensiv prüfen.
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht vom Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz zu einem möglichen Fahrverbot lest Ihr hier bei Mainz&, wir haben da auch den Verlauf der Verhandlung dargestellt.