Jetzt ist die Preisexplosion bei den Mieten in Mainz amtlich: In vier Jahren sind die Mieten in Mainz im Durchschnitt um zehn Prozent gestiegen, das ist eine jährliche Steigerung von 2,5 Prozent, gut ein Prozentpunkt mehr als vor 2010. Die Durchschnittsmiete beträgt 6,71 Euro pro Quadratmeter – im Schnitt wohlgemerkt. Das geht aus dem neuen Mietspiegel 2015 hervor. Das Werk ist wichtig, sind doch Vermieter bei Mieterhöhungen verpflichtet, sich auf die ortsübliche Vergleichsmiete zu beziehen – und die steht im Mietspiegel.
Seit 40 Jahren schon gibt die Stadt Mainz einen qualifizierten, also wissenschaftlich erstellten Mietspiegel heraus, alle zwei Jahre kommt das neue Zahlenwerk auf den Tisch. Verhindert hat es die Preisexplosionen der vergangenen Jahre nicht – doch man kann andererseits sagen: das Allerschlimmste dürfte der Mietspiegel dennoch verhindert haben.
13,6 Prozent Mietsteigerung beim großen Bereich der Nachkriegsbauten
Doch es ist schlimm genug: Rund 13,6 Prozent Mietsteigerung gibt es ausgerechnet bei den Wohnungen, wie sie in der bevölkerungsreichen Neustadt in Massen zu finden sind: mittelgroße Wohnungen zwischen 60 und 80 Quadratmetern Größe mit guter und mittlerer Ausstattung bis zum Baujahr 1969. Damit bestätigt sich der subjektive Eindruck, dass die Neustadt derzeit von kapitalkräftigen Menschen aufgekauft wird – und die alteingessenen, oft eben nicht so gut bezahlten Neustädter zunehmend verdrängt werden. Die Mieter in der Sömmeringstraße, deren Wohnungen nach Sanierungen drastisch teurer werden sollen, sind nur eines von vielen Beispielen.
In diesem Segment sei „ein starker Nachfragedruck“, heißt es von der Stadt Mainz. Nett ausgedrückt… 6,62 Euro pro Quadratmeter muss man inzwischen für eine gut ausgestattete Wohnung dieser Nachkriegs-Bauten zwischen 60 und 80 Quadratmeter Größe hinlegen – vor zwei Jahren waren es nur 6,10 Euro. In der Größe zwischen 40 und 60 Quadratmetern sind es sogar 6,81 Euro im Schnitt – das Maximum liegt hier sogar bei 8,46 Euro.
Mietspiegel bildet nur Mieterhöhungen ab, nicht Neuvermietungen
Und wenn Ihr jetzt ruft: Moment! Meine Wohnung ist doch viel teurer – dann habt Ihr natürlich Recht 😉 Dann wohnt Ihr in einer Wohnung, in der es viele Mieterwechsel gab, dagegen stehen aber immer noch viele Wohnungen, in den ältere Menschen seit Jahrzehnten leben. Und die kosten oft noch immer nur 350 Euro oder so. Das drückt natürlich den Schnitt. Wir können also getrost davon ausgehen, dass das reale Mietniveau bei Neuvermietungen noch deutlich drüber liegt.
Weitaus weniger Mietsteigerungen gab es übrigens bei größeren Wohnungen über 80 Quadratmeter oder bei jenen ab Baujahr 1981 – die waren vorher schon teuer. Der Median bei diesen modernen Wohnungen liegt bei 8,25 Euro pro Quadratmeter, Wohnungen zwischen 40 und 60 Quadratmeter Größe kosten im Schnitt (!) sogar schon 9,20 Euro – im Maximum geht der Preis hier bis 9,66 Euro hinauf. Puh.
