Es war vergangenen Sonntag, da riefen die Grünen Vizekanzler Robert Habeck als ihren Kanzlerkandidaten aus. Und der rief seiner Partei und der Welt zu: „Wir müssen um die Demokratie kämpfen. Für sie eintreten. Jetzt, in der Gegenwart und für die Zukunft unseres Landes. Kann ich auf Dich zählen?“ Die Frage ist eigentlich eher: Kann Robert auf seine eigene Partei zählen? In Mainz befleißigen sich die Grünen nämlich schon seit Monaten immer wieder bei dem Spiel: Wie behindere ich Pressevertreter, die kritisch über Grüne berichten? Das belastet nun auch den Start der neuen Kenia-Koalition. Die „Mainz& politisch“ Kolumne aus aktuellem Anlass zu einem wichtigen Thema: Pressefreiheit.
Es war am 24. Mai 2024, als Außenministerin Annalena Baerbock zum Wahlkampf nach Mainz kam. 14 Tage vor der Europawahl wollte die Spitzen-Grüne im Alten Postlager am Mainzer Hauptbahnhof gemeinsam mit Parteichefin Riccarda Lang für grüne Positionen in der Europapolitik werben – ein Spitzentermin auch für Journalisten und eine der eher seltenen Gelegenheiten, wieder einmal die grüne Außenministerin und ihr Auftreten in Mainz zu beobachten.
Es sind genau solche Termine, die für Journalisten besonders wichtig sind: Die direkte Beobachtung, das unmittelbare Erleben eines Spitzenpolitikers, seine (oder ihre) Wortwahl, Haltung, Agieren auf der Bühne und mit den Menschen – aus solchen Terminen speisen sich Eindrücke für Analysen und politische Einschätzungen. Wenn sie denn „erlaubt“ werden: Der Internetzeitung Mainz& wurde in Gestalt ihrer Chefredakteurin Gisela Kirschstein der Zutritt zu der Veranstaltung verwehrt. Ohne Angabe von Gründen. Trotz vorheriger bestätigter (!) Akkreditierung.
Kenia-Koalitionsvertrag an Medien versandt – nur nicht an Mainz&
Selbst Grüne bestätigten im Nachhinein: Das Verwehren des Zugangs war reine Willkür, ein Grund dafür lag nicht vor – und: Es hätte nicht passieren dürfen. Die Grünen in Mainz entschuldigten sich. Ein „Missverständnis“, hieß es. So bedauerlich. Während des „Missverständnisses“ standen ein halbes Dutzend hochkarätige Grüne in der Schlange vor dem Alten Postlager und sahen zu, Mainz& und seine Chefin sind weithin bekannt. Niemand griff ein.
Am 13. November 2024 posteten Grüne, SPD und CDU glücklich und erschöpft Fotos von einer gemeinsamen Kneipenrunde. Anlass: Nach monatelangen Verhandlungen war endlich der Koalitionsvertrag für die neue Kenia-Koalition im Mainzer Stadtrat fertig. Der Vertrag wurde mit großer Spannung erwartet: Nach 15 Jahren Ampel-Koalition, würde Mainz nun eine völlig neue Koalition bekommen, die im politischen Mainz noch Neuland ist und allerhand Sprengstoff birgt – es stand großes Interesse zu erwarten.
Noch am gleichen Abend, dem 13.11., verschickten die Koalitionäre das Papier an ihre Mitglieder – und an die Presse. Wer nicht im Verteiler war: die Internetzeitung Mainz&. Deren Chefredakteurin erfuhr zwei Tage später aus Zeitung und Internet von dem fertigen Papier – als Allgemeine Zeitung und SWR berichteten. Ausführlichst, ganzseitig, mit gründlichen Analysen. Mainz& hatte das Nachsehen – und einen massiven Nachteil bei Klickzahlen, Leserinteresse und dem Ansehen bei seinen Lesern als gut informiertes politisches Magazin.
Eine Woche später sickerte eine weitere Information durch: Es hatte sogar ein Hintergrundgespräch mit der Presse stattgefunden. Mit allen drei Koalitionspartnern – und zwei auserwählten Presseorganen. Nicht eingeladen: die Internetzeitung Mainz& und ihre für kritische Fragen bekannte Chefredakteurin. Hinter vorgehaltener Hand hieß es nun: Man habe sich „zunächst“ mit den beiden relevantesten Presseorganen in Mainz treffen wollen, die Auswahl habe dem stärksten Koalitionspartner obliegt: den Grünen. Die auch – so bestätigen es mehrere Quellen unabhängig voneinander – für die Versendung des Koalitionspapiers verantwortlich zeichneten.
