Über ein Handyverbot an Schulen wird in Deutschland immer wieder diskutiert, nun prescht das Bundesland Hessen vor: Schon ab dem nächsten Schuljahr will das Nachbarland mit „Smartphone-Schutzzonen“ den privaten Handygebrauch an seinen Schulen massiv einschränken. Im Kern heißt das: Die private Verwendung von Handys durch Schüler soll in Schulgebäuden und auf dem Schulgelände grundsätzlich verboten werden. In Rheinland-Pfalz sieht man indes die Schulen in der Verantwortung, das stößt auf scharfe Kritik: Das Land müsse mit einer einheitlichen Regelung den Schulen den Druck nehmen, fordert die CDU.

Hessens Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) in einem Klassenzimmer - Foto:  HMKB/ Annika List
Hessens Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) in einem Klassenzimmer – Foto: HMKB/ Annika List

Handys gelten als große Zeitkiller, gerade bei Kindern und auch bei Jugendlichen ist ihre Nutzung durchaus umstritten: Neben dem positiven Nutzen der Medienkompetenz stehen Probleme wie Mobbing und Fakenews, dazu der häufig negative Einfluss von sozialen Medien auf Psyche und Selbstwertgefühl der Heranwachsenden. „Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie sich eine ausufernde Smartphone-Nutzung mit teilweise verstörenden Inhalten auf Social Media weiter negativ auf die psychische Gesundheit und Lernfähigkeit junger Menschen auswirkt“, sagte nun Hessens Bildungsminister Armin Schwarz (CDU).

Nach Jahren einigungsloser Debatten in der Kultusministerkonferenz preschen deshalb nun einige Bundesländer vor, und kündigen generelle Verbote für die Handynutzung in Schulen an – so etwa am Montag das Saarland. Vergangenen Donnerstag hatte bereits Hessen als  erstes Bundesland einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt, darin wollen CDU und SPD gemeinsam die private Handynutzung in hessischen Schulen weitgehend verbieten.

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Hessen: Handynutzung generell verbieten, Ausnahmen möglich

Die Regelung sieht vor, dass die private Verwendung von mobilen Endgeräten für Schüler im Schulgebäude und auf dem Schulgelände grundsätzlich unzulässig sein soll, mitführen dürfen die Schüler die Geräte aber. An weiterführenden Schulen sollen in den Sekundarstufen I und II Ausnahmeregelungen für definierte Bereiche in der Schulordnung möglich sein, etwa in Oberstufenräumen. In Grundschulen solle eine private Handynutzung aber grundsätzlich verboten werden, Ausnahmen gelten zu medizinischen Zwecken, in Notfällen und für den Unterricht in Medienbildung.

Grundschulkinder im Mainzer Jugendmaskenzug als Handy-Apps. - Foto: gik
Grundschulkinder im Mainzer Jugendmaskenzug als Handy-Apps. – Foto: gik

„Unsere Schulen müssen geschützte Räume sein, in denen unsere Kinder und Jugendlichen frei von Ablenkung und Ängsten lernen können“, begründete Schwarz den Vorstoß. Es sei notwendig, den Schülern „einen bewussten und kompetenten Umgang mit modernen Medien beizubringen und diesen zu fördern“, diese Vermittlung soll ausgeweitet werden. Aktuelle wissenschaftliche Studien bestätigten aber „die Gesundheitsgefahren eines hohen Medienkonsums bei jungen Menschen“, unterstrich der Minister. Deswegen sei gerade mit Blick auf die jüngeren Schulkinder  „ein entschlossenes Vorgehen geboten.“

Gerade Grundschulkinder sollten in den Pausen „wieder gemeinsam spielen und nicht alleine in der Ecke vor sich hin oder übereinander chatten“, sagte Schwarz weiter. In der Schule lerne man nicht nur den Unterrichtsstoff, sondern auch das soziale Miteinander, das könne nicht durch den Blick auf den Bildschirm ersetzt werden. „Die ständige Online-Präsenz schadet den Beziehungen und verhindert echte Begegnungen“, sagte Schwarz. Mit den einheitlichen Regeln für alle Schulen sorge das Land „für eindeutige, praktikable Bestimmungen und gibt den Schulgemeinden zugleich Möglichkeiten, in Ausnahmen bewährte Regelungen vor Ort umzusetzen.“

CDU: Schulen müssen sichere Lernorte sein

Hessen folgt damit dem Beispiel einer ganzen Reihe europäischer Nachbarländer wie Frankreich und Italien, seit 2024 seien Handys auch in Großbritannien und den Niederlanden in den Schulen verboten, betont man bei der CDU Rheinland-Pfalz – und fordert: Auch das rheinland-pfälzische Bildungsministerium müsse jetzt eine landesweit einheitliche schulgesetzliche Regelung erlassen, die Nutzung von Handys an Schulen regele und einschränke.

Pädagogische Spiele auf Tablets gelten eigentlich als gute Ergänzung zum Unterricht, doch weil die Mediennutzung stark gestiegen ist, werden nun Verbote diskutiert. - Foto: gik
Pädagogische Spiele auf Tablets gelten eigentlich als gute Ergänzung zum Unterricht, doch weil die Mediennutzung stark gestiegen ist, werden nun Verbote diskutiert. – Foto: gik

„Handys und Smartwatches für die private Nutzung haben in unseren Schulen nichts zu suchen“, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Jenny Groß. Bisher handhabten die Schulen das aber unterschiedlich und in Eigenregie, das müsse sich jetzt ändern. „Es geht um den Bildungserfolg unserer Kinder“, betonte Groß.

