Eklat beim Christopher Street Day (CSD) vergangenen Samstag in Mainz: Ausgerechnet Mitglieder der Linkspartei und einer „Linken Liste“ pöbelten aggressiv gegen Teilnehmer der bunten Parade für die Rechte von Schwulen Lesben und anderen Gruppen aus dem queeren Spektrum. Angegriffen und bepöbelt wurden unter anderem Teilnehmer von Seiten der FDP, beim anschließenden Sommerfest kam es gar zu Gewalt: Die Linke Liste ging aggressiv gegen einen Stand von Schwulen und Lesben in der Polizei vor – dabei kam es zu einem Faustschlag gegen eine Trans-Frau. Urheberin: Ausgerechnet die Mainzer Linken-Vorsitzende Aylin Gümüs – sie trat nun zurück.
Der Christopher Street Day ist der weltweit gefeierte Aktionstag, bei dem die LSBTIQ-Community traditionell für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgender und anderen Gruppierungen der queeren Community auf die Straße geht. Die Paraden, die einst als Demonstrationen für queere Gleichstellung gedacht waren, entwickelten sich schnell zu bunten Umzügen der Toleranz, bei denen alle willkommen waren, die sich diesem Spektrum zugehörig fühlen, oder sich einfach nur für queere Rechte einsetzen wollen.
In Mainz wurde der Christopher Street Day recht spät, erst im Jahr 2013 ins Leben gerufen, das traditionelle Sommerfest „Sommerschwüle“ gibt es aber bereits seit den 1990er Jahren. In diesem Jahr zogen beim CSD rund 8.000 Menschen durch Mainz – doch friedlich blieb es dabei nicht. Die Aggressionen und Angriffe kamen indes ausgerechnet aus dem linken Spektrum: Die Studierendengruppe Linke Liste/SDS Mainz habe unter dem Slogan „CSD Mainz ohne Cops und Konzerne“ zu Protesten gegen den CSD aufgerufen und schon während des Umzugs einzelne Gruppen von Mitlaufenden mit „verbalen und tätlichen Provokationen“ bedacht, teilte der Veranstalter, der Verein Schwuguntia Mainz mit.
Aggressive Parolen gegen FDP und JuLis im CSD
Die „Provokationen“ richteten sich zunächst offenbar hauptsächlich gegen Mitglieder der FDP, die im CSD-Zug mitliefen. Die Mainzer FDP äußerte sich denn auch empört: Liberale Teilnehmer des CSD seien auf der Großen Bleiche von Mitgliedern eines „schwarzen Blocks“ mit Parolen wie „Konzerne, Bullen, FDP – Raus aus unserem CSD“ bedacht worden, kritisierte FDP-Kreisvorsitzende Susanne Glahn. Andere Parolen dieser Gruppe hätten gelautet „Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten“ oder „Nazis töten ist kein Mord“.
„Solche aggressiven Handlungen waren leider auch gegen Teilnehmer unsere Partei und die Jungen Liberalen Rheinland-Pfalz gerichtet, unter denen sich auch der Landesvorsitzende Florian Pernak befand“, sagte Glahn weiter: „Diese Gewalt provozierenden, üblen Äußerungen sind unerträglich und dürfen nicht geduldet werden.“ Die „verbale Drohkulisse“ habe dazu geführt, dass sich Teilnehmer beim CSD zunehmend unwohl und unsicher gefühlt hätten, sagte Glahn weiter. Einer Fahnenträgerin der Jungen Liberalen Rheinland-Pfalz sei später dann auch die Regenbogenfahne mit Logo entrissen worden.
Dieses Agieren stehe „in absolutem Kontrast zu dem Ziel des CSD, deren queer-politischen Bemühungen und der friedlich demonstrierenden, bunten und fröhlichen Menschen, die für Toleranz im Miteinander ein Zeichen setzen wollten“, kritisierte Glahn weiter: „Für uns Liberale muss der CSD ein sicherer Ort für alle Teilnehmer sein, gerade wenn wiederholt der Schutz vor Gewalt gegen queere Menschen ein wichtiges Anliegen des diesjährigen CSD war.“ Diese „intolerante aggressive Haltung“ habe sich dann später in der Blockade des Informationsstandes der Ansprechstelle der Polizei RLP für LSBT|* fortgesetzt.
