Sie gehören in Deutschland zu Weihnachten wie Geschenke und Christkind, doch viele Deutsche wissen gar nicht, was für Giftschleudern sie sich da in ihre Wohnzimmer holen: Mehr als zwei Drittel der Weihnachtsbäume sind mit Pestiziden belastet. Davor warnt jetzt der Umweltverband BUND – und fordert dringend eine Reduzierung von Pestizideinsatz und von Glyphosat in Weihnachtsbaum-Schonungen. Die Alternative sind ökologische Weihnachtsbäume – doch ausgerechnet die sind dieses Jahr rar.

Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. - Foto: gik
Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. – Foto: gik

Immer wieder testet der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) die Qualität der Weihnachtsbäume, werden doch jedes Jahr knapp 30 Millionen solcher Bäume in Deutschland verkauft und meist in heimischen Wohnzimmern aufgestellt. Das ist auch ein Riesengeschäft: 90 Prozent dieser Bäume stammen aus heimischer Produktion, weiß man beim BUND, die größten Anbauregionen liegen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Rund 2,4 Millionen Weihnachtsbäume werden zudem jährlich importiert, vor allem aus Dänemark.

Das Problem: Damit die Aufzucht der Bäume einfacher gelingt, werden auf den Plantagen Pestizide in erheblichen Mengen eingesetzt – und die finden sich später im Weihnachtsbaum im Wohnzimmer wieder. Bei einem Weihnachtsbaumtest ließ der BUND nun 19 Bäume in einem Labor auf Rückstände von Pestiziden untersuchen, das Ergebnis: Bei 14 der 19 getesteten Bäumen wurde das Labor fündig – gleich 15 verschiedene Pestizid-Wirkstoffe wurden nachgewiesen. Die Bäume wurden in Berlin, Rheinland-Pfalz, Bayern, Bremen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen gekauft.

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Nordmanntannen mit Pestiziden und Glyphosat belastet

Getestet wurden dabei ausschließlich die beliebten Nordmanntannen, einer davon wurde auch in Mainz gekauft – bei einem Hornbach-Markt. „Viele Menschen wollen sich mit einem Baum zu Weihnachten ein Stück unbelastete Natur ins Haus holen“, sagt Corinna Hölzel, BUND-Pestizidexpertin: „Doch unser Test zeigt: Beim Anbau von Weihnachtsbäumen auf Plantagen werden in großem Umfang Herbizide, Insektizide und Fungizide eingesetzt, und ganz offenbar auch Wirkstoffe ohne Zulassung.“

Herkömmliche Weihnachtsbäume sind oft mit Pestiziden belastet, dieser hier stand 2018 am Brandzentrum in Mainz im Freien. Ob er "bio" war oder nicht, wissen wir leider nicht. - Foto: gik
Herkömmliche Weihnachtsbäume sind oft mit Pestiziden belastet, dieser hier stand 2018 am Brandzentrum in Mainz im Freien. Ob er „bio“ war oder nicht, wissen wir leider nicht. – Foto: gik

So wurden in dem in Mainz gekauften Baum die Giftstoffe Azoxystrobin, Fenpyroximat, Flufenacet und Metribuzin gefunden, dazu auch Rückstände von Glyphosat. In vier Nordmanntannen fanden die Tester sogar Pestizide, die in der EU generell oder für den Weihnachtsbaumanbau gar keine Zulassung haben. „Solche Bäume dürften nicht verkauft werden“, fordert Hölzel: „Dieser illegalen Praxis müssen die Behörden jetzt nachgehen, der BUND wird die zuständigen Pflanzenschutzdienste in Bayern, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz informieren und Aufklärung einfordern.“

Weihnachtsbäume landeten oft nach wenigen Tagen schon wieder vor den Haustüren und im Müll, sagt Charlotte Reutter, Naturschutzreferentin BUND Rheinland-Pfalz. Die Gifte aber, die beim Aufwuchs eingesetzt würden, blieben viel länger in der Umwelt zurück und seien ein großes Problem für die Artenvielfalt. „Sie gelangen in Böden, Luft und Gewässer, sie töten und schädigen Nützlinge“, warnt Reutter. Sechs der gefundenen Wirkstoffe seien hoch giftig für Bienen, Vögel, Regenwürmer, Fische oder Wasserorganismen.

Pestizide schädigen Nervensystem, können Übelkeit auslösen

Dazu schädigen Pestizide nachweislich auch das Immun- und Nervensystem beim Menschen – wer unter dem Weihnachtsbäume auf einmal allergische Reaktionen wie Hautjucken oder Kopfschmerzen bemerkt, sollte dringend den Baum vor die Tür stellen. Bei einer akuten Pestizidvergiftung können sich die Betroffenen schlapp, müde und abgeschlagen fühlen, und wie bei einer Grippe an Kopf- und Gliederschmerzen leiden, weiß man bei der Heinrich-Böll-Stiftung. Auch Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall können die Folge sein – bei schweren Verläufen versagen schließlich Organe wie Herz, Lunge oder die Nieren. „Etwa 11.000 Menschen sterben unbeabsichtigt daran, Jahr um Jahr“, warnt die Stiftung.