Spitzenpreis bis 11,23 Euro
Über 9 Euro pro Quadratmeter liegen alle Wohnungen, die nach 2003 gebaut wurden, hier gehen die Preise für eine große Wohnung über 80 Quadratmeter sogar bis zum Spitzenwert von 11,23 Euro rauf. Heftig. Schlimmer finden wir die 9,66 Euro Spitzenwert für praktisch alle Wohnungen bis 40 Quadratmeter Größe ab Baujahr 1971 aufwärts. Das heißt übersetzt nämlich: Kleine Wohnungen sind enorm begehrt, „Schuld“ sind da dran die vielen Studis, aber eben auch die wachsende Zahl der Alleinlebenden.
Allerdings kann die hohe Nachfrage nach kleinen Wohnungen auch eine Ursache in wachsender Armut haben: Im Zweifel kann man sich die kleine Wohnung trotz teurer Mieten eben gerade noch so leisten… Das spiegelt sich auch in der eigenen Tabelle für Appartments: 9,96 Euro pro Quadratmeter kostet eine Kleinwohnung im Schnitt – bis Baujahr 1969. Zwischen 1970 und 1980 muss man 10,33 Euro im Schnitt berappen, ab Baujahr 1981 sogar 10,58 Euro. Der Spitzenwert liegt hier bei 11,84 pro Quadratmeter.
Politik von Stadt und Land beim Wohnungsbau gescheitert
Das zeigt: Mainz ist zwar eine äußerst junge Stadt, die einseitige Nachfrage nach kleineren Wohnungen tut dem Wohnungsmarkt aber gar nicht gut. Die Steigerung bei Appartments betrug sogar satte 14,3 Prozent, das ist noch einmal deutlich höher als bei größeren Wohnungen. Das zeigt aber auch: die bisherige Stadtpolitik in Sachen Wohnungsbau ist kläglich gescheitert. Wobei wir dabei auch das Land einbeziehen müssen – es fördert viel zu wenig öffentlichen Wohnraum.
In Mainz wurde in den vergangenen Jahren viel zu wenig gebaut – trotz der ganzen Baustellen 😉 – und wenn gebaut wird und wurde, dann vor allem im Bereich Luxuswohnungen: Winterhafen, manch Baulücke im Stadtgebiet, und jetzt noch der Zollhafen. Wieviel günstiger Wohnraum dort wirklich geschaffen wird, ist weiter offen. Und schon jetzt haben selbst Menschen mit ganz normalen Einkommen große Probleme, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Die Mietpreisbremse aber, wenn sie denn im Sommer kommt, sie kommt zu spät.
Stadt verweist auf 6.500 neue Wohnungen im Stadtgebiet – an „Potenzial“
„Wir brauchen ein deutliches Plus an Wohnraum“, sagt denn auch der Mainzer Sozialdezernent Kurt Merkator (SPD). Und die Stadt verweist auf die bereits bekannten Bauprojekte: das Heiligkreuz-Areal an der IBM, die Peter-Jordan-Schule am Hartenbergpark sowie die nördliche Neustadt. „Wir legen ein Schwergewicht auf bezahlbaren Wohnraum“, versichert der Dezernent.
Doch gerade die Bebauung des Zollhafens mit günstigen Wohnungen lässt auf sich warten, auf dem Gelände der Peter-Jordan-Schule soll einiges an Einfamilienhäusern entstehen. Günstiger Wohnraum? Das bleibt nur das Heiligkreuz-Areal. Auf allen drei Flächen zusammen ergebe sich ein Potenzial von rund 6.500 Wohnungen – das Potenzial muss aber noch gehoben werden.
Rund 3.700 Interviews geführt
Erstellt wurde der Mietspiegel übrigen von der Hamburger Beratungsgesellschaft „Analyse & Konzepte“, die auf Immobilien und Stadtentwicklung spezialisiert ist, Stichtag war der 1. Oktober 2014. Die Daten dafür wurden vom 1. Oktober 2014 bis 31. Januar 2015 erhoben, in dem 3.600 Wohnungen angeschrieben wurden. Insgesamt konnten 3.714 auswertbare Interviews geführt werden, wovon 3.265 für den Mietspiegel verwertbar waren.
