Der Krimi um den Verkauf der Marina im Mainzer Zollhafen im Jahr 2021 geht weiter – jetzt sind neue und durchaus brisante Unterlagen zu dem Fall aufgetaucht. Nach Informationen der Internetzeitung Mainz& wurden dem Frankfurter Rechtsanwalt Christofer Eggers anonym Dokumente zugeschickt – und diese belegen: Allein schon in der Barkasse des Yachthafens befand sich zum Zeitpunkt des Verkaufs der dreifache Wert des Verkaufspreises. Damit erhärtet sich der Verdacht: der Yachthafen wurde völlig unter Wert verkauft, die Staatsanwaltschaft Koblenz verweigert derweil jede Auskunft dazu. Blockiert wird auch in Mainz: Die Stadt verweigert Antworten im Stadtrat auf Fragen wie: Wer genehmigte den Verkauf der Marina weit unter Marktwert?

Der Mainzer Zollhafen mit Marina im August 2018. Das neue Wohngebite Zollhafen war da noch im Werden, die Marina mit Steganlage bereits gebaut. - Foto: gik
Der Mainzer Zollhafen mit Marina im August 2018. Das neue Wohngebite Zollhafen war da noch im Werden, die Marina mit Steganlage bereits gebaut. – Foto: gik

Der Yachthafen im neuen Mainzer Zollhafen war am 30. März 2021 bei einem Frankfurter Notar von der Muttergesellschaft Zollhafen Mainz GmbH verkauft worden – und zwar an den bisherigen Teilhaber und Geschäftsführer der Marina Zollhafen GmbH, Jochen Hener. Der wiederum verkaufte nur einen Tag später bei einem Notar in Wiesbaden die Hälfte der Anteile an der Marina an den heutigen Hafenmeister Detlev Höhne. Wie diese Internetzeitung Mainz& Anfang Juni exklusiv enthüllen konnte, floss für den ersten Verkauf an Hener ein Kaufpreis von 86.000 Euro, während Höhne für seine Anteile 47.137,50 Euro bezahlte.

Das Problem dabei: Nach wirtschafts-üblichen Berechnungsverfahren hätte für die Marina ein weit höherer Preis bezahlt werden müssen, ein Gutachten der renommierten Wirtschaftsberatungsgesellschaft Deloitte hatte den Verkehrswert der Marina auf zwischen 6 und 11,6 Millionen Euro taxiert. Deloitte hatte dabei die möglichen Einkommensspannen für die Marina mit ihren 140 Liegeplätzen zugrunde gelegt, und drei Szenarien durchgerechnet: Danach läge der Unternehmenswert bei einer Vollauslastung der Hafenanlage bei rund 11,6 Millionen Euro, bei einer Auslastung von 80 Prozent immer noch bei 8,9 Millionen Euro, und selbst bei einer Auslastung von 60 Prozent bei etwa 6,2 Millionen Euro.

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Staatsanwaltschaft verweigert Auskunft zur Wertberechnung

Trotzdem mochte die Staatsanwaltschaft Koblenz bei ihren Vorermittlungen keinen Anfangsverdacht für Untreue oder Vermögenshinterziehung sehen, dabei allerdings taxierte ein Wirtschaftsreferent der Staatsanwaltschaft den Wert der Marina weitaus niedriger – und setzte schlicht den Buchwert des Unternehmens an. Warum der Wirtschaftsreferent dabei die marktübliche Berechnungsmethode ignorierte, nachdem der Bilanzwert eines Unternehmens mit einem Multiplikator für den jeweiligen Geschäftsbereich multipliziert werden muss – im Fall der Marina mit einem Faktor 9,7 – ist weiter völlig unklar.

Der Mainzer Zollhafen mit der Marina im Mai 2022. - Foto: gik
Der Mainzer Zollhafen mit der Marina im Mai 2022. – Foto: gik

Auf Nachfrage der Internetzeitung Mainz& verweigerte die Staatsanwaltschaft jegliche Auskunft zu der Frage, wie man denn zu dieser Vorgehensweise kam. „Da hier kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, der Sachverhalt also keine strafrechtliche Relevanz hat, bitte ich um Verständnis dafür, dass ich weitere Detailfragen nicht beantworten kann“, antwortete die für Presseanfragen zuständige Oberstaatsanwältin Kirsten Mietasch. Dabei ist die Frage, wie die Berechnung des Unternehmenswertes von Seiten der Staatsanwaltschaft zustande kam, von zentraler Relevanz – und eine Staatsanwaltschaft hat eine Auskunftspflicht gegenüber Pressevertretern.

„Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen“, heißt es im Presserecht. Das könne nur verweigert werden, wenn dadurch ein schwebendes Verfahren „vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte“, Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder „ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde.“ Da die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren einleitete, gibt es kein schwebendes Verfahren, die Antwort auf die Fragen ist hingegen eindeutig im öffentlichen Interesse.

