Hochspannung im Mainzer Rathaus, dann verhaltener erster Jubel, schließlich Begeisterungsstürme und Enttäuschung im Nachbarraum. Gegen 19.00 Uhr stand fest: Es gibt eine Stichwahl am 10. November – und die Mainzer haben die Wahl zwischen Amtsinhaber Michael Ebling (SPD) und dem parteilosen Herausforderer Nino Haase (CDU/ÖDP/FW). Damit schaffte der erst 36 Jahre junge Diplom-Chemiker eine kleine Sensation: Als Seiteneinsteiger und Politneuling schaffte Haase aus dem Stand 32,4 Prozent. Ebling selbst kam auf 41 Prozent der Stimmen, enttäuschend verlief der Abend für die Grünen: Ihre Kandidatin Tabea Rößner kam nur auf 22,5 Prozent und verfehlte damit die Stichwahl.

Vorläufiges amtliches Endergebnis OB-Wahl Mainz, erster Wahlgang. - Foto: gik
Vorläufiges amtliches Endergebnis OB-Wahl Mainz, erster Wahlgang. – Foto: gik

Fünf Kandidaten waren bei der Wahl für den Mainzer Oberbürgermeister angetreten, aussichtsreich waren vor allem die drei Kandidaten der großen Parteien. Amtsinhaber Ebling setzte im Wahlkampf ganz auf seinen Amtsbonus und warb mit Verlässlichkeit, Mainz-Gefühl und einem  neuen Stadtteil. Im Wahlkampf musste er unerwartet hart kämpfen, am Sonntagabend mischte sich in den Jubel der SPD denn auch ein gutes Stück Erleichterung.

„Ich freue mich, weil Michael Ebling einen ganz großen Wahlkampf gemacht hat“, sagte SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers. Ebling habe eine gute erste Amtszeit hingelegt und sei „ein guter OB für die Stadt“, betonte Gill-Gers. Den Ausschlag habe gegeben, „dass die Menschen ihm vertraut haben.“ Ebling selbst sagte, das Ergebnis sei „ein Beleg dafür“, dass die Mainzer weiter eine Stadt mit sozialem Zusammenhalt wollten, und dass Mainz sein unverwechselbares Lebensgefühl behalten wolle.

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Amtsinhaber Michael Ebling (SPD) und SPD-Chef Mark Bleicher am Wahlabend. - Foto: gik
Amtsinhaber Michael Ebling (SPD) und SPD-Chef Mark Bleicher am Wahlabend. – Foto: gik

„Das war alles andere als ein Spaziergang“, sagte SPD-Parteichef Marc Bleicher und fügte noch an: „Es gibt in dieser Stadt keine Wechselstimmung.“ Es gebe ein knappes Drittel in Mainz, „das mit progressiver Politik wenig anfangen kann“, sagte Bleicher weiter, „70 Prozent aber, die das können – das jetzt für Michael Ebling und die Ampel einzufahren, ist jetzt unsere Aufgabe.“

Nebenan sah man das komplett anders: „Ich wusste, dass viele sagten, es kann nicht funktionieren mit einem parteilosen Kandidaten, man kann nicht einmal in die Stichwahl kommen“, sagte Haase am Wahlabend: „Wir sehen jetzt: doch, es kann.“ In nur neun Monaten von Null auf 32 zu kommen, sei „ein richtig gutes Ergebnis“, entscheidend sei gewesen, parteiübergreifend zu agieren. Viele, die nicht wählen gegangen seien, hätten geglaubt, dass er gar keine Chance habe, sagte Haase weiter: „Das holt man noch auf in der Stichwahl.“

Er wolle jetzt in den kommenden zwei Wochen „diesen Glauben, der heute bei vielen erzeugt wurde, als Motivation nutzen, dass wir eine parteiübergreifende Kultur in Mainz hinbekommen mit einem Stadtrat, der diskutiert und nicht nur lamentiert.“ Er wisse, „wie nervös mancher jetzt wird, der dachte, die Wahl ist eh‘ schon mit 50 Prozent entschieden“, sagte Haase mit Blick auf die SPD: „Es sind schon ganz andere Stichwahlen gewonnen worden.“

Der parteilose OB-Kandidat Nino Haase (CDU/ÖDP/FW) schaffte es in die Stichwahl zum Oberbürgermeister von Mainz. - Foto: gik
Der parteilose OB-Kandidat Nino Haase (CDU/ÖDP/FW) schaffte es in die Stichwahl zum Oberbürgermeister von Mainz. – Foto: gik