Wesentlich für die hohe Zahl von fast 500 Ausfällen sei gewesen, dass eine hohe Zahl von Eigentümern vorgefunden wurde, die ihre Wohnung selbst nutzen, eine seit mindestens vier Jahren unveränderte Miethöhe oder dass Auskünfte verweigert wurden. Damit habt Ihr dann auch den Grund, warum der Mietspiegel im Vergleich zu dem, was auf dem Wohnungsmarkt abgeht, noch ziemlich niedrig liegt: Es wurden nur Wohnungen gewertet, deren Miete in den vergangenen vier Jahren erhöht worden war – und das sind die teuren.
Erstmals gute und weniger gute Wohnlagen definiert
Das hat aber auch ein Gutes: Der Mietspiegel gilt nämlich als Orientierung für Mieterhöhungen, was bedeutet, dass Ihr eine Mieterhöhung anfechten könnt, wenn sie die ortsübliche Vergleichsmiete aus dem Mietspiegel sprengt. Und wenn die niedriger liegt, umso besser! Also, wehrt Euch! Allerdings ist die Einstufung der Wohnungen im neuen Mietspiegel ein bisschen komplizierter geworden. Erstmals hat die Stadt jetzt nämlich gute und weniger gute Wohnlagen definiert.
Für die Einstufung wurden die Bodenrichtwerte in den Stadtteilen zugrunde gelegt, das aber griff natürlich nicht für die dicht besiedelte Altstadt und Neustadt. Dort hat deshalb eine Jury von 16 Personen die einzelnen Wohnblöcke auf ihre Qualität und Lage hin eingeschätzt – von außen, wohlgemerkt. Am Ende galt in der Kommission das Mehrheitsvotum über den Wohnblock…
Wir gestehen, wir hegen große Zweifel, wie valide diese Einschätzungen tatsächlich sind. So kann es nämlich auch sein, dass ein Wohnblock in der Neustadt als „gut“ gilt, der Block daneben aber als eher schlecht -und dass das vielleicht gar nicht stimmt. Eine Beschwerdestelle für solche Fälle sei aber nicht vorgesehen, hieß es bei der Stadt. Für schlechte Lagen darf man einen Abschlag von 36 Cent auf die Vergleichsmiete vornehmen, für eine gute Lage einen Aufschlag von 33 Cent.
Und natürlich lagen bei den guten Stadteilen die bekannten Verdächtigen vorn: Gonsenheim, Oberstadt, Rosengarten und Teile von Drais gehören zu den Top-Lagen in Mainz. Welcher Bereich in der Neustadt oder der Altstadt aber als gut gilt und welcher nicht – wir müssen uns überraschen lassen. Denn diese Daten sollen in den interaktiven Stadtplan der Stadt Mainz eingespeist werden und dann dort zu finden sein. Das aber wird noch dauern – erst muss der Stadtrat am 14. Juli das Zahlenwerk beschließen. Ein Nein ist allerdings nicht zu erwarten. Danach wird der Mainzer Mietspiegel dann auch in gedruckter Form zu haben sein.
Info& auf Mainz&: Den Mainzer Mietspiegel 2015 findet Ihr – noch gar nicht. Tut uns wirklich leid, aber wir konnten keinen Link auf der Internetseite der Stadt Mainz ausmachen. Deshalb unser Angebot: Ihr braucht wirklich dringend eine Auskunft über den neuen Mietspiegel? Vor dem 14. Juli? Dann schreibt uns – wir helfen gerne weiter, wenn wir können! Email an info(at)mainzund.de. Der Mietspiegel gibt übrigens auch detailliert Auskunft zu den Kriterien zur Einstufung der Wohnung – vom Hauswart bis zur Renovierung.