„Die Pressefreiheit garantiert eine ungehinderte Berichterstattung“
Alles ein Zufall? Wohl kaum: Es war die Internetzeitung Mainz&, die gemeinsam mit der Allgemeinen Zeitung seit Sommer 2024 die Ereignisse rund um das Platzen des Nachtragshaushalts für das Jahr 2024 und den Stopp durch die Dienstaufsicht ADD berichtet hatte. Es war aber vor allem Mainz&, die ausführlich über die Vorwürfe berichtete, die erst die Dienstaufsicht ADD in ihren Schreiben, und dann die Freien Wähler im Mainzer Stadtrat erhoben – Vorwürfe über Desinformationen und Unwahrheiten, verbreitet wiederholt durch den grünen Finanzdezernenten und Bürgermeister Günter Beck.
Beck steht unter anderem deshalb in der Kritik, weil er konkrete Zahlen zum plötzlich wieder aufgetretenen Haushaltsloch bis zur Kommunalwahl im Juni selbst Stadträten, aber eben auch der Öffentlichkeit vorenthielt – was selbst aus den Reihen der eigenen Koalition für scharfe Kritik sorgte. Beck wiederum kommuniziert seit Jahren vorwiegend nur mit einem einzigen Presseorgan in dieser Stadt: der Allgemeinen Zeitung.
Alles nur Lappalien? Mitnichten: Pressefreiheit und eine ungehinderte Arbeit von Medien sind einer der Grundpfeiler der Demokratie. Den Vätern und Müttern des Grundgesetzes war das zutiefst bewusst, nicht umsonst betonten sie bereits in Absatz 5 des Grundgesetzes: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Die Freiheit der Berichterstattung bedeutet aber nicht einfach, schreiben zu dürfen, was mann oder frau will.
„Die Pressefreiheit garantiert eine ungehinderte Berichterstattung, von der Informationsbeschaffung bis zur Verbreitung eines Beitrages“, führt dazu die Deutsche Journalistenunion der Gewerkschaft Ver.di aus, und diese Presse(!)freiheit ist mit Rechten verbunden: Behörden „müssen die Freiheit der Medien achten“, betont die DJU – und „das Recht auf ungehinderte Berichterstattung ist kein Anspruch, den journalistische Medien gegen den Staat durchsetzen müssen. Es ist vielmehr ein verfassungsgemäßer Anspruch, dessen Umsetzung auch zu den Aufgaben des Staates gehört.“
Regierungsbildung, Koalitionsvertrag – Pressekonferenz
Nun sind Parteien keine Behörden, doch sie sind ebenfalls ein Pfeiler der demokratischen Grundordnung in der bundesdeutschen Parteiendemokratie, man kann also reiflich spekulieren: Gelten diese Sätze auch für Parteien und ihre Pressestellen? Die meisten professionellen Journalisten würden dazu wohl sagen: Ja. In 25 Jahren als politische Korrespondentin habe ich stets erlebt, dass sich gerade in Parteien, die sich zum demokratischen Spektrum zählen, an genau dieselben Regeln gehalten werden – bis jetzt.
Ich berichte seit 25 Jahren über Regierungsbildungen und Koalitionsverhandlungen, in der Stadt Mainz, im Land Rheinland-Pfalz, im Land Hessen. Für große und kleine Medien, von der Nachrichtenagentur ddp/dapd über die WELT und die Frankfurter Neue Presse bis hinzu Rhein-Zeitung, Mannheimer Morgen und eben meiner eigenen Internetzeitung Mainz&. In all den Jahren galt eine Regel: Koalitionsverträge werden auf öffentlichen Pressekonferenzen vorgestellt, um allen Medienvertretern gleichzeitig (!) Zugang zu den Informationen und Gelegenheit zu Fragen zu geben. Das galt auf allen Ebenen und für alle Koalitionen – bis jetzt.
In Mainz hat es sich die Koalition aus Grünen, SPD und CDU vorbehalten, einzelne, ausgewählte Pressevertreter vorab und exklusiv zu informieren – andere aber nicht. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, den das Presserecht für Vertreter verschiedener Medien vorsieht. „Bei der Erteilung von Auskünften an Medien ist der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten“, heißt es etwa im Landesmediengesetz Rheinland-Pfalz. „Staatliche Stellen dürfen zwischen auskunftsersuchenden Journalisten keine Unterschiede machen“, führt zudem das Online-Lexikon zum Presserecht ausdrücklich aus: „Damit würden sie auf die Berichterstattung der Medien unzulässig Einfluss nehmen.“
„Ist der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten“
Und weiter: „Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3, Absatz 1 GG verbietet es, bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Inhalt oder Umfang zu erteilender Informationen zwischen den Medien zu differenzieren.“ Und dabei spiele es im Übrigen auch keine Rolle, wie groß oder „klein“ das Medium ist, und wie oft oder wie selten es über ein Thema berichtet habe. „Der Verleger einer Zeitung oder Zeitschrift kann von den Behörden verlangen, dass ihm deren amtliche Bekanntmachungen nicht später als seinen Mitbewerbern zur Verwendung zugeleitet werden“, heißt es dort.