TikTok, WhatsApp oder Instagram bedeuteten eine erhebliche Ablenkung: „Ein Smartphone auf dem Schultisch schränkt Schüler in ihrer Konzentration und damit in ihren Lernprozessen ein“, sagte die CDU-Politikerin. Zudem könne bei vielen Kindern und Jugendlichen auch die mentale Gesundheit durch Cybermobbing und emotionale Zurückgezogenheit Schaden nehmen. „Schulen müssen sichere Lernorte sein und bleiben. Wir erklären die Schule deshalb zur handyfreien Zone für private Nutzung“, schlägt Groß vor.

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Hubig: Schulen können jetzt schon Missbrauch in Eigenregie ahnden

Doch Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) lehnt eine landesweite Regelung ab und verweist stattdessen auf die Schulen: „Die Schulen in Rheinland-Pfalz haben schon jetzt die Möglichkeit, die Handy-Nutzung über die Schulordnung zu verbieten oder einzuschränken.“, teilte die Ministerin auf Mainz&-Anfrage mit. Viele Schulen täten das bereits in eigener Verantwortung und erarbeiteten dafür gemeinsam jeweils eigene Medienkonzepte, die eine Nutzung von mobilen Endgeräten einschränkten oder sogar ein Verbot regelten.

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) beim Besuch am Veldenz-Gymnasium Lauterecken. - Foto: Ministerium für Bildung, Jonas Birk
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) beim Besuch am Veldenz-Gymnasium Lauterecken. – Foto: Ministerium für Bildung, Jonas Birk

Die digitalen Geräte gehörten aber auch „zum Lebensalltag der Kinder und Jugendlichen, deshalb ist es wichtig, dass sie von Anfang an Medienkompetenz vermittelt bekommen und auch in der Schule den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Geräten erlernen“, betonte Hubig weiter. Zudem hätten die Lehrer jetzt schon Möglichkeiten, den Missbrauch von Smartphones zu unterbinden, „etwa in Fällen von Cybermobbing, bei massiven Störungen des Unterrichts oder wenn das Smartphone benutzt wird, um bei Leistungsüberprüfungen zu betrügen.“

Das aber setzt voraus, dass die Lehrer überhaupt mitbekommen, was vor sich geht – gerade bei Cybermobbing ist das oft ausgesprochen schwierig. Groß betonte deshalb, Bildungsministerin Hubig müsse „den Schulen den Druck nehmen“ – es sei „zweifelsohne Aufgabe des Landes, dies zu regeln.“ Eine landeseinheitliche Regelung mache es auch den Schülern und Eltern gegenüber transparent. „Schüler müssen lernen und verstehen, dass sie verantwortungsbewusst mit Online-Medien und Technik umgehen müssen und Schule als ihren Arbeitsplatz zum Lernen verstehen, an dem die Nutzung von Handys im privaten Bereich nichts verloren hat. Auch in manchen Betrieben wird dies so gehandhabt“, betonte Groß.

Experten über Gefahren: Depressionen, Spielsucht, Unkonzentriertheit

Der Philologenverband Rheinland-Pfalz äußerte sich derweil ausweichend zu einem Handyverbot, wies aber auf die Gefahren übermäßiger Smartphone-Nutzung hin: Psychologen wie Alexander Jatzko, ehemals Chefarzt des Westpfalzklinikums in Kaiserslautern, warnten seit Jahren vor Lernbeeinträchtigungen durch Smartphone-Zocken, das kurz zuvor Gelerntes regelrecht „auslösche“, sagte Landesvorsitzende Cornelia Schwartz. Psychisch könne die Überdosis an Dopamin-Ausschüttung durch das Klicken und Spielen zu Depressionen führen, Jungen neigten zu Online-Spielsucht, während sich Mädchen oft von unrealistischen Schönheitsidealen in sozialen Medien beeinflussen ließen.

Wieviel Smartphone braucht der Mensch? Die Frage stellten auch schon die Mainzer Narren mit diesem Motivwagen im Jahr 2017. - Foto: gik
Wieviel Smartphone braucht der Mensch? Die Frage stellten auch schon die Mainzer Narren mit diesem Motivwagen im Jahr 2017. – Foto: gik

„Unkonzentriertheit und schlechte Leistungen in der Schule durch übermäßige Computer- und Smartphone-Nutzung sind Erscheinungen, die in den letzten Jahren in beängstigendem Ausmaß zugenommen haben“, warnte Schwartz. Die Debatte über verantwortungsbewussten Medienkonsum müsse geführt werden, dürfe aber nicht auf die Schule beschränkt bleiben, sondern müsse „erst recht zu Hause“ gelten. „Ein Smartphone gehört nicht 24/7 ins Kinderzimmer“, betonte Schwartz.

Interessant dabei: Die SPD-Landtagsfraktion mochte dem pauschalen Nein ihrer eigenen Ministerin so nicht folgen – sie lud am Montag zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Verlieren wir unsere Kinder? Die Debatte um Handy-Verbote an Schulen und Altersuntergrenzen bei Social Media“ ein. Am 8. April sollen dann im Mainzer Abgeordnetenhaus von 17.00 bis 19.30 Uhr Experten wie der Mainzer Erziehungswissenschaftler und Medienpädagoge Stefan Aufenanger ihre Einschätzung abgeben.

Keynote-Speaker wird Professor Klaus Zierer von der Universität Augsburg sein, der jüngst eine Studie zu den Auswirkungen von Handy-Verboten an Schulen veröffentlichte. Zu Wort kommen sollen ferner Vertreter aus Gewerkschaften, Landesschülervertretung und Landeselternbeirat.

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