Er ist das vielleicht älteste römische Steindenkmal Deutschlands, doch sein äußeres Erscheinungsbild ist alles andere als prachtvoll: Der Drususstein auf der Zitadelle in Mainz fristete lange eine Schattendasein. Erst in den vergangenen Jahren weckten die Archäologie und die Initiative Römisches Mainz neu das Bewusstsein für die Bedeutung des uralten Steindenkmals. Mit dem großen turmartigen Gebilde setzten einst römische Soldaten ihrem im Jahr 9 vor Christus verstorbenen Feldherrn Drusus ein Ehrenmal. Nun sollen der Turm und seine Umgebung aufgewertet werden: Am Montag starteten die Bauarbeiten, die den Drususstein aus der Böschung schälen, teilweise rekonstruieren und eine ansehnlichere Umgebung verleihen sollen.
Es war im Jahr 13 vor Christus, als Drusus, Stiefsohn des römischen Kaisers Augustus, an der Mainmündung am Rhein ein Kastell gründete – Mogontiacum, das heutige Mainz. Die Stadt und das Feldlager wurden schnell zu einer der bedeutendsten Siedlungen der Römer am Rhein, von hier aus startete der römische Feldherr zu Eroberungs- und Sicherungszügen auf die rechte Rheinseite. Im Jahr 9 vor Christus kam es dabei zu einem folgenschweren Unfall: Feldherr Drusus stürzte vom Pferd. Die Wunde, die er sich dabei zuzog, war so schwer, dass der Kaiserssohn wenige Tage später starb. Begraben werden musste das Mitglied der Kaiserfamilie in Rom – in Mainz aber wollten Drusus‘ Soldaten dem Verstorbenen ein Denkmal setzen: Irgendwann nach Drusus Tod begann man damit, ihm ein Ehrenmal zu errichten.
Etwa 20 Meter hoch ragt der Drussusstein heute am Rande der Mainzer Zitadelle empor, ein roh aussehender Turmbau mit einem flachen Dach und einer Türöffnung im oberen Drittel. Doch so roh sah der Drussusstein früher nicht aus: „Wir sehen hier die Innenmauer“, erklärt Landesarchäologin Marion Witteyer. Der heutige Turm war – da sind sich die Forscher sicher – einmal ummantelt von einer glatten Mauerfassade, die mit Zierabsätzen und anderem schmückenden Beiwerk versehen war. Der runde Oberbau des Turms hatte einen quadratischen Unterbau, auf seiner Spitze trug der Turm wohl eine kuppelartige Spitze, gekrönt vielleicht mit einem römischen Adler.
30 Meter hoch soll der Drususstein einmal aufgeragt sein, an diesem Ehrengrabmal fanden alljährlich Gedenkfeiern zu Ehren des verstorbenen Feldherrn statt – begleitet von großen Staatsfeiern im benachbarten römischen Bühnentheater, dessen Rund man einst vom Drususstein aus aufragen sah. „Das Grabmal ragte einst wie ein Zeigefinger auf dem Hügel hier auf, schon von Weitem sichtbar“, sagt Hans Marg, Vorsitzender der Initiative Römisches Mainz. Marg ist überzeugt: Der Drususstein ist älter noch als die Ubiermauer in Köln – und mithin das älteste römische Steindenkmal in Deutschland.
Die Jahrhunderte spielten indes dem Denkmal nicht gut mit: Wohl im frühen Mittelalter wurde das Ehrenmal seiner Außenverkleidung, seines Daches und seiner Verzierungen beraubt – die glatt behauenen Römersteine stellten hervorragendes Baumaterial dar. Im 16. Jahhrundert begann dann der Bau der Mainzer Zitadelle, der Drususstsein verschwand im Laufe der Jahrhunderte hinter den dicken Festungsmauern. Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Drususstein zum Wachtturm umgebaut, eine Tür eingebaut und im Inneren eine Wendeltreppe aufs Dach, wo eine Aussichtsplattform eingerichtet wurde. Im 19. Jahrhundert begannen erste Forschungen zur Rekonstruktion, doch wiederhergestellt wurde das Ehrenmal nie.
