Führt das Mainzer Verkehrsdezernat einen regelrechten „Knollen-Feldzug“ gegen Autofahrer? Viele Anwohner in Mainz haben jedenfalls genau diesen Eindruck, denn seit Jahresbeginn hat die Zahl der verteilten Bußgelder gegen parkende Autos massiv zugenommen. In der Wallstraße wurden auf einen Schlag 250 Verwarnungen verteilt, und das für Autos, die seit Jahren auf geduldeten Flächen parkten. Inn der Oberstadt, rund um den Fichteplatz sowie in Bretzenheim klagen Anwohner über ein ähnliches Vorgehen. Dazu kommt nun noch die drastische Anhebung der Anwohnerparkgebühren – eine Petition mit dem Titel „Stadt stoppen“ wehrt sich nun gegen das rabiate Vorgehen. Die ÖDP fordert bessere Aufklärung, die FDP in Bretzenheim durchdachte Konzepte.

Die Mainzer Wallstraße Anfang März 2025: In diesen Buchten parkten jahrelang unbehelligt Autos. - Foto: gik
Die Mainzer Wallstraße Anfang März 2025: In diesen Buchten parkten jahrelang unbehelligt Autos. – Foto: gik

Es war mitten in der Fastnachtszeit Anfang Februar, als Anwohner der Wallstraße oberhalb des Mainzer Hauptbahnhofs sich eines Morgens verwundert die Augen rieben: Quasi über Nacht hatte die Stadt Mainz Verwarnungen an alle Autofahrer entlang der Straße verteilt – insgesamt 250 „Knöllchen“ auf einen Schlag, wie Anwohner gegenüber Mainz& bestätigten. Die Bußgelder mit einer satten Höhe von 55,- Euro wurden für Autos ausgestellt, die auf dem begrünten Seitenstreifen zwischen Bäumen, entlang der Straße parkten – eine seit Jahren übliche und bislang von der Stadt auch geduldete Parkpraxis.

Die Stadt argumentierte damit, die Autos würden Fuß- und Radwege behindern, doch das stimmte mitnichten: Fotos von Anwohner sowie der Eindruck, den sich Mainz& selbst vor Ort verschaffte, zeigen klar: Die Autos parkten weder Gehwege noch Radwege zu, sie füllten vielmehr Lücken zwischen Bäumen oder standen auf unbefestigten, aber eben auch unbepflanzten Seitenstreifen. Die Anwohner waren empört: „Die Parkplatznot ist hier enorm“, sagte etwa Ulrich Drechsler vom Verein „Unser Mainz in Rheinhessen“, der selbst in der Mombacher Straße wohnt: „Die Autos dort haben niemanden behindert.“

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Knollenkrieg in der Wallstraße: „Die haben dort niemanden behindert“

Die Parksituation sei seit 20 Jahren im Prinzip die gleiche gewesen, niemand habe bisher eingeschritten, sagte Drechsler – bis jetzt. Was die Anwohner besonders ärgert: Niemand habe die Autofahrer, die dort in gutem Glauben parkten, darauf hingewiesen, dass sie womöglich rechtswidrig dort ihre Autos abgestellt hatten – die Bußgelder wurden ohne Vorwarnung verteilt.

Ungenutzter und unbepflanzter Seitenstreifen in der Wallstraße in Mainz: Bis vor einem Monat noch als Parkraum genutzt, über Nacht verboten. - Foto: gik
Ungenutzter und unbepflanzter Seitenstreifen in der Wallstraße in Mainz: Bis vor einem Monat noch als Parkraum genutzt, über Nacht verboten. – Foto: gik

Das ist offenbar kein Einzelfall: „Fahrzeuge, die nur geringfügig außerhalb der gekennzeichneten Parkflächen abgestellt sind, werden konsequent mit einem Bußgeld von 55 Euro belegt – ohne vorherige Verwarnung“, klagte nun die ÖDP-Stadträtin Dagmar Wolf-Rammensee aus der Mainzer Oberstadt. Auch am Fichteplatz bleibe „die Parksituation problematisch“, berichtete sie, und warnt: „Die aktuelle Parksituation und das Vorgehen des Verkehrsüberwachungsamtes in einigen Stadtteilen sorgt zunehmend für Unmut unter Bürgerinnen und Bürgern.“

