Er trägt stets Fliege und kommt eigentlich aus Bayern, nun soll er den Mainzer Carnevals-Verein (MCV) in die Zukunft führen: Reinhard Urban, langjähriger Leiter der Rechtsmedizin an der Mainzer Uniklinik, ist neuer Präsident des MCV. Der 67-Jährige wurde am Donnerstagabend mit 66 Prozent der Stimmen gewählt, ein wahrhaft närrisches Ergebnis. Er muss nun den wichtigsten Mainzer Fastnachtsverein für die Zukunft rüsten, Nachwuchs, Sicherheit und Medien werden die wichtigsten Themen sein. Auf der MCV-Hauptversammlung ging es zudem um den ausgefallenen Rosenmontagszug und den Umbau im MCV-Haus.
„Ich bedanke mich für den Vertrauensvorschuss“, freute sich Urban nach seiner Wahl, allerdings fiel der nicht uneingeschränkt aus: Urban wurde mit 72 Ja-Stimmen bei 109 abgegebenen Stimmen gewählt, das entsprach 66 Prozent – eine überwältigende Zustimmung war das nicht. Der MCV hat schwierige Zeiten hinter sich, der scheidende Präsident Richard Wagner war nicht unumstritten – vor einigen Jahren trat MCV-Schatzmeister Horst Mundo im Streit zurück, Wagner verklagte ihn gar, zog erst kurz vor dem Gerichtstermin die Klage zurück.
Der 67 Jahre alte Wagner war am Donnerstag nicht mehr zur Wiederwahl angetreten, nun also soll Urban den Verein in die Zukunft führen. Urban ist gebürtiger Münchner, studierte und promovierte in den Fächern Chemie und Medizin an der Technischen Universität (TU) und an der Ludwig Maximilians Universität in München. Die Rechtsmedizin faszinierte ihn, als Wahrheitsforscher im Reich der Toten wurde er bekannt. Nach Stationen in München und der medizinischen Hochschule in Hannover kam Urban 1991 nach Mainz. Seit 2003 ist er Inhaber der C4-Professur für Rechtsmedizin und Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz.
2001 bis 2013 war Urban außerdem Dekan des Fachbereichs Medizin der Mainzer Uni und 2009 bis 2013 Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin. Die Rechtsmedizin machte er zu einem führenden Institut seiner Zunft, gründete unter anderem eine Vorsorgeerkennung für misshandelte Kinder. Im MCV wirkte Urban lange im Hintergrund, 2015 wurde er Vorstandsvorsitzender der neu gegründeten Mainzer Fastnachts-Genossenschaft, die künftig die Straßenfastnacht in Mainz organisieren soll – unter Einbeziehung anderer Fastnachtsvereine. Urban appellierte nun an die MCV-Mitglieder, bei allen ernsten Themen wie der Sicherheit „nicht vergessen, dass wir Fastnacht feiern, unseren Spaß haben wollen und unseren Humor nicht verlieren.“
MCV: Viele Umbauten, Investitionen, Herausforderungen
Einen Neuanfang hatte der MCV zuletzt auch in Sachen Räumlichkeiten zu bewältigen: Nachdem der Verein die Stadtwerke Mainz als Mieter verlor, entschloss man sich, das Haus in der Emmeranstraße komplett umzubauen. Büro- und Gewerbeflächen wurden zu Wohnungen umfunktioniert, um eine höhere Rendite zu erwirtschaften und den Immobilienwert zu steigern. Rund 127.000 Euro investierte der MCV in den Umbau, dazu kamen noch einmal Mietausfälle in Höhe von rund 60.000 Euro.
Dazu investierte der Verein im abgelaufenen Geschäftsjahr in eine neue Vereins-Software, aber auch in eine neue Telefon- und Schließanlage sowie in ein Videoüberwachungssystem. So stand am Ende des Geschäftsjahres ein Verlust von rund 105.000 Euro, und aktuell baut der MCV auch sein Haus in der Klarastraße um – „mit deutlich höherem Investitionsaufwand“, wie es hieß. Insgesamt betrug die Bilanzsumme des MCV im vergangenen Wirtschaftsjahr immerhin rund 3,3 Millionen Euro.
„Das abgelaufene Geschäftsjahr 2015/2016 hat uns in fast all unseren Geschäftsfeldern vor große Herausforderungen gestellt“, räumte denn auch der scheidende Präsident Richard Wagner ein. Das Jahr sei aber genutzt worden, um „den MCV fit für die kommenden Jahre zu machen.“ Das mache sich bereits bezahlt: Inzwischen seien die Wohnungen in der Emmeranstraße komplett vermietet, durch die neue Vereins-Software sänken bereits jetzt die Personalkosten.
