Es waren unglaubliche Mengen, die sich da vergangenen Samstag auf dem Mainzer Markt zum legendären Marktfrühstück trafen: Dicht an dicht standen die Menschen in der warmen Frühlingssonne, ein Meer von Köpfen, das sich vom Dom bis weit hinunter an den Rhein zog. 8.000 bis 10.000 Menschen lauten Schätzungen von Anwohnern und Beobachtern – das Mainzer Marktfrühstück wurde bei seiner Premiere der Saison 2019 komplett überrannt. Die Folge: bis zu 30 Minuten Wartezeit am Weinstand und erhebliche Mengen Müll, die zum Teil noch bis Montagfrüh die Grünanlagen und das Rheinufer „verzierten“. Erneut hatten viele Besucher zur Selbstverpflegung gegriffen und Tische, Stühle und Picknickdecken mitgebracht. Nun appellieren Stadt Mainz und Mainzer Winzer erneut an die Besucher, Rücksicht walten zu lassen und den Müll auch zu entsorgen. Unser Kommentar dazu: Nach zwei Jahren Appellen ist das nur noch naiv – das Mainzer Marktfrühstück muss weiter entwickelt werden, wenn man es bewahren will.

Schon 2017 kamen zum Start des Mainzer Marktfrühstücks Hunderte – in diesem Jahr sollen es 8.000 bis 10.000 gewesen sein. – Foto: gik

Seit zwei Jahren immer das gleiche Bild: Zum Auftakt des Mainzer Marktfrühstücks ballen sich die Massen, klagen Marktbesucher über das Ende des entspannten Einkaufens und Anwohner über Müll, wildes Pinkeln und zu viele Menschenmassen, die Rettungswege und Zugänge zu Läden versperren. 2017 begann der Run auf das Kultevent der Mainzer Winzer – eigentlich gedacht als gemütliche Form, am Rande des Mainzer Wochenmarkts am Samstag zu frühstücken und dabei einen Shoppen zu trinken. Zusammensitzen, klönen, genießen, und dabei gute rheinhessische Weine verzehren – das war einmal die Idee der Mainzer Winzer für das Mainzer Marktfrühstück.

Das war Anno 1999 – inzwischen wurde aus dem Treff am Rande des Marktes eine Kultveranstaltung, die Jahr für Jahr mehr Besucher anzog. Das Marktfrühstück sprach sich herum, immer mehr junge Menschen entdeckten den Treff am Samstag, dann kamen zunehmend Gäste von außen, eine echte Erfolgsstory, um die so manche Stadt Mainz bis heute glühend beneidet.

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Doch etwa ab 2016 explodierte der Zustrom, 2017 kamen Hunderte zum Saisonauftakt mehre, 2018 waren es bereits Tausende – der Höhepunkt waren um die Zehntausend in diesem Jahr. Die Infrastruktur hält da schon lange nicht mehr Schritt: Öffentliche Toiletten sind Mangelware, so stürmen die Marktfrühstückbesucher längst die umliegenden Gaststätten. Immer mehr Besucher bringen ihre eigenen Getränke mit, da der Weinstand die Massen gar nicht mehr bedienen kann – schon seit zwei Jahren ist das der Fall.

Hat mit gemütlichem Frühstückstreff bei seiner Gründung 1999 nichts mehr gemein: das Marktfrühstück der Mainzer Winzer. – Foto: Mainzer Winzer

Im April 2017 rief der damalige Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) sogar einen Krisengipfel im Rathaus zusammen, das Ergebnis: Ein Appell an die Besucher des Marktfrühstücks, sich an Regeln zu halten. Nicht die Durchgänge oder Rettungswege verstopfen, Weinflaschen und Gläser am Weinstand zurückgeben und den eigenen Müll entsorgen, hieß es da im Mai 2017. „Eigene Tische und Sitzgelegenheiten könnt Ihr nicht mitbringen, sie werden künftig abgeräumt“, heißt es auf dem Flyer weiter – passiert ist das bis heute nicht. Vergangenen Samstag seien erneut Picknicktische und Stühle und sogar ein Sofa im Einsatz gewesen.

Zu dem Ansturm trug auch eine geplante Aktion des Fußballclubs Mainz 05 bei, der eigentlich seinen Fans einen Schoppen ausgeben wollte – und dann wegen des zu erwartenden Ansturms in letzter Minute auf die Aktion verzichtete. Weil gleichzeitig zum Marktfrühstück auch der Weinstand am Rheinufer in die Saison startete, zog sich die Menge der Weinfans bis hinunter an den Rhein und das Ufer entlang. Vor der schieren Menge kapitulierten Marktbesucher und Läden gleichermaßen, manch einer schloss vorzeitig sein Geschäft – ausgerechnet an einem Samstag.

Dazu kam: Nach dem Marktfrühstück quollen besonders die kleinen Müllbehälter am Rheinufer und in der Grünanlage am Fischtorplatz über, Weinflaschen blieben auf Bänken einfach stehen. „Dass die Premiere 2019 stark besucht sein würde, hatten wir natürlich erwartet“, sagte nun Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Dabei sei es aber „zu Verhältnissen gekommen, die wir so nicht akzeptieren können“: Das massive Müllaufkommen „gerade am Rheinufer und im Bereich Fischtor führt zu sehr unschönen Bildern“, sagte der OB. Das Marktfrühstück sei „eine wunderbare Veranstaltung, die nicht an ihrem Erfolg und dem Fehlverhalten von Besucherinnen und Besuchern ersticken darf.“

Der Oberbürgermeister kündigte an, die Stadt werde künftig die Zahl der großen Mülltonnen mit der Aufschrift „Marktfrühstück“ von 7 auf 15 Tonnen im Bereich vom Liebfrauenplatz bis zum Rheinufer aufstocken und intensivere Entsorgungsintervalle im Umfeld der überfüllten Behälter realisieren. Sonntagfrüh werde eine Extrakolonne morgens nochmals gesondert reinigen. Gleichzeitig betonte der OB auch: „Man kommt nicht umhin, die vielen Besucher mit in die Pflicht zu nehmen und deutlich zu appellieren, dass weniger manchmal mehr ist.“ Es bedürfe der Mithilfe und Einsicht aller, damit das Marktfrühstück weiterhin seinen Charme behalte.