„Besonders kritisch“ werde gerade in diesem Zusammenhang auch die Erhöhung der Kosten für das Anwohnerparken gesehen, sagte Wolf-Rammensee weiter: „Während die Gültigkeit früher zwei Jahre betrug, muss der Parkausweis nun jährlich erneuert werden – eine zusätzliche finanzielle Belastung für viele Bürger.“ Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) hatte gerade eine drastische Erhöhung der Gebühren fürs Anwohnerparken angekündigt, danach soll die Gebühr von 30,- Euro pro Jahr auf zwischen 230,- Euro und 300,- Euro für die meisten Autos steigen.

Petition gegen drastischen Preissprung beim Anwohnerparken

Mainz wäre damit die zweitteuerste Stadt in ganz Deutschland bei den Gebühren für das Anwohnerparken, wie Mainz&-Recherchen zeigen. Erleichterungen für Menschen mit geringem Einkommen oder für Studierende soll es aber nicht geben – obwohl andere Kommunen wie etwa Bonn, das mit 350,- Euro derzeit den höchsten Gebührensatz hat, solche Rabatte durchaus umzusetzen schaffen. Steinkrüger argumentierte hingegen die Gebühren würden nach Fahrzeuggröße gestaffelt, wer ein größeres Auto fahre, solle auch mehr zahlen.

Mombacher Straße: Hoher Parkdruck, wenige Parkplätze - und das neue Anwohnerparken treibt die Autos in die Seitenstraßen. – Foto: gik
Mombacher Straße: Hoher Parkdruck, wenige Parkplätze – und das neue Anwohnerparken treibt die Autos in die Seitenstraßen. – Foto: gik

Doch gegen den drastischen Preissprung von bis zum Zehnfachen wehrt sich nun eine Petition im Internet, die die Mainzerin Stefanie Mittenzwei am Mittwoch startete. Unter dem Titel „Stadt stoppen“ heißt es dort: „Parkraum ist knapp in Mainz und wir fordern ein umfassendes Konzept der Stadt Mainz, das fair, sozial und klimagerecht in allen Stadtteilen Parkflächen für Autos und Fahrräder zur Verfügung stellt.“ Und bevor die Stadt Mainz weitere Entscheidungen etwa zum Anwohnerparken und zum Parkplatzmanagement fälle, „fordern wir ein Moratorium“, so die Petition weiter.

„Sehr viele Bewohner*innen sind auf ihre Autos angewiesen“, heißt es zur Begründung weiter: „Wollen sie in der Stadt oder am Stadtrand wohnen bleiben, brauchen sie auch eine Stellfläche.“ Gebühren für das Parken dürften aber nicht allein auf Anwohner ohne eigenes Grundstück abgewälzt werden, hier sei die ganze Stadtgesellschaft gefordert. Es müsse deshalb unbedingt geprüft werden, „wie soziale Aspekte beim Anwohnerparken einbezogen werden können. Familien dürfen nicht benachteiligt werden“, so die Forderungen weiter. Und nicht Länge und Breite eines Autos sollten über die Parkgebühr entscheiden, sondern der Treibhausgasausstoß.

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„Frechheit“, „ungerecht“, „unbezahlbar“: Protest gegen Parkpolitik

Ferner fordert die Petition, die Stadt solle das Gespräch mit den Anwohner vor Ort suchen, und in den Quartieren Begehungen organisieren und konkrete Lösungen suchen. „Die Initiativen zum Beispiel in der Neustadt, der Oberstadt, an der Wallstraße, in Bretzenheim oder in Gonsenheim zeigen den dringenden Kommunikationsbedarf“, heißt es weiter. Die Petition fand binnen zweier Tage bereits 149 Unterschriften und 60 Kommentare, und in denen machen zahlreiche Mainzer ihrem Unmut ausführlich Luft.