Nun sind Parteien – wie gehabt – keine Behörden und keine staatlichen Stellen – aber ein wesentlicher Baustein der Demokratie sind sie schon: Sie wirken, so sagt es das Grundgesetz, „bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. (…) Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.“ Wie demokratisch ist es also, einzelne Medien zu bevorzugen, andere aber von Informationen abzuschneiden? Und es ist ja nicht so, als hätte Mainz& kein Interesse signalisiert: Wochenlang haben wir bei verschiedenen Vertretern der verhandelnden Parteien immer wieder nachgefragt: Wann stellt Ihr den Koalitionsvertrag vor? Wann kommt die Pressekonferenz? und schließlich: Wieso macht ihr keine PK?
Die Antwort: Wegducken, abwiegeln, vertrösten. Und dann gibt es da ja noch eine Hintertür: das Hintergrundgespräch. Die Runde in vertraulichem Rahmen erlaubt es Parteien, nur eine auserwählte Runde von Journalisten einzuladen – andere aber nicht. Wer dazugebeten wird, darf sich wichtig fühlen, immer häufiger werden solche Hintergrundgespräche dazu benutzt, nur einzuladen, wer genehm ist und nicht zu unangenehm aufgefallen ist – ein beliebtes Mittel zur „Disziplinierung“ von Journalisten: Bist du zu unbequem, bleiben Dir die exklusive Zirkel der Macht verschlossen. So weit, so übel – und so üblich.
HIG als Hintertür: Einladung als Belohnung für Wohlverhalten?
Doch üblich (und zulässig) ist auch, genau die Medien zu einem Hintergrundgespräch einzuladen, die sich mit dem in Frage stehenden Thema besonders intensiv beschäftigen. So wird etwa ein Kulturredakteur nicht zu einem Sportthema geladen, ein Wirtschaftsredakteur nicht zu Bildungsthemen. Und genau hier wird es spannend, wenn es aus Kreisen der Kenia-Koalition heißt: Man habe zu besagtem Hintergrund eben nur „die wichtigsten“ oder „die relevantesten“ Medien für Mainz mit der größten Reichweite geladen.
Nun hat Mainz& sicher nicht die Reichweite eines SWR, gehört aber mit 50.000 bis 140.000 Klicks im Monat, rund 1 bis 2,1 Millionen Page Views bei Google sowie mehr als 830.000 Visits und rund 650.000 Nutzern im Jahr sicher auch nicht zu den Medien, die keinerlei Reichweite haben. Mainz& hatte bis Mai diesen Jahres – bis eine böswillige Hetzerkampagne unseren Facebookauftritt mit Fakemeldungen lahmlegte – eine Reichweite auf Facebook von bis zu 400.000 erreichte Personen, dazu mehr als 1.500 Follower auf Instagram und aktuell noch knapp 2.500 Follower auf Twitter – trotz wochenlanger Inaktivität.
Und wer sich in Mainz im Bereich der Kommunalpolitik bewegt, kommt an Mainz& ohnehin nicht vorbei: Seit nunmehr 10 Jahren berichtet dieses politische Magazin ausführlich und oft investigativ über die Ereignisse im politischen Mainz, ist bei allen Wahlen in der Stadt präsent – und organisierte als einziges (!) Medium bei der Kommunalwahl 2024 eine öffentliche Podiumsdiskussion, auf der die Spitzenkandidaten der politischen Parteien im Stadtrat intensiv und über mehrere Stunden Visionen und Pläne für Mainz diskutierten. Die Reaktion: Lobeshymnen. Eine Sternstunde der politische Debatte sei das gewesen, ein Vorbild für andere – so gehe guter Lokaljournalismus.
Wer Journalist ist, entscheiden weder Staat noch Parteien
Übrigens: Wer Journalist ist und wer nicht – das entscheidet weder der Staat, noch die Parteien. „Die Freiheit von Presse und Rundfunk gewährleistet das Grundgesetz, auf sie kann sich berufen, wer journalistisch tätig ist“, heißt es bei der Deutschen Journalistenunion (DJU) explizit. Dabei komme es noch nicht einmal darauf an, ob das hauptberuflich oder ehrenamtlich geschehe – auch eine Schülerzeitung habe denselben Anspruch auf Pressefreiheit. Und sie gilt – hört, hört! – auch für Online-Erzeugnisse „wenn sie journalistisch tätig sind“ und sich an den Pressecodex halten.
