Das wäre ein Paradigmenwechsel in Sachen sozialer Wohnungsbau: Die Stadt Mainz will bei Bauvorhaben in Mainz künftig eine Förderquote von bis zu 80 Prozent Sozialwohnraum ermöglichen. Die Vorlage von Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) und Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD) soll kommende Woche im Stadtrat beschlossen werden. Bislang war von Bauträgern eine Förderquote bei der Schaffung von gefördertem Mietwohnraum von 33 Prozent zu erbringen, die Anhebung auf 80 Prozent soll zunächst auf drei Jahre befristet sein. Mit der Maßnahme will die Stadt erheblich mehr Sozialwohnraum schaffen – auf den übrigens deutlich mehr Menschen Anspruch haben als bekannt.
Das Problem ist seit Jahren bekannt: Der Anteil von Sozialwohnungen in Deutschland sinkt seit Jahren dramatisch. 2022 gab es nur noch rund 39.000 Sozialwohnungen in ganz Rehinland-Pfalz., laut Deutschem Gewerkschaftsbund entspricht das einer Quote von gerade einmal 2,7 Prozent des Wohnraums im Land. Binnen zehn Jahren sei die Anzahl der Wohnungen, bei denen der Staat die Miete fördert, um 45 Prozent gesunken, klagte der DGB im Juli 2023 – und forderte deutlich mehr sozialen Wohnraum.
Auch in Mainz sank der Anteil der Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren stetig, einen Höchststand gab es im Jahr 2019 mit 6.171 geförderten Wohnungen. Rund 80 Prozent davon lagen bei der kommunalen Wohnbau, heißt es im Wohnungsmarktbericht von 2020, dem jüngsten, den wir im Internet bei der Stadt Mainz finden konnten. Die Prognose des Berichts: Ein stetiger Rückgang in den kommenden Jahren bis auf rund 4.000 Sozialwohnungen.
Bestand an Sozialwohnungen sinkt seit Jahren
Grund für den Schwund: Pro Jahr fallen immer mehr Wohnungen aus der Sozialpreisbindung heraus, als neue gebaut werden – im absoluten Hochpreismarkt von Mainz ein riesiges Problem: 2023 schätzten Wohnungsbaufirmen, dass in Mainz rund 10.000 Sozialwohnungen fehlen. Inzwischen hat dazu auch noch eine veritable Krise die Bauwirtschaft erfasst, Grundlagen sind vor allem gestiegene Kosten sowie die Zinserhöhungen der Zentralbanken.
Beim Gegensteuern tat sich Mainz in der Vergangenheit schwer: In Gebieten wie dem Mainzer Zollhafen betrug die Förderquote für sozialen Wohnraum ganze drei Prozent – die Opposition aus CDU, ÖDP oder Linken hatten damals deutlich mehr, etwa 20 Prozent gefordert. Erst ab 2014 galt dann für neue Bebauungspläne eine Förderquote von 25 Prozent – das ist etwa die geltende Sozialraumquote in Neubaugebieten wie das Heilig-Kreuz-Areal.
Das Problem: Mainz gehört nach wie vor bei den Mieten zu den teuersten Städten in ganz Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt lag Mainz Ende 2023 mit einem Mietpries von im Schnitt 15,2 Euro pro Quadratmeter auf Rang 8 im Bundesvergleich – noch vor Hamburg und Düsseldorf. Im OB-Wahlkampf sorgte deshalb auch der Grünen-Kandidat Christian Viering im Januar 2023 mit der Aussage, es müsse „Grenzen des Wachstums“ beim Thema Bauen geben, für heftige Empörung. Erst kürzlich musste sich der grüne Ortsvorsteher der Mainzer Neustadt, Christoph Hand, allerdings dafür entschuldigen, dass er in einem Interview mit dem Neustadt-Anzeiger gesagt hatte, die Mieten in der Neustadt stiegen zwar, die Löhne aber doch auch – ein Problem mochte der Grünen-Politiker nicht recht sehen.
Quantensprung: Förderung bei Sozialwohnraum bis zu 80 Prozent
Nun aber will Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) einen wahren Quantensprung: Die Stadt wolle „eine befristete Erhöhung der Förderquoten bei neu entstehendem Mietwohnraum auf bis zu 80 Prozent erlauben“, sagte Haase – das dürfte ein bundesweit einmaliger Wert sein. Mainz brauche mehr Wohnraum, gleichzeitig seien aber die Kosten für Neubauvorhaben in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. „Eine wirtschaftliche Umsetzung größerer Projekte ist aufgrund stetig steigender Bau- und Grundstückskosten sowie eklatant gestiegener Kapitalmarktzinsen kaum noch realisierbar“, begründete Haase seinen Vorstoß. Die „Leitstelle Wohnen“ ist seit seinem Vorgänger Michael Ebling (SPD) beim Oberbürgermeister angesiedelt.