Schwuguntia Mainz bestätigt „Provokationen“ der Linken
Der Veranstalter Schwuguntia Mainz bestätigte die Vorfälle: Die Gruppe der FDP sei „verbal schikaniert“, eine Fahne gewaltsam entrissen worden. „Wir verurteilen diese verbalen und tätlichen Provokationen“, teilte der Schwuguntia-Vorstand weiter mit: „Sie widersprechen dem Geist einer Demonstration, in der unterschiedliche Gruppen gemeinsam marschieren, um die Rechte und die Sichtbarkeit der queeren Community zu verteidigen. Dass hier die Ausrichtung einer demokratischen Partei Anlass gibt, diesen Community-Gedanken zu sprengen, bestürzt uns sehr.“
Denn tatsächlich waren die Pöbler Mitglieder der Linken, darunter auch die Ko-Vorsitzende des Kreisverbandes der Linken Mainz-Bingen, Aylin Gümüs. Auf dem anschließenden Sommerfest der Schwuguntia kam es dann auf der Fort-Malakoff-Terrasse zu weiteren Handgreiflichkeiten: Dabei sei versucht worden, den gemeinsamen Stand der Ansprechstelle LSBTI der Polizei RLP und von VelsPol – einem Verein als Netzwerk von LSBTIQ*-Bediensteten aus Polizei, Zoll und Justiz – zu blockieren und den freien Zugang hierzu zu verhindern, wie der Schwuguntia-Vorstand weiter berichtete.
Offenbar war den linken Störern die Präsenz eines Polizeistandes ein Dorn im Auge, auch wenn es sich dabei um Polizeikräfte aus dem queeren Spektrum handelte. Bei dem Versuch, die Störenden und ihren Protest einzudämmen, kam es dann offenbar zu einem Handgemenge, als ein Mitglied des CSD-Organisationsteams das Geschehen filmen wollte. „Es entstand eine Auseinandersetzung, in der sich die Transgender-Frau schützen musste und ihr Handy verteidigen wollte“, so der Bericht weiter: „Dies führte dazu, dass eine
Protestierende unprovoziert und gezielt der Transgender-Frau mit der Faust ins Gesicht
schlug.“
Faustschlag von Linken-Chefin gegen Trans-Frau der Polizei
Die Angegriffene habe ihre Brille verloren und erlitt eine Verletzung unter dem Auge erlitten. „Anschließend versuchte die Angreiferin eine Täter-Opfer-Umkehr und
beanspruchte, zuerst geschlagen worden zu sein“, heißt es anklagend weiter. Diesen Vorwurf aber „können wir nach Sichtung mehrerer Videos des Tathergangs nicht bestätigen.“ Man begrüße aber die Aufnahme polizeilicher Ermittlungen.
Bei der Angreiferin handelte es sich um niemand anderen als die Linken-Kreisvorsitzende Aylin Gümüs, die das Geschehen tatsächlich anders darstellt: Sie habe sich, „um Eskalationen vorzubeugen“ zwischen die streitenden Gruppen gestellt, habe sich dann aber gegen „das nahe und einschüchternde Abfilmen meines Gesichts“ wehren wollen. „Als ich versucht habe das Handy beiseitezuschieben, bekam ich einen Faustschlag ins Gesicht, woraufhin ich im Affekt zurückschlug, um mich zu verteidigen“, behauptete Gümüs.
Gleichzeitig räumte die Linken-Chefin aber auch ein, sie habe „im Rahmen des antikapitalistischen Blocks an der Demonstration teilgenommen, da mir queere Befreiung sehr am Herzen liegt und ich voller Überzeugung bin, dass dies nur durch grundlegende Veränderungen des heteronormativen Systems erreicht werden kann.“ Beim Straßenfest habe sich „auch Kritik an der Rolle der Polizei in diversen Unterdrückungsverhältnissen“ vor dem Stand der VelsPol geäußert, an dem sie aber zunächst gar nicht teilgenommen habe.
