Was trägt der Meenzer Narr in der Kampagne um den Hals? Ganz klar: Das Zugplakettche. Seit 1950 hilft die kleine Umhängefigur bei der Finanzierung des Mainzer Rosenmontagszuges, in diesem Jahr kommt das Zugplakettche gleich dreifach daher: Füsiliergardist, Prinzengardist und Ranzengardist zieren 2019 des Narren Brust. Die Figuren sind kleiner als sonst, damit sie auch in dreifacher Ausfertigung nebeneinander auf die Brust passen. Trotzdem sind sie genauso teuer wie sonst: 4,50 Euro kostet das Stück. Die Fastnacht wird immer teurer, die Kosten für den Rosenmontagszug sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen – Hauptsächlich der umfangreichen Sicherheitskonzepte wegen. Nun starten die Narren eben dreifach gerüstet in den Kampf gegen Mucker und Philister – am Sonntag wird pünktlich um 11.11 Uhr das Närrische Grundgesetz verkündet und der Narretei gehuldigt.
Jedes Jahr am 11.11. rufen die Narren für einen Tag die Fastnacht aus, bevor der Weihnachtstrubel die vierfarbbunte Narretei noch einmal verdrängt. Am Elften im Elften huldigen die Fastnachter natürlich der Elf, es ist die Narrenzahl schlechthin. Bereits im frühen Mittelalter gab es nicht nur vor Ostern, sondern auch vor dem Weihnachtsfest eine 40-tägige Fastenzeit, vor deren Beginn noch einmal kräftig geschlemmt und die dann verbotenen Speisen vertilgt wurden. Bis heute hat sich der Brauch im traditionellen Gänseessen zu St. Martin erhalten, das ja ebenfalls am 11. November gefeiert wird. 1823 bestimmte ein “Festordnendes Comitee” in Köln den 11.11. zum Beginn der Vorbereitungen für die Karnevalszeit, seither lüpfen die Narren am oder um den 11.11. herum ein kleines Stück den Vorhang für die Narrenwelt.
Die Elf galt von jeher als närrische, geheimnisvolle, verrückte Zahl, sie steht außerhalb der Norm und galt als Zahl der Maßlosigkeit, ja geradezu als Zahl des Teufels. Nicht zehn wie die Gebote der Bibel, nicht zwölf wie die Apostel Jesu – die Elf entzog sich der kirchlichen Ordnung. “Da man im Mittelalter in jedem Menschen einen Narren sah, der die Zehn Gebote übertrat, war die Zahl Elf geradezu das Kennzeichen der Narren”, sagt der Dieter Degreif, Schriftführer der Mainzer Prinzengarde.
Als Fastnachtszahl trat die Elf seinen Forschungen zufolge erstmals 1842 in Erscheinung, heute deutet sie der Präsident des Mainzer Carnevals-Vereins (MCV), Reinhard Urban, so: “Der 11.11. steht in der Fastnacht dafür, dass einer neben dem anderen steht, man in Einigkeit und Brüderlichkeit füreinander da ist”. Ob Gardist, Feldmarschall oder Trommler, Fahnenschwenker oder Fastnachtsredner, in der Fastnacht könne der eine nicht ohne den anderen, brauche jeder den anderen für das Gelingen und profitiere man voneinander, sagt Urban.
In der Kampagne 2019 nun macht der MCV die Mainzer Garden zum großen Narrenthema, schließlich lautet das offizielle Motto: “Der Gardisten bunte Pracht, erfreut ganz Meenz an Fassenacht.” Mehr als 20 Garden gibt es allein in Mainz, sie sind das Rückgrat der Fastnacht und gestalten mit ihren bunten Uniformen das Bild der Straßenfastnacht sowie auf den Bühnen der Saalfastnacht. Die ersten Garden entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts als Persiflage auf das preußische Militär, die jüngsten vor wenigen Jahren.
Nun sollen drei Gardisten tatkräftig bei der Finanzierung des Mainzer Rosenmontagszuges helfen: Das Zugplakettche 2019 ehrt die Mainzer Füsiliergarde, die im kommenden Jahr ihren 66. Geburtstag feiert. “Damit der Füsilier nicht so allein dasteht in seinem Jubeljahr, haben wir ihm den Prinzengardisten und den Ranzengardisten zur Seite gestellt”, sagte Walter Born vom Mainzer Carnevals-Verein am Dienstag in Mainz: “Ein einsamer Kampf gegen Mucker und Philister ist ja auch nicht so schön.”
In diesem Jahr ehren die Zugplakettcher die Mainzer Füsiliergarde, die in der Kampagne ihren 66. Geburtstag feiert. Dem Füsilier zur Seite steht ein Prinzengardist, denn die Prinzengarde war damals die Patin bei der Neugründung der Füsiliergarde. Der dritte Gardist verkörpert die Ranzengarde, die älteste Mainzer Garde, gegründet 1837. Jedes der drei Figürchen wurde vom Comiczeichner Michael Apitz entworfen, der seit der Kampagne 2018 auch die Entwürfe der närrischen Motivwagen für den Rosenmontagzug fertigt.
