Nach langem Lockdown öffnet sich nun auch der Alte Dom von Mainz wieder langsam für Besucher und Kirchengemeinde: Am Wochenende startet die Johanniskirche im Herzen von Mainz wieder mit ersten Andachten – am Sonntag dürfen Besucher ab 13.00 Uhr Ein-Blicke in die Kirche nehmen, die seit 2013 zum spannendsten archäologischen Grabungsfeld von Mainz geworden ist. Während des Lockdowns wurde der Putz im Innenraum komplett entfernt, der Fußboden liegt noch immer offen und zeigt die Gruben der alten Gräber – auch der Sarkophag des Erzbischofs Erkanbald ist zu sehen. Entlang des Bauzauns geben von außen Gucklöcher spannende Einblicke in die Geschichte des ersten Mainzer Doms.

Dekan Andreas Klodt in der Johanniskirche in Mainz, der Alte Dom ist derzeit innen völlig eingerüstet. - Foto: gik
Dekan Andreas Klodt in der Johanniskirche in Mainz, der Alte Dom ist derzeit innen völlig eingerüstet. – Foto: gik

Die Geschichte der Wiederentdeckung des Alten Doms zu Mainz begann mit einer Fußbodenheizung, acht Jahre später ist der Mainzer Dekan Andreas Klodt beim gleichen Thema wieder angekommen: „Wir würden die Kirche gerne mal beheizen“, seufzt Klodt, und muss unwillkürlich schmunzeln – schließlich war es eine Fußbodenheizung, die der Evangelischen Johanniskirche das wohl ungewöhnlichste Problem einer Kirche in Deutschland einbrockte: Weil die Gemeinde in dem damals als eher unscheinbar eingeschätzten Kirchenbau im Schatten des großen Mainzer Doms eine Heizung einbauen wollte, riss man den Fußboden auf – der Rest ist Geschichte.

Und das buchstäblich: Seit 2013 haben Archäologen in der Johanniskirche die sensationelle Baugeschichte einer der ältesten Kirchen Deutschlands ausgegraben. Der erste Kirchenbau dürfte hier womöglich schon im 5. Jahrhundert nach Christus errichtet worden sein, in einer Zeit also, als einer der frühesten Mainzer Bischöfe, der Franke Sidonius, den Mainzer Bischofsstuhl bestieg. Das war um das Jahr 566/567, und Sidonius reorganisierte das frühe Bistums und wirkte auch als Bauherr. Einen dreischiffigen Pfeilerbau können die Archäologen inzwischen an der Stelle von St. Johannis belegen, so steht es in einer neuen kleinen Broschüre: „St. Johannis, der Alte Dom von Mainz“ fasst nun erstmals die neuesten Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre kompakt zusammen.

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Der aktuelle Zustand des Fußboden in St. Johannis: Tiefe Grablöcher. - Foto: gik
Der aktuelle Zustand des Fußboden in St. Johannis: Tiefe Grablöcher. – Foto: gik

Das frühe Baualter konnten die Experten aus Datierungen von Holzkohle aus dem Mörtelboden der Kirche ziehen, fünf Meter tief gruben sich die Forscher in den vergangenen acht Jahren in den Kirchenboden und das Erdreich darunter. Sie fanden Mosaike und antike Fußböden, und Mauerreste aus der Römerzeit: Kaiserzeitliche Gebäudereste nördlich des Ostchores und im Mittelschiff belegen, dass der Alte Dom zu Mainz auf römischen Fundamenten ruht. Die Analyse von Kernbohrungen zeigte zudem: Die Kulturgeschichte des Geländes reicht bis zu sieben Meter unter das heutige Straßenniveau, „die Anfänge des Platzes sind somit noch verborgen“, bilanzieren die Forscher.

