Die Stadt Mainz muss mehr für die Unterbringung von Wohnsitzlosen Menschen tun, und vor allem Konzepte für Krisen- und Pandemie-Lagen entwickeln. Das beschloss der Mainzer Stadtrat vergangenen Mittwoch als Konsequenz aus der Räumung der Schlafcontainer am Fort Hauptstein. Vor allem CDU und Linke kritisierten die Stadt für die Art und Weise des Abbaus und forderten Konzepte gerade auch für die weitere Corona-Pandemiezeit: „Abzuwarten, bis das Infektionsrisiko wieder steigt, ist absolut töricht und das falsche Signal“, kritisierte CDU-Sozialexpertin Claudia Siebner. Zuvor hatte die Stadt Mainz zudem eine Niederlage vor Gericht erlitten: Das Verwaltungsgericht Mainz ordnete die vorübergehende Unterbringung von sechs Obdachlosen an.
Vor zwei Wochen hatte die Stadt Mainz die eigentlich für die Wintermonate gedachten Schlafcontainer für Obdachlose am Fort Hauptstein räumen lassen, das hatte zu heftigen Protesten geführt. Die Stadt Mainz habe doch eine Nachsorgepflicht für diese Menschen, stattdessen setze sie sie nun einfach auf die Straße, kritisierte der Verein „Rheinhessen hilft“ – die Corona-Pandemie sei zudem doch noch gar nicht vorbei. Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD) verteidigte hingegen die Räumung: Die Container seien gar keine gute Pandemie-Vorsorge, die Einrichtung problematische Anziehungspunkte, die Obdachlosenhilfe in Mainz generell gut ausgestellt.
Deutliche Kritik im Stadtrat an Container-Räumung
Doch daran musste sich Lensch nun vergangenen Mittwoch deutliche Kritik im Stadtrat anhören: „Der Protest gegen den Abbau der Container war nur allzu verständlich“, betonte CDU-Sozialexpertin Siebner, die Container seien für viele Obdachlose eine „lebensnotwendige“ Einrichtung gewesen, die Corona-Pandemie aber aktuell keineswegs vorüber. „Es ist nicht vorhersehbar, was in vier, acht Wochen sein wird“, betonte Siebner, und forderte, es müsse schnell eine Lösung für Wohnsitzlose gefunden werden. „Es braucht ein Konzept, das die verstärkte Notfallsituation in den Blick nimmt“, sagte Siebner, „abzuwarten, bis das Infektionsrisiko wieder steigt, ist absolut töricht und das falsche Signal.“
Die CDU hatte deshalb als erste Fraktion einen Antrag in den Stadtrat eingebracht, der die Stadtverwaltung aufforderte, kurzfristig Ersatz für die weggefallenenen Wohncontainer zu schaffen und ein Konzept für die Unterbringung dieser Menschen in Corona-Zeiten zu entwickeln. Die Ampel-Fraktionen Grüne, SPD und FDP schoben daraufhin einen eigenen Änderungsantrag nach, der das noch mit individuellen Hilfsangeboten für die Betroffenen ergänzte. „Wir müssen die Unterbringung von Wohnungslosen weiter verbessern“, sagte Grünen-Stadtrat Daniel Köbler, das sei eine Lehre aus der Corona-Pandemie. Eine Unterbringung wie in den meisten Wohnheimen mit sechs Personen in einem Zimmer, das sei nicht mehr zeitgemäß.