Wer dann noch ein Qualitätskriterium benötigt, kann sich an Mitgliedschaften in Berufsverbänden orientieren – die Mainz&-Chefredakteurin ist unter anderem, Mitglied in der Landespressekonferenz Rheinland-Pfalz, der Landespressekonferenz Hessen und dem Berufsverband Freischreiber. Und sie ist Inhaberin eines DJV-Presseausweises – der wird nur nach strengen Kriterien an hauptberuflich tätige Journalisten vergeben und gilt als wichtigster Nachweis in Deutschland – für eine journalistische Tätigkeit.
Die Mainz&-Mediadaten stehen im Übrigen frei einsehbar und gut auffindbar auf unserer Internetseite – ebenso wie Hintergründe zu seiner Chefredakteurin und ihrer journalistischen Erfahrung.
Wiederholte Diffamierungen gegen Mainz& auf Social Media
Trotzdem wird gerade in Reihen der Grünen (und anderswo) noch immer allen Ernstes kolportiert, Mainz& sei ja gar kein journalistisches Medium – und seine Chefredakteurin „gar keine Journalistin“. Solche Sätze aber sind keine Banalität, denn sie werden auch immer wieder öffentlich erhoben und in Social Media gezielt gestreut. Da heißt es etwa: „Sie sind ja auch kein Nachrichtenportal, sondern eine Propagandaseite im Mikroformat“ – so gepostet am 30. Juni 2024 unter einem Beitrag von Mainz& auf Facebook. Der Urheber: Ein (Fake?)profil aus dem Umfeld der Mainzer Grünen.
Ein Impressum gebe es auch nicht, flankierte prompt ein zweiter Kommentator, ebenfalls mit Verbindung zu einem grünen Umfeld – eine glatte Falschbehauptung, die lediglich einem Zweck dient: Der Diskreditierung. In weiteren Kommentaren heißt es gerne mal, Mainz& sei „ein Verlautbarungsorgan der CDU“, dem eine ausgewogene Berichterstattung fremd sei – Urheber: ein Mitglied der Mainzer Grünen. Oder – just nach der Aussperrung von Mainz& am Alten Postlager – dieser Kommentar: „Mainzund ist halt auch einfach kein Presseerzeugnis, sondern politischer Aktivismus“ – der Urheber: Das Profil mit exakt dem gleichen Namen wie ein Mitarbeiter der Kreisgeschäftsstelle der Mainzer Grünen.
Die Namen sämtlicher genannter Profile sind gespeichert, zu allen zitierten Kommentaren existieren Screenshots, die Urheber wurden danach blockiert. Das ist wichtig, weil sonst solche Fakeprofile die Chance haben, weiter diskreditierende Botschaften zu verbreiten – und so schleichend die Reputation eines journalistischen Mediums zu beschädigen. Die Methode: immer wieder in Zweifel ziehen, dass ein Medium vertrauenswürdig ist. „Mittel der Diskreditierung sind Verleumdung, Indiskretionen oder das Verbreiten von Gerüchten“, heißt es zutreffend bei Wikipedia, „oftmals wird zum Erreichen der persönlichen Ziele das Mittel der Lüge benutzt.“
„Wir müssen um die Demokratie kämpfen“ – wer jetzt genau?
Wer sich solcher Mittel bedient, handelt der eigentlich noch demokratisch? Oder sind solche Verleumdungen und Schmutzkampagnen nicht eigentlich genau die Mittel, die deutsche Parteien gerade vom linken Rand so gerne Donald Trump oder der AfD vorwerfen? Sind nicht genau das die Mittel, mit denen Vertrauen in seriöse Medien untergraben wird – und wohin führt das in einer Demokratie? Welche Haltung dürfen wir von Parteien gerade im Umgang mit kritischen Journalisten erwarten, die den Finger in Wunden legen, und auf der Grundlage des Presserechts Fehlentwicklungen aufzeigen?
Wir haben natürlich bei den Mainzer Grünen nachgefragt, und gerade mit Blick auf die Verteilung des Koalitionsvertrages und der Einladung zum Hintergrundgespräch um Stellungnahme gebeten. Als Reaktion hieß es, man müsse „erst einmal nachfragen“, man wisse das alles gar nicht so genau – und man mache „das hier ja alles im Ehrenamt.“ Im Ehrenamt muss die Demokratie also nicht verteidigt werden, gilt ein fairer Umgang mit kritischer Presse also irgendwie nicht so richtig – oder wie soll man das verstehen?
