Findet die Stadtratssitzung an diesem Dienstag ohne die Opposition statt? Das wäre wirklich ein skurriles Bild, wenn die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP weitgehend unter sich tagen würde – doch genau das droht bisher: CDU, ÖDP und Freie Wähler haben angekündigt, die Sitzung boykottieren zu wollen. Der Grund: eine sehr kurzfristige Terminverlegung der Sitzung durch Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Der hatte die Stadtratssitzung vom 13. Juli verlegt, weil gleichzeitig der Landtag tagt. Nun spricht die Opposition von Arroganz und wirft dem OB vor, auf keinen Lösungsvorschlag eingegangen zu sein.
Der Umgang Eblings mit drei Ratsfraktionen sei „stillos und für uns so nicht akzeptabel“, alle drei Fraktionen hätten deshalb beschlossen, der Sitzung des Stadtrates am 12. Juli 2016 geschlossen fernzubleiben, erklärten die drei Fraktionschefs Hannsgeorg Schönig (CDU), Dr. Claudius Moseler (ÖDP) und Kurt Mehler (FW-G) vergangene Woche. Grund für den Unmut: Ebling hatte die Sitzung kurzfristig vom 13. auf den 12. Juli 15.00 Uhr verlegt, dies den Fraktionen aber schlicht per Post am 17. Juni 2016 „ohne jede vorherige Kontaktaufnahme“ mitgeteilt.
Warum Ratssitzung nicht um 18.00 Uhr?
Das sei aber ausgesprochen unüblich: Für gewöhnlich würden solche Terminverschiebungen im Ältestenrat besprochen, klagten die Oppositionspolitiker, doch dieses Mal hätten sowohl der Oberbürgermeister als auch die Vertreter von SPD, Grünen und FDP alle Vorschläge „in arroganter Art und Weise im Ältestenrat abgeblockt.“ Diese Sitzung fand zudem erst am 29. Juni statt, als von der Opposition beantragte Sondersitzung – elf Tage nach Eblings Brief.
„Wenn es in anderen Fraktionen so große Schwierigkeiten gibt, dann hätten wir einfach erwartet, dass man gemeinsam mit allen Fraktionen nach alternativen Lösungsmöglichkeiten gesucht hätte“, betonten die drei Vorsitzenden weiter. So wäre es zum Beispiel möglich gewesen, die Ratssitzung ausnahmsweise erst am frühen Abend, zum Beispiel um 18.00 Uhr, beginnen zu lassen. Auch eine Verständigung über die Tagesordnung „hätte ohne große Probleme erfolgen können“, ebenso eine Übereinkunft bezüglich der Beibehaltung der Mehrheitsverhältnisse, argumentieren die Fraktionschefs. Das sei aber weder für den Oberbürgermeister noch für die Ampelkoalition in Frage gekommen.
Opposition: Ebling handelt aus parteipolitischen Gründen
Das Problem an der Sache: Am 13. Juli findet auch die letzte Landtagssitzung vor der Sommerpause statt, drei Stadträte sind gleichzeitig Landtagsabgeordnete: Johannes Klomann (SPD), Daniel Köbler (Grüne) und Cornelia Willius-Senzer (FDP). Alle drei gehören der auch in Mainz regierenden Ampel-Koalition an, die damit aber keine Mehrheit mehr gehabt hätte. Deshalb wirft die Opposition nun Ebling vor, es sei „offensichtlich, dass der Oberbürgermeister mit der jetzigen kurzfristigen Verschiebung aus parteipolitischen Gründen handelt.“
Durch die Verschiebung nämlich könnten jetzt viele der ehrenamtlich tätigen Stadträte an der Stadtratssitzung gar nicht teilnehmen, weil sich ihre beruflichen Verpflichtungen nicht so ohne weiteres verschieben ließen, kritisierten CDU, ÖDP und FWG-G. Bei der CDU-Fraktion sei dies etwa mehr als die halbe Fraktion, sagte Schönig – und nannte als Beispiel einen Arzt, der nicht so einfach seine Praxis schließen könne, oder die Bretzenheimer Ortsvorsteherin Claudia Siebner (CDU), die an dem Nachmittag eine nicht verschiebbare Veranstaltung habe.