„Die Container waren eine reine Notlösung“, sagte auch SPD-Sozialpolitikerin Miriam Lauzi, es brauche ein Gesamtkonzept, das auch die Unterbringung von Frauen sowie Naturkatastrophen besser berücksichtige. „Wir müssen mal für die Zukunft gerüstet sein, das haben wir bisher nicht“, sagte Lauzi. Ihr eigener Sozialdezernent Lensch verteidigte hingegen erneut, die Stadt Mainz habe „ein professionelles System“ der Betreuung, über Konzeptänderungen könne man aber „natürlich nachdenken.“
„Ein bisschen Demut wäre angesagt“, befand daraufhin Linken-Fraktionschef Tupac Orellana: „Wo sind denn die städtischen Lösungen? Ich sehe sie nicht!“ Die Stadt hätte doch wissen können, dass bei der Räumung der Container Probleme anstünden, weil Obdachlose nicht wüssten wohin. Dass genau darauf nicht reagiert worden sei, „das ist doch das Problem“, kritisierte Orellana: „Wir haben weiter keine Kapazitäten für Leute mit Hunden, für Paare, für Frauen.“
Kleinstwohnhäuser oder Containersiedlung für Obdachlose
Ideen für eine bessere Unterbringung von Obdachlosen gäbe es: Der Verein Armut und Gesundheit veröffentlichte vergangene Woche ein Thesenpapier zur Wohnungsnot in Mainz, das sich auch mit dem Problem der Obdachlosigkeit beschäftigt. Vereinsgründer Gerhard Trabert hätte es auf dem Open Ohr vorstellen sollen, nun sagte er gegenüber Mainz&: Kleinstwohnhäuser oder Container auf Wiesen oder brachliegenden Grundstücken könnten eine alternative Unterbringung für solche Menschen sein, ebenso Sonderhotels für vulnerable Gruppen. „Wir haben immer wieder Menschen, die wollen nicht in einem Wohnheim oder einer Wohnung leben“, sagte Trabert Mainz&. Eine Containersiedlung mit kleinem Vorgarten auf einem Grundstück, „so etwas würde ich mir in Mainz auch wünschen.“
Traberts Verein betreute während des Shutdowns 29 Obdachlose in dem Mainzer Hotel, jeder bekam einen studentischen Paten zur Seite gestellt. Auch für diese Wohnsitzlosen endete Ende Mai die Zeit im Hotel, doch nicht ohne Perspektive: Rund die Hälfte konnte in Wohnungen, Heimen und auch Notschlafwagen untergebracht werden. „Für die Betroffenen waren die zwei Monate eine Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen“, sagt Trabert, „viele sind in sich mehr stabilisiert.“
Gericht verurteilt Stadt Mainz zur Unterbringung von Obdachlosen
Im Stadtrat musste Sozialdezernent Lensch nun einräumen: Der Stadt Mainz war vom Verwaltungsgericht Mainz die Unterbringung von sechs zurückgelassenen Obdachlosen aufgegeben worden. Sechs der aus den Containern vertriebenen Personen hatten vor Gericht geklagt, das Verwaltungsgericht verurteilte die Stadt Mainz am 29. Mai, für die Personen für fünf Tage eine Unterbringung zu stellen. Es habe ein Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung bestanden, sagte Richter Jens Milker auf Anfrage von Mainz&. Die Stadt musste noch am gleichen Tag bis 17.00 Uhr sechs Übernachtungsmöglichkeiten stellen.
Das Gericht stützte sich dabei auf eine Generalklausel der Gefahr für die Öffentliche Sicherheit – und bezog diese auf die Gefahr für die Obdachlosen selbst: Eine Gefahr für Leib und Leben könne bei „unfreiwilliger Obdachlosigkeit“ bestehen, sagte Milker. Das Gericht habe zwar nicht hinreichend zuverlässig ermitteln können, ob hier eine freiwillige oder unfreiwillige Obdachlosigkeit vorliege, in der Abwägung der Eilentscheidung sei man aber von einer Gefahr für die Obdachlosen ausgegangen. Einen Anspruch auf eine konkrete Unterbringung – etwa die Wiederöffnung der Container – gebe es aber nicht.
Lensch sagte im Stadtrat dazu, der Stadt sei es gelungen, die Plätze in verschiedenen Obdachlosenheimen zu finden. Der Verein „Rheinhessen hilft“ kritisierte unterdessen am Rande der Stadtratssitzung, man habe nur zwei Stunden Zeit gehabt, um die Betroffenen zu finden und für diese, ihre Plätze in den Heimen auch in Anspruch zu nehmen. Zudem hätten sie nur einen kleinen Rucksack mitbringen können und ihre restliche Habe zurücklassen müssen. Man werde nun gegen den Beschluss vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschwerde einlegen.
Info& auf Mainz&: Die ganze Geschichte über die Räumung der Schlafcontainer am Fort Hauptstein lest Ihr hier bei Mainz&, die Begründung der Stadt könnt Ihr ausführlich hier nachlesen.