Erst 2020 hatte der Stadtrat per Beschluss die Förderquote bei der Schaffung von gefördertem Mietwohnraum auf 33 Prozent pro Vorhaben angehoben, die erneute und erhebliche Steigerung begründete Haase auch mit Fördermitteln des Landes Rheinland-Pfalz: Das biete über die ISB „seine Fördermittel derzeit unverändert an, und gewährt neben günstigen Konditionen auch sehr attraktive Tilgungszuschüsse“, betonte Haase: „Von der attraktiven Landesförderung profitieren alle: zuerst die Bauunternehmen und deren Mitarbeiterschaft, künftig die Mieterinnen und Mieter und letztlich die gesamte Stadt.“
Die Landesförderung führe dazu, dass das Interesse von Investoren an der Schaffung von gefördertem Wohnraum derzeit zunehme, betonte Haase zudem, darauf wolle die Stadt reagieren. Mit der Förderquote von bis zu 80 Prozent könne der Bau geförderter Wohnungen in Mainz trotz steigender Baukosten und Kapitalmarktzinsen attraktiv umgesetzt werden und dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden. „Wohnen in Mainz muss bezahlbar sein für Menschen aller Einkommensgruppen“, betonte Haase weiter. Mit der neuen Förderquote könnten in den kommenden drei Jahren deutlich mehr Wohnungen mit einer gedeckelten Miete entstehen.
Neue Förderquote vorerst für drei Jahre, Verlängerung möglich
„Wir setzen mit diesem befristeten Beschluss ein wichtiges Zeichen und senden ein Signal“, betonte auch Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD): „Geförderter Mietraum in Mainz ist knapp, er darf nicht noch knapper werden. Wir ermöglichen nun die bestmögliche Nutzung von Fördermöglichkeiten, die das Land Rheinland-Pfalz zur Verfügung stellt. Dadurch werden viele Wohnungen für Familien mit geringen und mittleren Einkommen gebaut werden.“
Die Neuregelung soll zudem auch auf Baugebiete mit bereits abgeschlossenen städtebaulichen Verträgen angewendet werden können, wenn alle Vertragspartner einer entsprechenden Quotenerhöhung im Vorfeld zustimmen. Die Quotenerhöhung kann nur in Bezug auf einzelne Baufelder erfolgen, sie ist nicht für das gesamte Baugebiet möglich. Die Schaffung und Erhaltung eines angemessenen Wohnumfeldes sowie sozial stabiler und ausgewogener Bewohner- und Quartiersstrukturen sei außerdem weiterhin zu gewährleisten.
Die Steigerung der Förderquoten soll zunächst auf drei Jahre befristet werden, vor Ablauf der Frist will das Amt für soziale Leistungen aber prüfen, ob eine Verlängerung nötig ist. Ohne Verlängerung gelte dann wieder der ursprüngliche Stadtratsbeschluss vom 18. November 2020 mit einer Förderquote von 33 Prozent. Die Beschlussvorlage wurde im Stadtvorstand am 6. Februar 2024 auf den Weg gebracht und soll am 6. März final im Stadtrat entschieden werden.
Haase wies zudem darauf hin, dass deutlich mehr Haushalte Anspruch auf geförderten Wohnraum haben, als die meisten überhaupt wissen: Anspruch hätten nämlich Singles bis zu einem Jahresbruttoeinkommen von etwa 43.000 Euro, für eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern liege die Grenze sogar erst bei rund 95.000 Euro. Gemäß den aktuellen Förderbedingungen darf die Miete für geförderten Wohnraum in Mainz maximal 7,20 Euro (für Haushalte mit niedrigen Einkommen) oder 8,10 Euro (für Haushalte mit mittleren Einkommen) je Quadratmeter betragen.
Info& auf Mainz&: Den Wohnungsmarktbericht der Stadt Mainz sowie weitere Infos rund um das Thema Wohnen findet Ihr hier im Internet. Das ganze Interview mit Neustadt-Ortsvorsteher Chriostoph Hand findet Ihr hier zum Download. Die ganze Debatte zum Thema Wohnraum und Neubau im OB-Wahlkampf mit den Aussagen aller Parteien könnt Ihr noch einmal hier auf Mainz& nachlesen.