Jetzt wird es ernst für Diesel-Fahrzeuge in Mainz: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will nun endgültig auf gerichtlichem Weg Fahrverbote für Diesel in Mainz ab 2018 durchsetzen. Man habe nun die Klage gegen die Stadt Mainz wegen der hohen Abgasbelastung wieder aufgenommen, teilte die DUH am Mittwoch mit. Man akzeptiere nicht länger, „dass Mainz auf Zeit spielt und die freie Fahrt für Dieselstinker höher bewertet als die Gesundheit seiner Bürger.“ Die Stadt Mainz reagierte gekränkt: Die DUH würdige die „großen Anstrengungen“ von Mainz in Sachen Verringerung der Schadstoffbelastung nicht, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne). Auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) schaltete sich ein – und kritisierte den Bund. Dort wird derzeit über eine „Blaue Plakette“ für Diesel gestritten.

Auto an Auto: die Rheinallee - Foto: gik
Dichter Verkehr auf der Rheinallee bedeutet auch hohe Stickstoffdioxid-Gase – Foto: gik

„Wir sind zuversichtlich, dass in der Landeshauptstadt Mainz ab 2018 Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zur Einhaltung der geltenden Grenzwerte gelten werden“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die Mainzer Stadtregierung „verweigert nun seit sechs Jahren ihren Bürgern das Recht auf ‚Saubere Luft‘ und verstößt damit gegen Artikel 2 des Grundgesetzes, dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“

Der Versuch der DUH, außergerichtlich wirksame Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung zu erreichen, „müssen wir nach knapp drei Jahren als endgültig gescheitert erklären“, betonte Resch. Man hoffe nun auf eine schnelle Entscheidung des Mainzer Verwaltungsgerichts – und gehe davon aus, dass es spätestens 2018  ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in Mainz geben werde.

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Klage aus 2011 ruhte – Mainz nicht genug getan

Bereits im November 2011 hatte der Umweltverband Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid in Mainz eingereicht. Hintergrund: Der seit 2010 verbindlich geltende Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter im Jahresdurchschnitt. Der nämlich wird in Mainz erheblich überschritten, und zwar seit Jahren. „Die Herkunft dieses gefährlichen Atemgiftes ist zu 87 Prozent dem Straßenverkehr und insbesondere den dieselbetriebenen Fahrzeugen zuzuschreiben“, betont die DUH.

CO2-Austritt Walpodenstraße Autos - Foto Linda
Dicke Luft in Mainz: Die DUH verklagt die Stadt Mainz wegen zu hoher Schadstoffe durch Diesel – Foto: Linda

Im Dezember 2013 hatte sich die DUH dann bereit erklärt, ihre Klage ruhen zu lassen, um mit der Stadt außergerichtlich zu einer Lösung zu kommen. „Die Stadt Mainz sollte unter anderem Messungen in Auftrag geben, die verkehrsbezogenen Hauptemittenten identifizieren und geeignete Maßnahmen zur kurzfristigen Einhaltung der Grenzwerte ergreifen“, heißt es weiter.

Knapp drei Jahre später aber würden die NO2-Grenzwerte in Mainz weiterhin überschritten. Man bedaure das Scheitern der außergerichtlichen Verhandlungen, aber nun müsse man wirksame Maßnahmen gegen die anhaltend hohe Luftbelastung in Mainz gerichtlich erwirken. Die Stadt habe einfach „keine Maßnahmen ergriffen, welche die Schadstoffbelastung kurzfristig senken werden“, kritisiert die DUH.

Stadt Mainz: Maßnahmen werden nicht gewürdigt

In Mainz sieht man das aber anders: Die Stadt sei „überaus enttäuscht“, dass die DUH „die Kraftanstrengungen“ der Stadt zur Verringerung der Schadstoffbelastungen nicht würdige, sagte Umweltdezernentin Eder. Man habe in den vergangenen Jahren „zahlreiche Maßnahmen ergriffen und große Anstrengungen unternommen“, um die Luftreinhaltung in Mainz zu verbessern, soweit die Kommune das überhaupt könne. Als Maßnahmen zählte Eder dazu auf: die Einführung der von der DUH geforderten Umweltzone, eine „nennenswerte Steigerung“ des Radverkehrsanteils von 12 auf 20 Prozent – und insbesondere die Realisierung der Mainzelbahn.