Die Zonen für Anwohnerparken wurden in den vergangenen Jahren in der Stadt Mainz erheblich ausgeweitet. - Grafik: Stadt Mainz
Die Zonen für Anwohnerparken wurden in den vergangenen Jahren in der Stadt Mainz erheblich ausgeweitet. – Grafik: Stadt Mainz

Es sei völlig unverhältnismäßig, Gebühren für lediglich eine „Parkplatzoption“ in diesem Maß zu erhöhen, schimpft da ein Unterzeichner: „Gegen eine moderate Preissteigerung ist nichts einzuwenden, aber eine Anpassung von bis zu 700% ist schlichtweg unverschämt und trotz leerer Stadtkassen auch nicht nachvollziehbar.“ Das werde „wieder einmal eher einkommensschwache Haushalte treffen, die aufgrund unterschiedlichster Gründe (Familie, Beruf, etc.) auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen sind. Irgendwann ist es auch mal gut.“

„Wie soll man das bezahlen? „, fragte eine weitere Unterzeichnerin: „Man hat keine Garantie auf Parkplätze – es ist wahnsinnig.“ So geht es durchgehend weiter: „Frechheit“, „ungerecht“, „unbezahlbar“ – die Wut ist offenbar groß. Das Leben in Mainz sei ohnehin schon sehr teuer, dazu sei man „bei dem schlechten Nahverkehr, mit dem man für 10Km nach Wiesbaden 1,5 Stunden braucht, schlicht und ergreifend weiter aufs Auto angewiesen“, klagt eine Frau. „Mit einer Anpassung kann ich leben, aber bei uns wäre das als junge Familie mit einem Auto das 11fache des alten Preises“, schreibt eine weitere.

Stadt ignoriert Dialog: „In Hauruck-Aktionen Fakten geschaffen“

Beklagt wird auch von mehreren Unterzeichnern, dass die Stadt dass keinen Dialog mit den Anwohner führe, oder sogar Ergebnisse von Anwohner-Dialogen anschließend einfach ignoriere. Stattdessen würden „in Hauruck-Aktionen Fakten geschaffen“, kritisiert ein Unterzeichner. „Ein weiteres Besteck aus dem Instrumentenkoffer der Umweltdezernentin in ihrem Feldzug gegen das Auto – und die darauf angewiesenen Nutzer“, urteilt ein weiterer. „Grüne einseitige Ideologie an der Realität der Menschen vorbei“, eine andere.

Enge Ortskerne in Mainzer Vororten: Immer mehr Parkplätze verschwinden. - Foto: gik
Enge Ortskerne in Mainzer Vororten: Immer mehr Parkplätze verschwinden. – Foto: gik

Eine Unterzeichnerin geht zudem konkret auf die Parksituation in der Oberstadt ein: „Die Parkplatzsituation hat sich in den letzten Jahren im Quartier Fichteplatz rapide verschlechtert“, kritisiert sie: „Es werden ersatzlos Parkplätze gestrichen, zusätzlich fallen seit Jahren über Monate Parkplätze durch die Sanierungsarbeiten der Wohnbau Mainz im Quartier weg.“ Parkplätze würden nun noch durch die Bauarbeiten der Universitätsklinik blockiert – und jetzt komme noch „diese Wucher-Preiserhöhung für das Anwohnerparken“, schimpft sie: „Man ist nur noch frustriert und fühlt sich ausgeliefert.“

Die Petition richtet sich an Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) als Chef der Stadtverwaltung. „Wir leben in Mainz und uns ist sehr an einer lebenswerten Stadt gelegen, deshalb engagieren wir uns“, heißt es abschließend.“ Der Anhebung der Gebühren für das Anwohnerparken wiederum muss noch Anfang April der Stadtrat zustimmen, die Mainzer FDP hat bereits angekündigt, dem Plan nicht zustimmen zu wollen – die neue Koalition aus Grünen, CDU und SPD hat allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Stadtrat.