Haase konnte mit seinen Stimmen offenbar viele CDU-Wählen hinter sich vereinen und zudem zahlreiche Wechselwähler überzeugen, in Stadtteilen wie Hechtsheim, Marienborn und Drais holte Haase gar mit Abstand die meisten Stimmen. „Mit dem unabhängigen Kandidaten zeigen mehrere Parteien den Versuch, mit einem unabhängigen Kandidaten frischen Wind ins Rathaus zu bringen“, sagte der Generalsekretär der rheinland-pfälzischen CDU, Gerd Schreiner: „Mainz braucht nach acht Jahren Stillstand einen neuen Oberbürgermeister, der die Probleme der Stadt konkret angeht.“

Ebling konnte dagegen außer in seinem Heimatstadtteil Mombach auch in Gebieten wie der Mainzer Neustadt, Hartenberg-Münchfeld und der Oberstadt punkten – Stadtteile, die bei der Kommunalwahl noch in großem Umfang die Grünen gewählt hatten. Enttäuscht zeigte sich denn auch die Grünen-Kandidatin Tabea Rößner: „Ich habe das Vertrauen der Bürger nicht gewinnen können“, sagte sie am Abend.

Bei den Grünen herrschte ein wenig Ratlosigkeit: „Unsere grünen Themen sind ja auch von den anderen aufgegriffen worden“, sagte Stadtrat Ansgar Helm-Becker, „wir hatten erwartet, dass mehr Leute das Original wählen.“ Das Ergebnis ist aber auch eine Abrechnung der Wähler mit der bisherigen Politik der Grünen in Mainz, die seit zehn Jahren mitregieren und seit acht Jahren die Dezernenten für Verkehr, Umwelt und Finanzen stellen. Die Verkehrspolitik der Grünen stieß im Wahlkampf auf viel Kritik, Rößner wirkte mit ihren Vorschlägen für eine bessere Radinfrastruktur und eine Verkehrswende für viele nicht recht glaubhaft.

Konnte die Wähler nicht richtig überzeugen: Tabea Rößnr von den Grünen. - Foto: gik
Konnte die Wähler nicht richtig überzeugen: Tabea Rößnr von den Grünen. – Foto: gik

Bei einer Wahlbeteiligung von 45,8 Prozent gingen zudem deutlich weniger Mainzer zur Wahl als etwa bei der Kommunalwahl im Mai – Rößner fehlten am Ende die Stimmen des grünen Bundestrends. Mit ihren 22,5 Prozent schöpfte Rößner somit ungefähr das aus, was an typischem Grünen-Wähler-Potenzial in Mainz verankert ist – 20,1 Prozent waren es bei der Stadtratswahl 2014. Das zeigt auch der Vergleich zur Oberbürgermeisterwahl 2012: Damals bekam der grüne Bürgermeister Günter Beck im ersten Wahlgang 17.204 Stimmen – Rößner bekam jetzt 16.621 Stimmen.

Insgesamt waren am Sonntag 161.967 Mainzer zur Wahl aufgerufen, 74.218 Wähler gaben am Ende ihre Stimme ab – das war eine Wahlbeteiligung von 45,8 Prozent. Damit ging nicht einmal jeder zweite Mainzer zur OB-Wahl. Bei der Stadtratswahl Ende Mai waren es noch 61,9 Prozent gewesen. Für Ebling stimmten am Sonntag 30.278 Mainzer, für Haase 23.968. Für den Kandidaten der Linken, Martin Malcherek, votierten am Ende 2.063 Mainzer, das entsprach 2,8 Prozent. Für den Kandidaten der Satirepartei „Die Partei“, Martin Ehrhardt, votierten genau 999 Mainzer – das waren 1,4 Prozent. Der Briefwahlanteil betrug 19,28 Prozent.

Linken-Chef Tupac Orellana verteidigte am Abend die Entscheidung der Linken, einen eigenen Kandidaten aufzustellen: „Das war zu 300 Prozent richtig“, sagte Orellana: „Die Linke wäre sonst gar nicht vorgekommen, und soziale Themen auch nicht.“ Malcherek zeigte sich insgesamt zufrieden: „Wir konnten uns als Linke zeigen, und wir konnten zeigen, dass linke Themen in der Debatte Bestand haben“, sagte er Mainz&: „Mir persönlich ist es gelungen, die Ideen ganz gut in die Öffentlichkeit zu tragen“, deshalb sei er zufrieden. Die Entscheidung über das neue Stadtoberhaupt fällt nun am 10.November in einer Stichwahl.

Info& auf Mainz&: Alle Ergebnisse zur Oberbürgermeisterwahl in Mainz könnt Ihr im Detail – auch für jeden Stadtteil – hier im Internet auf der offiziellen Wahlergebnisseite ansehen. Alles zur Mainzer OB-Wahl 2019 findet Ihr in unserem Mainz&-Dossier OB-Wahl 2019 genau hier.

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