Allerdings ist das Straßenbahnprojekt noch immer im Bau, erst ab Dezember soll die Bahn rollen – die Auswirkungen können frühestens im kommenden Jahr greifen. Ob die Mainzelbahn dann tatsächlich etwas dazu beiträgt, dass weniger Diesel durch Mainz rollen, darf bezweifelt werden – eine kurzfristige Reduzierung der Schadstoffe, wie ja von der DUH gefordert, war die Mainzelbahn sicher nicht. Und offenbar hat auch die tatsächliche Steigerung des Radanteils ebenso wenig den Stickstoffdioxidausstoß positiv beeinflusst wie die Umweltzone – auch Diesel-Fahrzeuge erhalten schließlich die grüne Plakette, die zur Einfahrt berechtigt.

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Tabelle zu den Jahresmittelwerten von Stickstoffdioxid in Mainz, gelb markiert sind die Überschreitungen – Grafik: LUF

Stickstoffdioxidwerte weiter über Grenzwert

Tatsächlich musste die Stadt Mainz am Mittwoch im Stadtrat einräumen: Die Stickstoffdioxid-Jahreswerte haben sich in Mainz kaum oder gar nicht verbessert. Insbesondere an drei neuralgischen Punkten wird der Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm weiter erreicht oder deutlich überschritten: Spitzenreiter ist die Parcusstraße mit einem Jahresmittelwert von 57 Mikrogramm, an zweiter Stelle steht die Große Langgasse mit 45 Mikrogramm. Vor fünf Jahren aber war die Luft in der Großen Langgasse mit 46 Mikrogramm genau so dreckig, in der Parcusstraße wurden 2011 56 Mikrogramm gemessen.

Eine leichte Verbesserung gab es allein in der Rheinallee: Hier wurden 2011 noch 45 Mikrogramm gemessen, 2015 waren es aber immer noch 40 Mikrogramm. Und die Zitadelle lag mit 39 Mikrogramm auch nur hauchdünn unter dem Schwellenwert, vor fünf Jahren wurde der hier noch mit genau 40 Mikrogramm erreicht. Tatsache ist: Mainz hat in den vergangenen fünf Jahren keine Verbesserung der Luftverschmutzung in Sachen Stickstoffdioxid erreicht.

Zurückgegangen seien aber die Werte bei Feinstaub und Ruß, betont die Stadt: Der Jahresmittelwert beim Feinstaub sei in der Parcusstraße von 34 Mikrogramm im Jahr 2005 auf nur noch 24 Mikrogramm in 2015 gesunken – auch hier liegt der Grenzwert bei 40 Mikrogramm, jeweils auf Kubikmeter gerechnet. Der Tagesmittelgrenzwert von 40 sei in den vergangenen Jahren zwischen 9 und 19 Mal pro Jahr überschritten worden, erlaubt sind 35 Tage pro Jahr. Zudem sei seit Einführung der Umweltzone die Rußbelastung zurückgegangen: Betrug der Jahresmittelwert in der Parcusstraße 2011 noch 3,7 Mikrogramm pro Kubikmeter, so seien es 2015 nur noch 2,6 Mikrogramm gewesen. Dies könne als ein Erfolg der am 01.02.2013 eingeführten Umweltzone betrachtet werden, betonte die Stadt.

MVG Bus am Höfchen
Auch Diesel betriebene Busse sind Dreckschleudern par Excellence – Foto: Grimminger

Fast 35 Prozent aller Autos in Mainz sind Diesel

Der DUH aber reichen diese Verbesserungen nicht, vor allem auch, weil die Stickstoffdioxidbelastung hausgemacht ist: Rund 60 Prozent der Verursacher an der Messstation Parcusstraße sind „als lokaler Anteil zu bewerten“ – im Klartext: Autos aus Mainz. In der Großen Langgasse beträgt der lokale Anteil 49 Prozent, in der Rheinallee und an der Zitadelle 41 bis 43 Prozent. Grund sei, wie überall in Deutschland, die Zunahme der Dieselfahrzeuge, teilte die Stadt weiter mit:  Mittlerweile sind 34,8 Prozent aller Pkw in Mainz Diesel, allein in den vergangenen zwei Jahren sei ihre Zahl um 3.028 gestiegen, das entspricht einem Plus von 9,5 Prozent.

