Vor zwei Jahren und vier Monaten verwüstete eine gigantische  Flutwelle in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 das Ahrtal, in den Tagen und Wochen danach kamen tausende Helfer zur Unterstützung ins Ahrtal. Eine davon: die Westerwälderin Annett Baumgartner. Mit ihrem Fotoapparat hielt sie fest, was die Flut übrig gelassen hatte: Zerstörte Brücken, vernichteter Hausrat, die Ruinen des Lebens der Menschen im Ahrtal – und die Hilfe der Helfer. Nun zeigt der Mainzer Landtag Baumgartners Fotos in der Ausstellung „Flut 2021 – Stille Zeitzeugen“ – und zur Eröffnung singt eine weitere Helferheldin: Anny Ogrezeanu.

Überrest einer Flutkatstrophe: Ein Sessel, auf Bahngleise im Ahrtal gespült. Fotografie von Annett Baumgartner aus "Stille Zeitzeugen."
Überrest einer Flutkatstrophe: Ein Sessel, auf Bahngleise im Ahrtal gespült. Fotografie von Annett Baumgartner aus „Stille Zeitzeugen.“

Es war am 20. Juli 2021, fünf Tage nach der großen Flutkatastrophe, als Annett Baumgartner in Walporzheim an der Ahr ankommt. Die Grafikerin und Fotografin stammt aus Roßbach im Westerwald, sie verfolgt die Berichte von der gewaltigen Flut und ihrer Zerstörung, und sie beschließt sofort: Sie will helfen. Mit einer Freundin fährt sie am Dienstag nach der Katastrophe im Ahrtal, am Haus eines Bekannten in Walporzheim angekommen, bietet sich ihr das ganze Grauen der Katastrophe:

„Diesen Anblick werde ich nie mehr vergessen“, schreibt Baumgartner in ihrem Buch „Flut 2021 – Helfergeschichten, „ich war sprachlos und schockiert.“ All die Bilder und Videos aus Fernsehen, Facebook oder Instagram seien zwar erschreckend gewesen, das wahre Geschehen aber, die wahre Dimension der Katastrophe hätten sie nicht im Ansatz wiedergeben können. „Ich hatte einen 360-Grad-Blick, konnte Schlamm riechen und Zerstörung erleben. Das konnten werde Bilder noch Videos einfangen“, schreibt Baumgartner.

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Helferin im Ahrtal, Fotografin, Dokumentarin der Helfergeschichten

Wie so viele greift auch Baumgartner zu Besen, Schippe und Eimer, hilft beim Schlammräumen und beim Entsorgen des zerstörten Hausrats. „Es war ein unbeschreiblich bedrückendes Gefühl, vieles, was diesen Menschen lieb und teuer war, einfach vor der Tür abzulegen“, schreibt Baumgartner weiter. Denn dieses „Ablegen“ bedeutet ein Entsorgen, ein Verschwinden auf Nimmerwiedersehen – der Verlust der Erinnerungen eines ganzen Lebens.

Stille Zeitzeugen: Schlammeimer und ein gelber Milchkrug im Ahrtal nach der Flutkatastrophe 2021.- Foto: Annett Baumgartner
Stille Zeitzeugen: Schlammeimer und ein gelber Milchkrug im Ahrtal nach der Flutkatastrophe 2021.- Foto: Annett Baumgartner

Baumgartner erlebt „ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit“ angesichts des enormen Leids und der Zerstörung, sie will weiter helfen, die Eindrücke lassen sie nicht mehr los. Also greift sie zur Fotokamera, und sie hält all die Eindrücke und die Gegenstände der ersten Tage fest. „Stille Zeitzeugen“ nennt sie ihre Bilder, Baumgartner veröffentlicht sie in einem anrührenden Bildband, generiert mit dem Verkauf Spenden fürs Ahrtal. Mit bislang zwei Büchern sammelte sie so bisher rund 20.000 Euro.

Nun kommen ihre eindringlichen Bilder auch nach Mainz, fast zweieinhalb Jahre nach der Flut: Am kommenden Donnerstag, dem 23. November 2023, wird im Mainzer Landtag die Foto-Ausstellung „Flut 2021 – Stille Zeitzeugen“ eröffnet. Eröffnet wird die Ausstellung um 11.30 Uhr durch Landtagspräsident Hendrik Hering, auch Innenminister Michael Ebling (SPD) will ein Grußwort sprechen. „Die Ausstellung umfasst eine Auswahl der Fotos und dokumentiert das Ereignis, das zutiefst erschüttert, schockiert und geprägt hat“, heißt es in der Ankündigung des Landtags.