„Wir haben kein Wasser im Untergrund wie der Dom, aber wir haben Hohlräume im Untergrund“, sagte Dekan Klodt nun. Deshalb sei die derzeitige Aufgabe, die Statik des Baus zu sichern. Gleichzeitig nutzte das Evangelische Dekanat die Zeit des Lockdowns für weitere umfangreiche Arbeiten an dem Kirchenbau. So wurde im gesamten Inneren der Putz abgeschlagen, auch um weitere Erkenntnisse über die Baugeschichte zu sammeln. „Der Putz wurde abgenommen, weil er nicht ganz zum Mauerwerk passt – er stammte aus den 50er Jahren“, erklärte Klodt.

Der Sarkophag des früheren Erzbischofs Erkanbald ruht samt Inhalt wieder an seinem angestammten Platz im Kirchenschiff des Alten Doms. - Foto: gik
Der Sarkophag des früheren Erzbischofs Erkanbald ruht samt Inhalt wieder an seinem angestammten Platz im Kirchenschiff des Alten Doms. – Foto: gik

Der heutige Kirchenbau stammt aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts oder dem frühen 11. Jahrhundert, so viel wissen die Forscher heute – aufgebaut auf einem Vorgängerbau, der wohl im 7. Jahrhundert entstand. Denn spätestens unter dem berühmten Mainzer Bischof Bonifatius Mitte des 8. Jahrhunderts sei „das Patrozinium der Kathedrale fassbar“ gewesen, schreiben die Forscher: „Sie war St. Martin“, der Alte Bischofsdom von Mainz. Mindestens 40 Meter lang und fast 29 Meter breit war die Kathedrale des 10. Jahrhunderts, allein das Mittelschiff maß beeindruckende 13,23 Meter – im August 1021, vor genau 1000 Jahren also, wurde hier der verstorbene Mainzer Erzbischof Erkanbald in seinem Sarkophag begraben.

Die Entdeckung seines Sarkophags Ende 2018 war ein Highlight der Grabungsarbeiten, die Öffnung des Sarkophags 2019 eine Sensation – im Inneren wurden die Überreste Erkanbalds samt Resten seines seidenen Untergewands, seiner Schuhe und des Palliums gefunden. Es war der spektakulärste, aber mitnichten der einzige Fund in St. Johannis. Mehr als 500.000 Fundstücke bargen die Archäologen aus dem Boden, rund 260 Bestattungen wurden entdeckt und werden weiter erforscht.

Aktueller Anblick des Kirchenschiffs im Alten Dom im Juni 2021. - Foto: gik
Aktueller Anblick des Kirchenschiffs im Alten Dom im Juni 2021. – Foto: gik

Aktuell sieht man ihre Grablöcher noch immer im offenen Boden, in dessen Mitte wieder prominent – und gut verschlossen – Erkanbald in seinem Sarkophag ruht. Sein Grab sei auch das älteste in St. Johannis, vorher sei nie ein Mensch in der Kathedrale bestatte worden – alle anderen Gräber wurden erst danach angelegt, so die Forscher.

Ungeklärt ist derweil noch immer die Frage: Wie wird die heutige evangelische Kirche einmal nach ihrer Neugestaltung aussehen, und wie sollen die spektakulären Grabfunde einmal präsentiert werden? „Wie man das macht, darüber muss man noch gründlich nachdenken“, sagte Klodt. Seit dem 1. Januar kümmere sich ein achtköpfiges Ratsgremium aus Kirchengemeinde und Dekanat um das Thema, derzeit würden gerade Gelder beantragt für die Erstellung der weiteren Konzeption, eine Stelle für Kirchenpädagogik solle ausgeschrieben werden, auch für die Öffentlichkeitsarbeit werde man jemanden suchen. „Wir wollen ein Team zusammenstellen“, sagte Klodt, „es ist eine Zeit des Erprobens, Ausprobierens, Überlegens.“

Eine umfangreiche Dokumentation der Baugeschichte des Alten Doms ist von außen am Bauzaun zu sehen. - Foto: gik
Eine umfangreiche Dokumentation der Baugeschichte des Alten Doms ist von außen am Bauzaun zu sehen. – Foto: gik