Auch 24 Stunden nach Versand unserer Email mit Aufforderung zur Stellungnahme gibt es an offizieller Reaktion: keine. Stattdessen wird kolportiert, Mainz& habe ja ein Angebot für ein Telefonat ausgeschlagen – was nicht stimmt. Innerhalb der Kenia-Koalition wird derweil die Verantwortung dem jeweils anderen Koalitionspartner zugeschoben – man habe sich eben „so geeinigt“, und für den Kontakt mit der Presse seien eben die Grünen zuständig gewesen.
Schulterzucken. Wegducken. Verbunden mit dem Hinweis, man „nütze sich gerade nicht“, wenn man so einen Wirbel mache. Man könne ja hinterher auch noch telefonieren. Fakt ist: Mainz& war nicht eingeladen, Mainz& wurde nicht informiert – und vor allem nicht gleichzeitig mit anderen Mitwerbern auf dem stark umkämpften Markt um Aufmerksamkeit und Reichweite. Das ist eine klare Benachteiligung in Sachen Wettbewerb und in Sachen Gleichbehandlung der Presse. Wer immer bei Kenia dafür zuständig war – die anderen saßen mit am Tisch.
„Auch ‚weiche‘ Sanktionen berühren die Pressefreiheit“
Der Umgang von Behörden mit kritischen Journalisten sei besonders aufmerksam zu beobachten, schreibt die DJU: „Mit Kooperation und freizügiger Information kann es bei einer kritischen Berichterstattung schnell vorbei sein. (…) Eine Benachteiligung einzelner Journalisten oder Medien ist aber rechtlich unzulässig. Auch ‚weiche‘ Sanktionen gegenüber Einzelnen berühren die Pressefreiheit und sollten bereits im Ansatz unterbunden werden.“
Und weiter: „Der Staat hat die objektive Pflicht, die freie Betätigung der Presse zu schützen. Diesem Auftrag kommt er dann nicht nach, wenn Journalisten wegen ihrer Arbeit als ‚Störer‘ wahrgenommen werden.“ Gilt das also nur für den Staat und seine Behörden – oder auch für Parteien? Die Demokratie ist unter Druck wie nie zuvor, Fakenews höhlen das Grundvertrauen in die staatlichen Institutionen aus – und die Diskreditierung von freier, seriöser und professioneller Presse untergräbt das Fundament von Fakten, Aufklärung und der Basis, auf der Meinungsbildung geschieht.
Wer Benachteiligung von Pressevertretern wegen ihrer kritischen Berichterstattung duldet, wer sie gar selbst initiiert, dessen Verständnis von Pressefreiheit muss dringend hinterfragt werden. Denn Pressefreiheit gilt nicht nur, wenn alles „nett“ und „angenehm“ ist, wenn Presse nützlich ist und die Berichterstattung positiv – sie gilt erst recht, wenn Presse kritisch ist und sich die Berichterstattung auch mal gegen die eigenen Reihen oder Person richtet. Dann, und genau dann erweist sich, welches demokratische Verständnis eine Partei oder eine Person hat.
Als Mainz& neulich warnend darauf hinwies, dass der wiedergewählte US-Präsident Donald Trump mit seinem Project 2025 plant, Mitarbeiter in Verwaltung und Militär auf „unbedingte Loyalität“ ihm gegenüber auszurichten, antwortete ein Mainz&-Leser: „Mal ganz ehrlich: Das ist bei uns schon länger so und viel durchsetzter vollzogen. Jeder der ne andere Meinung hat wird im öffentlich kommunalen Bereich kalt gestellt.“ Was genau soll ich diesem Leser eigentlich antworten?
„Wir müssen um die Demokratie kämpfen. Für sie eintreten. Jetzt, in der Gegenwart und für die Zukunft unseres Landes.“ Stimmt genau, Herr Habeck. Und wann und wo fangen wir damit an?
Info& auf Mainz&: Übrigens: Nein, die Benachteiligung von Presse hier in Mainz betrifft wahrscheinlich nicht nur Mainz&, zum Hintergrundgespräch in Sachen Koalitionsvertrag waren offenbar auch andere nicht eingeladen. Aber die müssen schon für sich selbst sprechen. Das gesamte Dossier der Deutschen Journalistenunion DJU zum Thema Freiheit und Berichterstattung am Beispiel von Polizeiarbeit findet Ihr hier im Internet zum Download.