57 Stadträte sollen sich nach drei Landtagsabgeordneten richten
Es sei „nicht hinnehmbar, dass für drei hauptamtlich tätige Landtagsabgeordnete aus den Reihen der Ampelkoalition die 57 anderen ehrenamtlichen Stadträte ihre beruflichen oder privaten Termine kurzfristig verlegen sollen“, kritisierte die Opposition. Es sei nicht zu akzeptieren, „dass Stadträte aufgrund des Alleingangs des Oberbürgermeisters ihrer Teilnahmepflicht nicht nachkommen können und an der Ausübung ihres Mandats gehindert werden.“
Betroffen von Eblings „Alleingang“ seien zudem die Ortsbeiräte von Finthen und Hartenberg/Münchfeld, deren reguläre Sitzungen am 12. Juli stattfinden sollten und jetzt ebenfalls verlegt wurden. Zwar sei es richtig, dass in der Vergangenheit versucht worden sei, auf die Sitzungen des Landtags Rücksicht zu nehmen, räumten die drei Oppositionschefs ein, eine so kurzfristige Verschiebung aufgrund einer Terminkollision habe es jedoch noch nie gegeben. Und auch in der Vergangenheit hätten schon Landtags- und Stadtratssitzungen gleichzeitig stattgefunden.
Eblings Job als OB sei es aber auch, „als Chef der Verwaltung vertrauensvoll mit den Ratsfraktionen, gerade auch mit der Opposition, zusammenzuarbeiten und diese mit ihren Anliegen ernst zu nehmen“, kritisierten Schönig, Moseler und Mehler: „Wir erwarten, dass Herr Ebling seine einseitige Parteipolitik beendet und ein konstruktives Miteinander fördert.“
Ampel spricht von einer „Trotzreaktion“
Und wie reagierte die Ampel? SPD, Grüne und FDP sprachen von einer „Trotzreaktion“ der Opposition, die keinem weiter helfe. Es sei immer üblich gewesen, auf die Termine der Landtagssitzungen Rücksicht zu nehmen, das sei auch der CDU in der vergangenen Legislatur zu Gute gekommen, sagten die Fraktionschefs Eckart Lensch (SPD), Sylvia Köbler-Gross (Grüne) und Walter Koppius (FDP) in einer gemeinsamen Erklärung. Da die Sitzungen des Landtages nach den Wahlen Ende Mai neu terminiert wurden, habe man auch jetzt erst darauf reagieren können.
Es komme zudem „immer mal vor, dass ein Stadtrat aus persönlichen Gründen nicht an den Ratssitzungen teilnehmen kann“, auch in den Reihen der Ampelkoalition habe es Schwierigkeiten durch die Verlegung gegeben, hieß es weiter. Aber den drei Mandatsträgern im Landtag wäre sonst aufgrund der alten Terminierung „die Teilnahme an den restlichen Ratssitzungen im Jahr verwehrt bleibe“, deshalb habe man den OB um Verlegung gebeten. Zur Erklärung: Verlegt wurden auch Sitzungen im Oktober und Dezember, das stellt aber nach Angaben der Opposition kein Problem dar, da dies frühzeitig geschah.
Einen Boykott der Stadtratssitzung nannten SPD, Grüne und FDP unangemessen: „Es ist eine merkwürdige Idee dazu aufzurufen ein Ehrenamt nicht wahrzunehmen, obwohl man es könnte“, fügten sie hinzu.
Kleiner Kommentar& am Rande von Mainz&: Wir finden es merkwürdig, dass sich ein Rat mit 60 Personen nach drei Mandatsträgern richten soll, die zudem hauptberuflich bezahlte Abgeordnete sind, während die übrigen 57 Stadträte ehrenamtlich engagierte Menschen sind, die ihr politisches Ehrenamt mit einem Beruf kombinieren müssen. Einen Protest dagegen als „Trotzreaktion“ abzutun, findet wir ausgesprochen unpassend – offenbar hat die Opposition ja zuvor im Ältestenrat versucht, eine gütliche Einigung zu finden – ohne Ergebnis.Und zum Mittel eines Boykotts greift man nicht leichtfertig – nach unserer Erinenrung hat es so etwas noch nie gegeben. Da muss viel passiert sein – vielleicht lohnt es sich ja doch, über den Vorwurf der Arroganz einmal gründlich nachzudenken.
Es dürfte nun spannend sein, was am Dienstag passiert. Denn das Kuriose an der Geschichte: Die CDU im Land beantragte vergangenen Donnerstag ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) für kommenden Donnerstag. Voraussetzung dafür: Eine Debatte zwei Tage zuvor. Und so findet an diesem Dienstag – genau – um 14.00 Uhr eine Sondersitzung des Landtags statt, die so wichtig ist, dass die drei Ampel-Abgeordneten mit Sicherheit unmöglich fehlen können….
Info& auf Mainz&: Wir haben uns natürlich auch gefragt, warum die Mehrheit der Ampel-äKoalition kommenden Dienstag so wichtig sein könnte, und die Tagesordnung des Stadtrats durchforstet. Brisante Abstimmungsthemen haben wir dabei bisher nicht gefunden – aber vielleicht tut sich ja noch etwas auf… Ihr könnt die Tagesordnung des Stadtrats selbst im Internet einsehen: im Ratsinformationssystem der Stadt, genau hier.