Gümüs tritt zurück, aber verteidigt „antikapitalistischen Block“
Gümüs trat am Montagabend von ihrem Amt als Linken-Ko-Chefin zurück, und kritisierte dabei „die einseitige Darstellung“ in Presse und Social Media. „Ich bedaure sehr, welche Folgen die Darstellung der Ereignisse für mich aber auch für die Linke hat“, schrieb Gümüs in einer persönlichen Stellungnahme: „Kritik für mein Handeln nehme ich gern an, distanziere mich aber scharf von Vorwürfen der Transfeindlichkeit und meiner vermeintlichen Rolle als Angreiferin. Genauso lehne ich die Diskreditierung legitimer Kritik durch die Ereignisse ab.“
„Um weiteren Schaden abzuwenden, trete ich schweren Herzens von meinem Amt als Co-Sprecherin des Kreisverbandes zurück“, sagte Gümüs weiter. Der Kreisverband der Linken äußerte sich erheblich schmallippiger: Gümüs habe „die volle Verantwortung für die Geschehnisse auf dem Mainzer CSD gegenüber der Partei übernommen“, teilte der Vorstand mit: „Sie wird nicht mehr Teil unseres Kreisvorstandes sein.“
Die genauen Vorgänge wolle man aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht näher kommentieren. „Wir bedauern sehr, dass es auf dem CSD in Mainz zur Anwendung von Gewalt gekommen ist, und distanzieren uns davon“, betonte der Vorstand weiter: „Wir stehen solidarisch an der Seite aller Menschen, die sich für die Rechte queerer Menschen einsetzen und werden uns weiterhin dafür engagieren.“
Entrüstungssturm gegen Übergriffe der Linken-Chefin
Derweil brach jedoch ein Entrüstungssturm in Mainz gegenüber den Vorgängen und den linken Urhebern los: Die Mainzer Grünen verurteilten „den Gewaltausbruch“ gegenüber einer Transsexuellen Person „aufs Schärfste“, kritisierte aber auch, dass gerade eine queere Polizistin angegriffen wurde. „Über 8.000 friedliche Demonstrant*innen haben am Samstag ein klares Zeichen dafür gesetzt, dass Mainz vielfältig, weltoffen und bunt ist“, betonte Grünen-Kreischefin Christin Sauer: „Gerade jetzt, wo eine rechtsextreme Partei in Umfragen Höhenflüge erlebt und Angriffe auf die queere Community zunehmen, müssen wir zusammenhalten.”
Die Sprechchöre der Linken Gruppierung „unpassend“ gewesen, der Angriff auf eine „queere Polizistin, die sich für Akzeptanz und gegen Diskriminierung auch bei der Polizei einsetzt“ nicht nachvollziehbar. „Wir können nur gemeinsam an einer Gesellschaft arbeiten, bei der Hass, Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTIAQ+ endgültig der Vergangenheit angehören“, betonte Sauer: „Ausgerechnet den friedlichen Protest für die Rechte queerer Menschen auf diese Weise zu stören, ist schäbig.“
Auch die Mainzer SPD sprach von einem „nicht tolerierbaren“, gewalttätigen Übergriff. „Beim CSD geht es um Sichtbarkeit, Toleranz und friedliches Miteinander. Wer hier aggressiv wird, muss mit deutlicher Zurückweisung rechnen“, sagte die Mainzer Co-Vorsitzender Jana Schmöller und der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende der SPDqueer, Joachim Schulte. Dass der Stand der Polizei in den Fokus geraten sei, sei besonders bedauerlich: „Das Engagement der Mainzer Polizei auf dem CSD ist beachtlich und nicht kritikwürdig, die Leistungen der Ansprechstelle LSBTiQ bei der Polizei verdient Respekt“, betonten die SPD-Vertreter, die zudem den Rücktritt von Gümüs begrüßten.
„Der CSD soll ein sicherer Ort für queere Menschen sein“, sagte auch der Mainzer SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Baldy: „Wer den Schutz durch die Polizei als Provokation aufgreift und den Stand der VelsPol blockiert, hat auf einer Veranstaltung für Vielfalt und Toleranz nichts verloren.“ Baldy warf der linken Gruppierung „Doppelmoral“ vor: „Der Protest gegen die VelsPol setzt genau am falschen Punkt an. Dass es eine Vereinigung queerer Polizistinnen und Polizisten gibt, wäre noch vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen“, betonte Baldy. Einschüchterungsversuche ausgerechnet gegen diese Gruppierung seien, noch dazu im Rahmen des CSD, „unangebracht und kontraproduktiv.“
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