Nach Beobachtungen des Ordnungsamtes brächten inzwischen viele Gäste Picknick-Decken, Gartenstühle und Tische mit sowie Getränke und kulinarische Köstlichkeiten von daheim im großen Stil. „Mit der grundlegenden Idee des Marktfrühstücks hat dies nichts mehr zu tun“, betonte Ebling. Er appelliere das an die Besucher daran zu denken, „dass dort zugleich viele Menschen im Umfeld wohnen, welche die Belastungen vor der Haustür ertragen müssen und wenig erfreut sind, nach der Feier stark verunreinigte Bereiche gerade am Rheinufer vorzufinden, das eine Flaniermeile darstellt.“ Derzeit würden „Grenzen überschritten, auf die wir bei den kommenden Veranstaltungen mit dem Ordnungsamt deutlich hinweisen – und notfalls  auch eingreifen werden.“ Die Stadt Mainz will nun an den kommenden Samstagen erneut Handzettel verteilen und auslegen, um „auf das Verhalten der Besucher einzuwirken“.

Info& auf Mainz&: Folgende Regeln bitten Stadt Mainz und Mainzer Winzer zu beachten:

•     Nicht die Durchgänge verstopfen! Die Marktbeschicker seien oft seit 4.00 Uhr auf den Beinen und wollten daher das Marktgelände gerne zwischen 14.00 Uhr und 15.00 Uhr verlassen. „Sie müssen ordnungsgemäß und gefahrlos vom Marktgelände zu- und abfahren können“, mahnt die Stadt – bitte achtet auf die Anweisungen der Ordner!
•     Damit Rettungsfahrzeuge durchkommen können müssen die Bereiche in Richtung Fischtorstraße, Gutenberg-Museum und die Blumenbeete von größeren Menschenansammlungen freigehalten werden.
•      Eigene Tische und Sitzgelegenheiten könnt Ihr nicht mitbringen, sie werden künftig abgeräumt.
•      Bitte die Weinflaschen und Gläser am Weinstand gegen das Pfandgeld zurückgeben!
•       Der Müll gehört in die dafür vorgesehenen Behälter – oder Ihr nehmt ihn einfach mit heim.
•       Wenn der Wein wieder raus will, es gibt hier auch Toiletten! Schauen Sie bitte nach den Hinweisschildern am Weinstand.

Geliebtes Kultevent: Das Mainzer Marktfrühstück wird von seinem eigenen Erfolg bedroht. – Foto: gik

Kommentar& auf Mainz&: Noch ein Appell? Das ist naiv! Entwickelt das Marktfrühstück endlich weiter!

Also ein Appell soll es nun richten, wieder einmal. Derselbe Appell mit exakt demselben Wortlaut, der ja seit 2017 so großartige Wirkung zeigt, soll es nun also bei einer dreimal so großen Menschenmenge richten? Das ist bestenfalls naiv – im schlimmsten Fall fahrlässig. Ob man es will oder nicht: Das Mainzer Marktfrühstück ist längst aus dem Stadium des gemütlichen Frühstückstreffs herausgewachsen. Es ist – seien wir ehrlich – ein Massenevent irgendwo zwischen Weinfest und Festival, warum also behandelt man es dann nicht als solches? Warum werden nicht zwei, drei Toilettenwagen aufgefahren, die ja locker das Geschäft des Monats dort machen würden?

Warum gibt es keine abgesperrten Fluchtwege, ausgewiesen und freigehalten notfalls eben von Barrieren? Warum lässt man Marktbeschicker noch immer durch die dichte Menge abfahren – bei 8.000 Menschen? Was ist das für ein Wahnsinn? Eine Abfahrt über das Höfchen wäre doch nun wirklich zumutbar – warum wird das nicht verfügt, zur Sicherheit von allen? Mehr Mülltonnen soll es nun geben – man kann nur sagen: endlich. Und warum gibt es eigentlich nicht längst mehr als eine Weinausschank-Station – bei mehreren Tausend Menschen? Kein einziges Festival würde für mehrere tausend Besucher nur einen Weinstand aufstellen – es ist doch nur logisch, dass die Menschen zur Selbstverpflegung greifen, was sollen sie denn auch sonst tun? Und wo sollen sie denn sitzen, auf den zehn vorhandenen Bänken vielleicht?

Um es klar zu sagen: Das Mainzer Marktfrühstück ist grandios, es ist eine Mainzer Marke und selbst bei 8.000 Menschen immer noch ein absolut friedliches Happening, das es unbedingt zu erhalten gilt. Aber die Größe ist längst aus dem Ruder gelaufen, darauf muss endlich reagiert werden – mit einer behutsamen Weiterentwicklung. Stattdessen wird völlig unflexibel auf die exakt gleichen Regeln gepocht, die seit zwei Jahren sowieso keiner einhält, deren Einhaltung nie eingefordert wurde und die sich durch die schiere Menge zum Teil selbst ad absurdum führen. So, und genau so macht man das Marktfrühstück kaputt.

 

 

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