15.000 Stück pro Gardist hat der MCV bestellt, die insgesamt 45.000 Zugplakettcher sollen einen Reinerlös von bis zu 90.000 Euro für den Rosenmontagszug erbringen. “Der Zug wird immer teurer”, sagte MCV-Präsident Urban, zwischen 500.000 und 650.000 Euro koste die Straßenfastnacht inzwischen. Finanziert wird das durch Spenden, den verkauf von Merchandising sowie die Einnahmen aus der Saalfastnacht – und da haben die Mainzer Vereine 2019 ein Problem: Weil der große Saal der Rheingoldhalle wegen Renovierungsarbeiten nicht zur Verfügung stehen wird, müsse allein der MCV zehn Sitzungen anbieten, sagte Urban. 2.300 Zuschauer fasse der große Saal, das Ausweichquartier Gutenbergsaal aber nur rund 1200 – dem MCV drohen Einnahmeverluste.
Gleichzeitig sind besonders die Kosten für die Sicherheit in den vergangenen Jahren explodiert. Auch deshalb weitet der Verein das Merchandising in jedem Jahr aus – besonders rund um die beliebte Zugente. So gibt es inzwischen eine Zugente für die Badewanne, eine Zugente als Schlüsselanhänger und eine Zugenten-Spieluhr, die den Narhallamarsch spielt. Besonders beliebt sei such die Zugente als Ansteck-Pin, wieder aufgelegt wurde der Zugenten-Wirbler. Neu ist in diesem Jahr zudem ein Weinhefe-Schnaps, der in einer Glasflasche daherkommt, an deren Boden eine Zugente sitzt – für stolze 48,- Euro.
Verkauft werden die Zugplakettcher ab dem 11.11.: Kommenden Sonntag wird dann wieder pünktlich um 11.11 Uhr vom Balkon des Osteiner Hofs am Schillerplatz die Fastnacht ausgerufen und das Närrische Grundgesetz verkündet. In den elf Artikeln heißt es unter anderem: “Die Würden des Narren ist unantastbar”, der Narr ist frei, gleich und tolerant. Ferner schreibt die Narrencharta vor, sich zu Kostümieren, viel “Helau” zu rufen und Volkes Meinung kund zu tun – das ganze Närrische Grundgesetz lest Ihr hier bei Mainz&.
Traditionell verkleiden sich die Narren denn auch bereits am 11.11. für einen Tag. Man habe auch mit dem Dom gesprochen und vereinbart, dass Gottesdienstbesucher am Morgen auch solcherart verkleidet den Gottesdienst besuchen dürften, sagte Organisator Thomas Neger. So können sich die Narren gleich anschließend ins fröhliche Getümmerl stürzen: Von 11.11 Uhr bis abends um 18.00 Uhr geben sich auf der großen Bühne auf dem Schillerplatz Fastnachtsbands wie die Humbas mit Thomas Neger, Oliver Mager und Oliver Wiesmann mit Bands, Pit Rösch und die Rotrockrapper der Prinzengarde die Ehre.
Auch Frauen stehen auf der Bühne, dabei sind unter anderem die “Meenzer Mädcher” und Fastnachts-Newcomerin Kia Resch, die unter anderem durch die “Narrenschau” des Gonsenheimer Carnevals-Vereins den Sprung auf die Mainzer Bühnen schaffte. Moderator Thomas Neger wird zudem in der Moderation von Aline Leber unterstützt – so langsam entern Frauen die großen Fastnachtsbühnen. Gut so! Erstmals dabei: Christian Schier mit seiner Band “Ernesto Negro und die geheilten Gänsjer”, bestens bekannt von der Gonsenheimer “Stehung”. Der MCV appelliert an alle Gäste, auf das Mitbringen von Glas und auf große Taschen und Rucksäcke zu verzichten – der Sicherheit wegen.
Info& auf Mainz&: Fastnachtsproklamation am 11.11. um 11.11 Uhr vom Balkon des Osteiner Hofes am Mainzer Schillerplatz. Zuvor marschieren Schwellköppe und Garden sternförmig auf den Platz zu, das Bühnenprogramm startet dann nach Proklamation, Reden und Grundgesetz-Verkündung gegen 11.30 Uhr und geht bis 18.00 Uhr. Gott Jokus hat nach Angaben des MCV elf Grad versprochen. Ab dem 11.11. könnt Ihr auch die Zugplakettcher erwerben: in der MCV-Geschäftsstelle, in verschiedenen Läden in der Innenstadt, bei den fliegenden Plakettcher-Verkäufer des MCV – oder hier im MCV-Shop im Internet.