Kein Minus durch abgesagten Rosenmontagszug
Keinen Verlust machte der MCV hingegen mit dem ausgefallenen Rosenmontagszug: Das epochale Ereignis – zum ersten Mal musste der große Mainzer Umzug wegen Wetterkapriolen des Orkans Ruzicka abgesagt werden – schlug sich zumindest nicht negativ in der Kasse nieder. Alle Sponsoren und Förderer der Mainzer Straßenfastnacht hätten auf eine Rückzahlung ihres Förderbeitrags verzichtet, betonte Wagner – ohne das wäre der MCV mit 150.000 Euro ins Minus geraten. Dazu trug natürlich auch der nachgeholte Umzug am 8. Mai als Rheinhessenumzug bei, der bei schönstem Wetter durch die Straßen rollte.
Der MCV verlor allerdings die Einnahmen für die Übertragungsrechte des Rosenmontagszuges im mittleren fünfstelligen Bereich und musste deutlich mehr für Organisation und Sicherheit der Straßenfastnacht ausgeben. So stand am Ende bei der Straßenfastnacht ein Minus von rund 41.000 Euro zu Buche, doch weil die Saalfastnacht ein Plus von rund 64.000 Euro erwirtschaftete, stand der MCV am Ende mit einem Plus von rund 23.000 Euro da.
„Das Resümee fällt insgesamt positiv aus“, betonte Wagner denn auch. Der Verein sei mit dem MCV-Haus für die Zukunft gut gerüstet und werde schon im laufenden Geschäftsjahr wieder schwarze Zahlen schreiben: „Ich übergebe meinem Nachfolger ein gut bestelltes Haus und einen finanziell gut gerüsteten MCV.“
Party, Mediengesellschaft, Nachwuchs – Herausforderung Zukunft
Der allerdings sieht sich zumindest auf fastnachtlichem Feld großen Herausforderungen gegenüber: Der Nachwuchs auf der Bühne muss gefördert, der Spagat zwischen Fernsehtauglichkeit und urtümlicher Meenzer Fastnacht hinbekommen werden. Dazu droht die Fastnacht in immer strikteren Sicherheitsauflagen zu ersticken, und sie muss einen Weg in eine moderne, zeitgemäße Form in Zeiten der Mediengesellschaft finden – und das ist jetzt der Analyseteil dieses Artikel ;-). Denn in den vergangenen Jahren gab es auch Kritik an der Bissigkeit der Mainzer Narren – Karikaturist Klaus Wilinski, langjähriger Zeichner der Motivwagen des MCV, verband jüngst seinen Rücktritt vom Amt auch mit Kritik an zu großer Angepasstheit der Mainzer Narren.
Für viele Junge sei die Fastnacht „mehr Party als Brauch“, beschreibt zudem der Fastnachtsforscher Günter Schenk eine große Herausforderung. Gerade der MCV als Organisator der Mainzer Straßenfastnacht muss da Wege und Formate finden, zwischen der politisch-literarischen Fastnacht und dem Bedürfnis nach wilder Party zu vermitteln. „Wenn der Karneval als Volksfest überleben will, muss er integrierend wirken“, mahnt Schenk zudem in seinem Buch „Karneval zwischen Tradition und Kommerz “ gerade auch mit Blick auf Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund. Die aber finden sich bislang in den Reihen des MCV wenig bis gar nicht.
Viel Arbeit also für den neuen Präsidenten, unterstützt wird er von einem ebenfalls weitgehend neu gewählten Vorstand: Vizepräsident bleibt Alexander Leber (81 Ja-Stimmen), Schatzmeister ist weiterhin Guido Seitz (77 Ja-Stimmen), Jürgen Schmidt (86 Ja-Stimmen) bleibt Schriftführer und Michael Bonewitz (91 Ja-Stimmen) Pressesprecher. Neu in den Vorstand gewählt wurden Markus Perabo (92 Ja-Stimmen), der neue Zugmarschall und Sprecher der Zugleitung, Walter Born (83 Ja-Stimmen), Jürgen Gerster (84 Ja-Stimmen) und Scheierborzeler Markus Beer (95 Ja-Stimmen).
Info& auf Mainz&: Mehr zum Mainzer Carnevals-Verein findet Ihr auf dessen Homepage, genau hier.