In moderner Zeit versank das Bauwerk wieder im Dornröschenschlaf, einmal im Jahr Kulisse fürs Open Ohr-Festival – ansonsten bröckelte der Turm vor sich hin. Von einer „langen Leidensgeschichte“ sprach Marg deshalb am Montag, der Kenotaph habe erst einmal „vom Steinklumpen zum Denkmal“ werden müssen. Es war der langjährige Mainzer Landesarchäologe Gerd Rupprecht, der 1996 die Erforschung und Wiedererweckung startete, im Zuge dessen wurde der Drususstein teilweise freigelegt und von meterhohen Büschen befreit. Doch noch immer steht der Drussusstein versteckt hinter den Zitadellengebäuden, für Besucher kaum zu finden, in seiner Bedeutung für Auswärtige kaum zu erkennen.
Das soll nun endlich anders werden: Der Weg zum Stein hin solle für die Besucher sichtbar gemacht werden, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD): „Es soll ein Erlebnis werden, wenn man sich auf die Spurensuche des römischen Erbes begibt.“ Dafür wird nun zwei Jahre lang umgebaut, die Stadt lässt sich das rund 680.0000 Euro kosten, 200.000 Euro kommen von Land und Bund. Vor dem Drususstein soll ein kleiner Platz entstehen, die genaue Gestaltung müsse aber noch erarbeitet werden, sagte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) am Montag. Entstehen soll aber ein Platz zum Verweilen, der auch Informationen über das römische Denkmal bereithält und den Eingang zu den unterirdischen Gängen der Bastion Drusus neu gestaltet.
Sechs Bäume müssen dafür allerdings weichen, weil entweder ihre Wurzeln die Fundamente des Denkmals bedrohen oder ihre Baumkronen zu stark für Schatten und Wasser auf dem Stein sorgen. Die Böschung am Drususstein soll weiter entfernt werden, damit der Stein in seiner Imposanz besser sichtbar wird. Auch will die Stadt die Fundamente frei legen, 4,50 Meter will man in die Tiefe graben. Der Drususstein selbst soll zudem mit neuem Mörtel alter Machart gegen die Witterung verfugt und besser konserviert werden. Das Institut für Steinkonservierung entwickelt dafür eigens auf der Grundlage von Proben des alten Mörtels einen neuen.
An der vorderen linken Seite wird das Grabmal zudem in Teilen rekonstruiert, die eckigen Außenmauer soll ein Stück weit wieder entstehen. Die Teilrekonstruktion werde mit alten Kalksteinen aus einem alten Steinbruch geschehen, sagte Grosse. Auch die Bruchstücke der 1,5 Tonnen sollen dafür wieder verwendet werden, die vom Drususstein herabstürzten und ab 1996 geborgen wurden. Die Konservierung soll im kommenden Frühjahr beginnen, nachdem der Drususstein weiter von Böschung befreit wurde.
Von dem, was die Grabenden an den Fundamenten finden, hängt dann auch die Gestaltung des Vorplatzes ab – in zwei Jahren soll die Neugestaltung dann fertig sein. Der Drususstein solle dann wieder „den Wert sichtbar bekommen, den er hat“, sagte Archäologin Witteyer: Für Archäologen sei er schon heute „ein Monument von imperialer Bedeutung.“
Info& auf Mainz&: Ausführliche Informationen zum Drususstein und seiner Geschichte findet Ihr hier bei Wikipedia, dort gibt es auch Abbildungen der Rekonstruktionsversuche diverser Archäologen. Informationen gibt’s ferner hier bei der Initiative Zitadelle Mainz, zum Römischen Mainz geht es hier entlang.