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FDP Bretzenheim: Stadt streicht Parkplätze aus Ideologie

Scharfe Kritik kommt auch von der FDP in Bretzenheim, sie wirft der Stadtverwaltung vor, „ohne Notwendigkeit und ohne Konzept“ Parkplätze zu streichen. „Pendler, die in Bretzenheim zu Hause sind und auf das Auto angewiesen bleiben, werden mit neuen Einschränkungen konfrontiert: Plötzlich verschwinden Parkplätze direkt vor der eigenen Tür – ohne erkennbare Notwendigkeit und ohne tragfähige Alternativen“, schimpfte nun Uwe Marschalek, stellvertretender Vorsitzender der FDP Bretzenheim.

Alter Ortskern in Mainz-Bretzenheim: Kaum Platz zum Parken. - Foto: gik
Alter Ortskern in Mainz-Bretzenheim: Kaum Platz zum Parken. – Foto: gik

Besonders problematisch seien geplante Einschränkungen des Parkens in der Hochstraße, der Ludwig-Richter-Straße und der Schwedenstraße, dort könnten bis zu 70 Parkplätze wegfallen. „Wir haben es hier mit Straßenzügen zu tun, in denen viele Mehrfamilienhäuser stehen und die bereits von Nachverdichtung betroffen sind“, kritisierte Marschalek: „Der Parkdruck wird sich also weiter verschärfen.“ Hinweise auf Probleme mit den parkenden Autos habe es aber gar keine gegeben, klagt Marschalek, das sei eine rein „ideologisch motivierte Maßnahme.“

„Die Verwaltung scheint hier nach dem Motto ‚erst einschränken, dann nachdenken‘ zu handeln“, kritisierte auch der Bretzenheimer FDP-Chef Christian Tichatschke. Mainz wachse, und damit auch der Bedarf an Parkraum – der ÖPNV sei aber für viele Berufspendler in Richtung Frankfurt, Darmstadt oder Mannheim „nach wie vor keine praktikable Alternative.“ Doch statt diesen Realitäten Rechnung zu tragen, „werden Parkplätze ohne Konzept gestrichen und der Parkdruck in die umliegenden Straßen verlagert“, klagte er.

FDP und ÖDP: Sachorientierte Parkraumpolitik und Transparenz

Die FDP fordert nun die Stadt auf, erst einmal belastbare Zahlen zum tatsächlichen Parkraumbedarf sowie ein durchdachtes Konzept für den Stadtteil vorzulegen, bevor weiter Parkraum eingeschränkt werde. „Es kann nicht sein, dass den Menschen einfach Stellplätze entzogen werden, ohne dass praktikable Alternativen geschaffen werden“, kritisierte Tichatschke: „Wir brauchen eine sachliche, bedarfsorientierte Parkraumpolitik – keine planlose Verdrängung des motorisierten Individualverkehrs.“

In der Wallstraße parken die Autos nun auf der Fahrbahn - das führt zu erheblichen Behinderungen und prekären Situationen des rollenden Verkehrs. - Foto: gik
In der Wallstraße parken die Autos nun auf der Fahrbahn – das führt zu erheblichen Behinderungen und prekären Situationen des rollenden Verkehrs. – Foto: gik

Auch die ÖDP fordert mehr Transparenz und rechtzeitige Informationen vom Verkehrsdezernat in Sachen Parken: Es brauche „eine bessere Informationspolitik des Verkehrsdezernates, gezieltere Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung und eine ausgewogenere Kontrolle von Parkverstößen“, sagte ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler. Das könne „dazu beitragen, die Parksituation in Mainz fairer und nachvollziehbarer zu gestalten.“

In der Wallstraße hat sich derweil eine neue Parkoption herausgebildet, die von der Stadt offenbar geduldet wird: Die Autos parken nun auf der Straße, das wiederum behindert den fließenden Verkehr erheblich: Autos kommen nicht mehr aneinander vorbei, Fahrräder geraten in prekäre Lagen zwischen parkenden und fahrenden Autos – und Lastwagen des Südwestrundfunks kamen nur noch mit Mühe durch Engpässe.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Kritik an dem Gebührensprung beim Anwohnerparken von Seiten der Mainzer FDP lest Ihr hier bei Mainz&. Die Petition gegen die neuen Gebühren beim Anwohnerparken findet Ihr hier im Internet.