Baumgartner macht auch den Zusammenhalt der Helfer sichtbar

Baumgartner mache aber auch „sichtbar, was in den Monaten nach der Katastrophe alles gemeinsam geschafft werden konnte, der starke Zusammenhalt von damals und wie somit Hoffnung für den Wiederaufbau gestiftet wurde“, so der Landtag weiter. Mit ihrem zweiten Buch „Helfergeschichten“ habe Baumgartner den unzähligen Helfern im Ahrtal „eine Stimme gegeben, und deren Erinnerungen festgehalten.“ Die Ankündigung ist insofern bemerkenswert, als die Landesregierung unmittelbar nach der Flutkatastrophe durchaus auf Kriegsfuß mit vielen Helfern im Ahrtal stand – und insbesondere den Einsatz von Helfern mit hoher medialer Reichweite ausgesprochen kritisch sah.

Stille Zeitzeugen: Helferhände mit schlammüberzogenen Handschuhen im Ahrtal, nach der Flutkatastrophe 2021. - Foto: Annett Baumgartner
Stille Zeitzeugen: Helferhände mit schlammüberzogenen Handschuhen im Ahrtal, nach der Flutkatastrophe 2021. – Foto: Annett Baumgartner

In dem Buch „Helfergeschichten“ hat Baumgartner genau dies getan: Sie hat die unzähligen Berichte der freiwilligen Helfer gesammelt, die nach der Flutkatastrophe über Wochen und Monate hinweg beim Aufräumen und der Bewältigung der Flutkatastrophe halfen. Es sind sehr persönliche Geschichten, berichtet von den Helfern selbst, Baumgartner lässt sie selbst erzählen und flankiert dies mit Fotos aus ihrer Kamera.

„Warum bin ich da?“, schreibt da Birgit D. aus Nordrhein-Westfalen: „Natürlich um zu helfen, aber hauptsächlich bin ich da, um Hoffnung zu geben. Wusste ich das am Anfang? Nein! Am Anfang wollte ich mithelfen, das Chaos zu beseitigen. Mittlerweile bin ich aber da, weil mir die Menschen und ihre persönlichen Schicksale am Herzen liegen. Ich habe Dinge gesehen und Emotionen gespürt, die ich in meinem Leben nicht für möglich gehalten habe. Sie tragen mich in allen Bereichen meines Lebens, sei es privat oder beruflich. Ich bin in den letzten fünf Monaten ein anderer Mensch geworden.“

Anny Ogrezeanu singt bei Ausstellungseröffnung

Da passt es gut, dass zur Ausstellungseröffnung ausgerechnet eine Musikerin eingeladen ist, deren Leben durch genau diese Flutkatastrophe ebenfalls eine völlig neue Wendung genommen hat: Anny Ogrezeanu. Die 22-Jährige aus Wachtberg bei Bonn geriet nach der Flutkatstrophe ebenfalls als Helferin im Ahrtal, sie blieb, und wurde Teil des Helferteams „Team Ballern“, das zwei Jahre lang mit Stemmhammer und Arbeitskluft beim Schlamm-Schippen und Häuser entkernen half.

Anny Ogrezeanu 2022 bei einem Auftritt in der Castingshow "Voice of Germany". - Screenshot: gik
Anny Ogrezeanu 2022 bei einem Auftritt in der Castingshow „Voice of Germany“. – Screenshot: gik

Annys eigentlicher Traum aber war schon immer die Musik, es ist die Arbeit im Ahrtal, die sie aufblühen lässt und ihr das Selbstbewusstsein gibt, sich noch einmal bei der Castingshow „Voice of Germany“ zu bewerben. Und das Wunder geschieht: Nach fünf vergeblichen Bewerbungen wird Ogrezeanu dieses Mal eingeladen – und bringt mit ihrer unglaublichen Stimme und tiefen Interpretationskraft selbst die erfahrensten Experten zum Staunen. 2022 gewinnt Anny die 12. Staffel von „Voice of Germany“, kommenden Donnerstag wird sie die Ausstellungseröffnung im Mainzer Landtag musikalisch umrahmen.

Info& auf Mainz&: Mehr zu Anny Ogrezeanu und ihrem Erfolg bei „Voice of Germany“  könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Die Ausstellung „Flut 2021 – Stille Zeitzeugen“ wird am Donnerstag, den 23. November 2023, um 11.30 Uhr im Landtag Rheinland-Pfalz eröffnet und ist bis zum 22. Dezember 2023 zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8.00 bis 20.00 Uhr, Samstag 10.00 bis 16.00. Infos und einen Flyer zur Ausstellung hier beim Landtag im Internet.