Bis Ende des Jahres soll nun das riesige Baugerüst abgebaut sein, dann wolle man schauen, wie der Kirchenbau inzwischen in seiner Rohform wirke, sagte Klodt weiter: „Es ist ein Ort historischer Ursprünglichkeit.“ Man wolle zudem Fachleute einladen, Ideen für die künftige Gestaltung der Kirche zu entwickeln. Schließlich sei die Kirche auch immer noch ein Gotteshaus, in dem Gottesdienste und Gemeindeleben wieder stattfinden sollten – auch im Winter. „Die Frage ist: Wie kriegen wir denn Wärme in die Kirche?“, sagte Klodt, und seufzte: „Eine Heizung…“

Am Sonntag öffnet die Johanniskirche nun aber erst einmal ihre Tore für Besucher wieder: Ab 13.00 Uhr gebe es die Möglichkeit, „Ein-Blick in den Dom zu nehmen“, sagte Pfarrer Gregor Ziorkewicz. Echte Führungen durch den Bau seien derzeit aus Corona-Gründen noch nicht wieder möglich, im Kirchenraum würden aber Experten anwesend sein, die Auskunft geben könnten über Baugeschichte und Ausgrabungsfunde. Dazu wurde auf dem Bauzaun um die Kirche herum eine umfassende Dokumentation der Historie des Alten Doms angebracht, fast ein Dutzend Gucklöcher erlauben dazu einmalige Ein-Blicke: Durch sie wirft der Besucher einen Blick auf Rekonstruktionen des Alten Doms von den Anfängen bis zu seiner spektakulären Gestaltung als Jugendstilkirche vor gut 100 Jahren.

Rekonstruktion des "Paradiesgangs", des alten Verbindungsgangs zwischen Altem und Neuen Mainzer Dom. - Foto: gik
Rekonstruktion des „Paradiesgangs“, des alten Verbindungsgangs zwischen Altem und Neuen Mainzer Dom. – Foto: gik

Das neueste Element der Rekonstruktionen findet sich direkt an der Ecke zum Leichhof, gegenüber des heutigen Doms St. Martin: Eine Darstellung des alten „Paradiesgangs“, jenes überdachten Verbindungsganges, der vor mehr als 800 Jahren den alten und den neuen Dom zu Mainz verband. Der Paradiesgang sei zum 1250 entstanden und habe bis ins 18. Jahrhundert gestanden, sagte Ziorkewicz: „Vielleicht schaffen wir es eines Tages noch, denn Gang auf dem Boden zu markieren.“

Info& auf Mainz&: Das Büchlein über die Baugeschichte des Alten Doms zu Mainz gibt es zum Preis von 3,- Euro beim Evangelischen Dekanat in Mainz, Adresse und Kontaktmöglichkeiten findet Ihr hier im Internet, auf der Internetseite gibt es auch eine Webdokumentation der Grabungsgeschichte. Am Sonntag, den 13. Juni, steht der Alte Dom ab 13,.00 Uhr für Besucher zum „Ein-Blick“ offen, Interessierte werden gebeten, sich unbedingt vorher anzumelden, und zwar unter dieser Email-Adresse: gregor.ziorkewicz@ekhn.de. Mehr zur Baugeschichte des Alten Dom St. Johannis lest Ihr hier auf Mainz&, mehr zu den Funden während der Grabungsarbeiten gibt es hier, und unsere Reportage von der Öffnung des Sarkophags von Erkanbald könnt Ihr hier nachlesen, Mainz& war damals live dabei. Wie die Johanniskirche vor gut 100 Jahren als Jugendstilkirche aussah, könnt Ihr hier sehen. Und weil wir wissen, wie spannend der Alte Dom für viele ist – hier eine kleine Bildergalerie mit Fotos aus dem Juni 2021:

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