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Neue Unterlagen zeigen Guthaben von 240.000 Euro in Büchern

Mainz& wollte nämlich wissen, wieso der Wirtschaftsreferent der Staatsanwaltschaft die übliche Berechnungsmethode für den Unternehmenswert samt Multiplikationsfaktor nicht anwandte, und stattdessen offenbar lediglich den Bilanzwert der Zollhafen Marina GmbH zum Jahreswende 2020 ansetzte – die Gewinn- und Verlustrechnung der Marina Zollhafen GmbH, wie man sie im Unternehmensregister findet, weist zum Jahresende 2020 einen Gewinn von rund 173.000 Euro vor Steuern, und von rund 119.000 Euro nach Abzug der Steuern aus. Doch das ist nur die eine Seite: Im Jahresabschluss der Marina Zollhafen GmbH für das Jahr 2020 findet sich überraschend ein Guthaben von 240.000 Euro auf Konten bei Kreditinstituten – für dieses Guthaben floss aber keinerlei Gegenwert beim Verkauf.

Die Steganlage der Marina im Mainzer Zollhafen wurde für rund 1,4 Millionen Euro zeitgleich mit den der Firma selbst verkauft. - Foto: gik
Die Steganlage der Marina im Mainzer Zollhafen wurde für rund 1,4 Millionen Euro zeitgleich mit den der Firma selbst verkauft. – Foto: gik

Fest steht damit: Bei dem Verkauf der Marina erhielten die Käufer für ihren Kaufpreis von rund 86.000 Euro nicht nur eine 6 bis 11 Millionen Euro schwere Marina, sondern auch noch ein Guthaben von 240.000 Euro on topp, ohne dafür nach den derzeit vorliegenden Unterlagen einen Gegenwert bezahlt zu haben. Warum bezog die Staatsanwaltschaft diese bar vorliegenden Vermögenswerte bei der Berechnung des Firmenwertes nicht ein? Wurde der Jahresabschluss der Marina gar nicht berücksichtigt? Auf Mainz&-Nachfrage dazu: keine Antwort.

Nicht beantwortet wurden ferner Nachfragen, wie die Staatsanwaltschaft zu der Einschätzung kam, die Aufsichtsgremien der Stadt Mainz hätten ihre Einwilligung zu dem Verkauf gegeben – dies ist die entscheidende Frage bei der Beurteilung, ob beim Verkauf der Marina ein Missbrauchstatbestand vorlag, und damit Veruntreuung öffentlicher Gelder in Frage kommt. Die Staatsanwaltschaft argumentiert selbst: Weil die Aufsichtsgremien den verkauf genehmigt hätten, sei alles ordnungsgemäß gelaufen – die Frage aber, ob sich die Staatsanwaltschaft denn davon auch tatsächlich überzeugt hat, beantwortet sie nicht.

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Verkauf der Marina zustimmungspflichtiges Geschäft für Stadtwerke

Denn fest steht auch: der Verkauf der Marina war ein zustimmungspflichtiges Geschäft, die Muttergesellschaft Mainzer Stadtwerke musste diesem Verkauf zustimmen – und die Mainzer Stadtwerke gehören der Stadt Mainz, und damit der öffentlichen Hand. Auch der Aufsichtsrat der Stadtwerke musste den Verkauf der Marina genehmigen, hat er das nicht getan, könnte – wie die Staatsanwaltschaft in Koblenz selbst schreibt – ein Missbrauchstatbestand oder auch eine Treuebruch vorliegen. Warum hat man sich bei der Koblenzer Ermittlungsbehörde dann nicht davon überzeugt, dass diese Zustimmung tatsächlich vorlag? Wurde überhaupt Kontakt mit den Mainzer Stadtwerken aufgenommen – oder mit der Stadt Mainz als Eigentümerin der Stadtwerke?

Der Firmensitz der Mainzer Stadtwerke in der Mainzer Neustadt. - Foto: Stadtwerke Mainz
Der Firmensitz der Mainzer Stadtwerke in der Mainzer Neustadt. – Foto: Stadtwerke Mainz

In ihrer Begründung, keine Ermittlungen aufzunehmen, beruft sich die Staatsanwaltschaft aber lediglich auf die Angaben aus der Anzeige zum Verkauf der Marina, die den Fall erst ins Rollen brachte. Antworten zu diesen Fragen könnte außerdem die Stadt Mainz selbst liefern – und genau dazu haben sie die Freien Wähler aufgefordert: Die stellen für den Stadtrat an diesem Mittwoch gleich drei Anfragen zu dem Verkauf der Marina. Darin fordern die Freien Wähler detailliert Auskunft darüber, wer genau den Verkauf der Marina genehmigte: Der Vorstand der Mainzer Stadtwerke? Der Aufsichtsrat? Der Aufsichtsratsvorsitzende, der damalige Mainzer Oberbürgermeister und heutige Innenminister Michael Ebling (SPD)?

Zudem hätte der Verkauf einer solchen werthaltigen Immobilie nach Einschätzung juristischer Experten ausgeschrieben werden müssen – doch das geschah nicht: In einem Umlaufbeschluss vom 25. März 2021, der Mainz& vorliegt, legt der Stadtwerke-Vorstand den Verkauf der Marina zum Buchwert von 86.000 Euro fest – und vollzog damit das bereits im Jahr 2017 beschlossene Vorgehen, die Marina an die Geschäftsführer Hener und Höhne zu verkaufen.