Die DUH will deshalb nun sofort schnelle Maßnahmen und fordert Fahrverbote für Diesel. Die Stadt spiele zu Lasten ihrer Bürger auf Zeit und verweigere wirksame Maßnahmen, kritisiert sie – und verweist auch darauf, dass allein rund ein Viertel der NO2-Belastung von Bussen des öffentlichen Nahverkehrs verursacht wird, 15 Prozent durch Transporter und Lkw. Und die Stadt habe die eigentlich für 2014 vereinbarten abschließenden Stickstoffdioxid-Messungen durch die Universität Heidelberg erst im Juni 2016 vorgelegt.

Höfken fordert Änderung der Abgasverordnung – vom Bund

Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) verteidigte unterdessen die Stadt, die viel getan habe, und sieht den Bund in der Pflicht: „Die DUH müsste eigentlich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verklagen“, sagte Höfken Mainz& am Mittwoch in Mainz. Der nämlich müsse die Abgasverordnung ändern, damit endlich die Grenzwerte für Diesel-Fahrzeuge gesenkt würden. „Dann hätten wir 80 Prozent weniger Emissionen aus Diesel“, sagte Höfken, „dann kämen die Städte auch auf ihre Werte.“ Den Städten fällt nun auch auf die Füße, dass die Autobauer jahrelang bei den Abgaswerten tricksten – und die Autos viel mehr Schadstoffe ausstoßen, als eigentlich vom Gesetzgeber vorgesehen. Eine schnelle Reduzierung der Schadstoffe wäre durch eine Änderung der Abgasordnung zudem nicht zu erreichen – unwahrscheinlich, dass eine Änderung noch vor der Bundestagswahl 2017 kommt.

Und just seit heute diskutieren die Verkehrsminister von Bund und Ländern über eine weitere Maßnahme: Die Einführung einer „Blauen Plakette“, wie sie der BUND seit Jahren fordert. Die würde die Diesel-Fahrzeuge in schädlichere und weniger schädlichere Fahrzeuge unterteilen – allerdings werden weitgehend „saubere“Diesel nach der Euro-Norm 6 erst seit vergangenem Jahr überhaupt verkauft, berichtet der SWR, der das Thema Blaue Plakette sehr schön zusammenfasst. Der ADAC ist deshalb – natürlich – gegen die Blaue Plakette und fordert schon jetzt umfangreiche Ausnahmen. Die wiederum würden aber die Wirkung gleich wieder untergraben. SWR-Umweltexperte Werner Eckert kommt deshalb zur Einschätzung: „Die einfachste und wirkungsvollste Maßnahme wäre ein pauschales Fahrverbot für Diesel in den Innenstädten.“

Erste Variobahn für Mainzelbahn - Foto MVG
Hilft die Mainzelbahn bei der Vermeidung der Luftverschmutzung? – Foto: MVG

Klage gegen Düsseldorf schon gewonnen

DUH-Anwalt Remo Klinger sieht denn auch für die Klage gegen die Stadt Mainz gute Chancen – gerade erst gewann die DUH am 13. September ein Verfahren gegen die Stadt Düsseldorf in genau derselben Sache. Auch dort lagen die Messwerte trotz zahlreicher Maßnahmen und trotz Umweltzone 2015 noch immer weit über dem Grenzwert und mit 59 Mikrogramm ähnlich hoch wie in Mainz.

Die Kammer des Verwaltungsgerichts urteilte deshalb, die Stadt müsse aus staatlicher Pflicht zum Schutz der Gesundheit den Grenzwert „schnellstmöglich“ einhalten und dafür sofort seine Luftreinhaltepläne fortschreiben. In diesem Rahmen müssten „insbesondere auch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ernstlich geprüft und abgewogen werden“, forderte das Gericht. Das geltende Immissionsschutz- und Straßenverkehrsrecht enthalte dafür schon jetzt entsprechende Grundlagen.

Das Urteil zeige, dass die rechtlichen Grundlagen für Beschränkungen des Fahrens mit Dieselautos längst bestünden, betonte Klinger, und fügte hinzu: „Wenn der Stadt keine anderen Maßnahmen einfallen, mit denen der Grenzwert endlich eingehalten werden kann, werden wir auf Zufahrtsbeschränkungen für Dieselautos auch im Verfahren gegen Mainz bestehen.“

Info& auf Mainz&: Mehr Hintergrundinformationen zur Klage der Deutschen Umwelthilfe DUH gegen die Stadt Mainz findet Ihr hier im Internet, das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13.9.2016 könnt Ihr hier nachlesen.

 

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