Weihnachtsbäume am Forstamt Ober-Olmer Wald 2022. - Foto: gik
Weihnachtsbäume am Forstamt Ober-Olmer Wald 2022. – Foto: gik

Auch das gerade wieder in der EU zugelassene Totalherbizid Glyphosat habe „weitreichende, negative Auswirkungen auf die Ökosysteme, weil es in großem Stil Futterpflanzen für Insekten vernichtet“, kritisiert Reutter weiter. In fünf Weihnachtsbäumen wurde Glyphosat im BUND-Test nachgewiesen.“ Erschreckend sei nämlich auch: Drei Jahre nach dem letzten Test habe sich „leider keine Veränderung hin zu mehr Biodiversitäts- und Umweltschutz“ gezeigt.

„Unser Weihnachtsbaumtest zeigt es erneut: Ohne gesetzliche Vorgaben und Kontrollen ist in Wandel beim Pestizideinsatz nicht zu erreichen“, betonte Hölzel. Der BUND fordert nun eine deutliche Pestizidreduktion und eine Einschränkung von Glyphosat, die Bundesregierung müsse ein nationales Reduktionsprogramm für Pestizide vorlegen. Für das gerade wieder zugelassene Glyphosat müssten in den kommenden sechs Monaten strenge nationale Anwendungsbeschränkungen erlassen werden, fordert der BUND zudem. Die Landwirte müssten bei der Anwendung von nicht-chemischen Alternativen unterstützt werden.

Problem: Öko-Weihnachtsbäume in Mainz ausverkauft

Der BUND empfiehlt Verbrauchern den Kauf von Bio-Weihnachtsbäumen – doch das ist gerade in diesem Jahr in Mainz ein Problem: Öko-Weihnachtsbäume waren bereits am 3. Adventssonntag bei den Forstämtern rund um Mainz komplett ausverkauft. Man habe im Vorjahr eine große Menge bereits geschlagene und nicht verkaufte Weihnachtsbäume schreddern müssen, daraufhin seien dieses Jahr weniger geschlagen worden, verriet eine Försterin gegenüber Mainz&. So aber standen Kunden vor leeren Angebotsbereichen – die Forstämter am Ober-Olmer ebenso wie am Lennebergwald waren restlos leer gekauft.

Öko-Weihnachtsbaum mit FSC-Ziegel. - Foto: Umweltministerium RLP
Öko-Weihnachtsbaum mit FSC-Ziegel. – Foto: Umweltministerium RLP

Der große Vorteil der Öko-Weihnachtsbäume: Auf ihren Plantagen werden keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt. Stattdessen wird hier mit organischem Dünger gearbeitet, größere Baumabstände können den Einsatz von Fungiziden senken. „Statt Glyphosat oder andere gefährliche Herbizide einzusetzen, kann gemäht werden“, empfiehlt der BUND. Auch eine Beweidung sei Schafen ist möglich.

In Rheinland-Pfalz wachsen die Weihnachtsbäume in staatlichen Wäldern in ökologischer Waldwirtschaft, zu erkennen am FSC-Siegel. Die zu Landesforsten Rheinland-Pfalz gehörenden Weihnachtsbaum-Kulturen werden ohne Einsatz von Pestiziden und Mineraldüngung bewirtschaftet. Die gute Nachricht: Die Zahl der Verkaufsstellen und Produktionsbetriebe öko-zertifizierter Weihnachtsbäume wächst stetig, nach Angaben der Umweltorganisation Robin Wood gibt es bundesweit inzwischen 108 Produzenten von ökologischen Weihnachtsbäumen und 1054 Verkaufsstellen.

Bio-Weihnachtsbäume auch bei manchen Baumärkten

Dieser kleine Bio-Weihnachtsbaum füllte ein Wohnzimmer 2022 mit Duft, aber nicht mit Gift. - Foto: gik
Dieser kleine Bio-Weihnachtsbaum füllte ein Wohnzimmer 2022 mit Duft, aber nicht mit Gift. – Foto: gik

Bio-Weihnachtsbäume gibt es aber nicht nur bei Forsthäusern, sondern durchaus auch bei diversen Baumärkten: Für Mainz nennt die Robin Wood-Liste die Baumarktkette Bauhaus, die unter dem Markennamen Piardino Bio-Nordmanntannen anbietet. Aber Achtung: beim Kauf unbedingt auf das Biosiegel achten, da hier auch zahlreiche konventionell herangewachsene Weihnachtsbäume unter dem leicht miszuverstehenden Markennamen Naturbaum angeboten werden“, heißt es bei Robin Wood. Tatsächlich waren die Bio-Tannen in beiden Bauhaus-Märkten am Mittwoch auch ausverkauft, einzelne Stücke gab es dagegen noch in Frankfurt, Darmstadt oder Bad Kreuznach – hier könnt Ihr das selbst nachschlagen.

Ein Plastikweihnachtsbaum sei im Übrigen keine Alternative, betont man beim BUND: „Er besteht aus fossilen Rohstoffen und enthält oft schädliche Chemikalien wie Weichmacher und hat in der Regel lange Transportwege hinter sich.“ Alternativen könnten Zweige von Nadelbäumen sein, Holzgestelle oder sonstige kreative Objekte aus Naturmaterialien, die geschmückt werden können. Auch beim Weihnachtsbaumschmuck empfiehlt der BUND Naturmaterialien wie Holz, Stroh, Papier, bemalten Salzteig, Filz oder Wolle.

Info& auf Mainz&: Den ausführlichen Test mit allen Ergebnissen findet Ihr hier beim BUND zum Download im Internet. Mehr zum Thema Pestizide und was sie im Körper auslösen können, findet Ihr hier bei der Heinrich-Böll-Stiftung.