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Beck verweigert jede Antwort zum Verkauf: Fragerecht einklagbar

Doch Bürgermeister Günter Beck (Grüne) verweigert in seinen Antworten auf die Fragen der Freien Wähler jegliche Auskunft. „Bei dem Geschäftsbetrieb der Marina Zollhafen GmbH handelt es sich um eine wirtschaftliche Beteiligung außerhalb des Bereichs der Daseinsfürsorge“, heißt es in den Antworten für den Stadtrat, die bereits vorliegen. Auch sei Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG „eine privatwirtschaftlich tätige Gesellschaft mit einem privaten Mehrheitseigner, mit dem Verkauf der Anteile an der Marina Zollhafen GmbH waren daher die städtischen Gremien nicht befasst.“

Verweigert den Freien Wähler jegliche Antworten auf Fragen zum Verkauf der Marina: Bürgermeister Günter Beck (Grüne). - Foto: gik
Verweigert den Freien Wähler jegliche Antworten auf Fragen zum Verkauf der Marina: Bürgermeister Günter Beck (Grüne). – Foto: gik

Fragen zu den Mainzer Stadtwerken – beantwortet Beck nicht. Fragen, ob der Mainzer Stadtrat über den Verkauf der Marina informiert wurde, ob die Stadträte davon informiert waren und ob sich der Stadtvorstand mit dem Verkauf befasste – beantwortet Beck nicht. Keine einzige der Detailfragen der Freien Wähler wird in den Schreiben der Stadt beantwortet, dabei haben Stadträte ein Recht auf Antworten: „Die Mitglieder von Gemeinderäten, Stadträten oder Kreistagen haben einen Rechtsanspruch darauf, dass ihre Anfragen binnen angemessener Frist, vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet werden“, heißt es etwa bei der auf Verwaltungsrecht spezialisierten Anwaltskanzlei Schollbach.

Werde „das Fragerecht durch den Bürgermeister, den Oberbürgermeister oder den Landrat verletzt“, könnten die betroffenen Mandatsträger sich dagegen sogar vor dem Verwaltungsgericht zur Wehr setzen – die Kosten müsste im Übrigen die Gemeinde tragen, in diesem Fall also die Stadt Mainz. In dem Fall der Anfragen der Freien Wähler wird aber jede einzelne, unterschiedliche Anfrage mit dem gleichen Text beschieden, in dem es heißt: „Weitere Auskünfte zu den Einzelheiten auf Ebene der einzelnen privatwirtschaftlich tätigen Gesellschaften können – wie auch sonst – nicht erteilt werden.“

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Neuer Whistleblower schickt anonym Unterlagen an Anwalt

Nicht beantwortet wird zudem eine weitere brisante Frage: „Gibt es ein Gutachten der Stadtverwaltung Mainz (Rechtsabteilung) zum Verkauf und/oder dem Wert der Marina und wenn ja: von wann ist das Wertgutachten?“ Auf ein solches Gutachten hatte sich auch die Staatsanwaltschaft Koblenz bezogen – Fragen dazu: nicht beantwortet. Und dann steht noch die Frage im Raum, ob der Stadtrat dem Verkauf der Marina überhaupt zustimmte oder damit befasst war – denn die Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz sieht bei wesentlichen Änderungen von städtischen Beteiligungen auch eine Zustimmungspflicht des Stadtrates vor. Das gilt nach Einschätzung von Experten wohl auch bei einer Minderheitsbeteiligung der Mutterfirma Stadtwerke Mainz von 49,9 Prozent an der Zollhafen Mainz GmbH.

Das Thema Verkauf der Marina im Zollhafen ist aber auch aus einem anderen Grund weiter nicht beendet: Bei der Frankfurter Anwaltskanzlei Squire Patton Boggs, die im Auftrag der Hinweisgeber die Anzeige an die Staatsanwaltschaft verfasst hatte, hat sich nach Informationen von Mainz& ein neuer Whistleblower gemeldet. Rechtsanwalt Christof Eggers bestätigte unserer Zeitung: Bei ihm sei ein anonymer Umschlag eingetroffen – mit umfassenden weiteren Unterlagen zum Thema, die derzeit ausgewertet würden.

Info& auf Mainz&: Mainz& hat als erstes Medium in Mainz ausführlich über die Fragen rund um den Verkauf der Marina im Mainzer Zollhafen berichtet, und zwar erstmals am 16. Mai 2025 sowie am 6. Juni 2025, damals exklusiv über den echten Kaufpreis. Unsere Artikel dazu noch einmal zum Nachlesen hier:

Mainz& exklusiv: Marina im Mainzer Zollhafen offenbar weit unter Marktwert verkauft – Staatsanwaltschaft sieht keine Untreue

 

Mainz& exklusiv: Sind Mainz Millionen Euro an Steuergeldern beim Verkauf der Marina im Zollhafen entgangen? – Freie Wähler stellen brisante Fragen