Sie sind ein immer wiederkehrender Zankapfel, und sie können richtig ins Geld gehen: In rheinland-pfälzischen Kommunen werden noch immer Straßenausbaubeiträge erhoben, auch in Mainz. Seit dem 1. März sei Rheinland-Pfalz aber das letzte verbliebene Bundesland, in dem die Beiträge zum Ausbau einer Straße noch auf die Anlieger umgelegt werden, kritisierte nun der Bund der Steuerzahler: Das „Reservat für unbelehrbare Ausbaubeitrags-Dinosaurier“ müsse endlich enden. Die Freien Wähler sprechen gar vom „Geisterfahrer“ Rheinland-Pfalz, ein breites Bündnis spricht sich für die Abschaffung aus, auch die AfD ist dafür.

Der Ausbau der Großen Langgasse wurde zum Großteil auf die umliegenden Hausbesitzer umgelegt, ebenso wie bei anderen Straßen in Mainz. - Foto: gik
Der Ausbau der Großen Langgasse wurde zum Großteil auf die umliegenden Hausbesitzer umgelegt, ebenso wie bei anderen Straßen in Mainz. – Foto: gik

2018 kochte das Thema zuletzt hoch, zunächst auf Landesebene, dann auch in Mainz: Wegen des Ausbau des Mombacher Straße flatterten auf einmal zahlreichen Hausbesitzern im Umfeld der Straße ein saftiger Gebührenbescheid ins Haus. Der Grund: Rheinland-Pfalz gab damals noch seinen Kommunen vor, die Kosten für den Ausbau einer Straße auf die Bürger umzulegen – sie mussten es aber nicht tun. Zum 5. Mai 2020 führte Rheinland-Pfalz dann sogar Straßenausbaubeiträge verpflichtend ein, die Kommunen müssen sie seither als wiederkehrende Beiträge erheben.

„Ungerecht, unüberschaubar und undefinierbar“ sei das Ganze, schimpfte schon im Frühjahr 2019 die CDU-Opposition – und forderte vehement die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Für die Streichung waren auch Freie Wähler, Linke und pikanterweise auch die in Mainz mitregierende FDP – deren Koalitionspartner SPD und Grüne aber setzten sowohl im Landtag als auch im Mainzer Stadtrat die Beibehaltung der Beiträge durch. Die Umlage verteile die Kosten auf viele Schultern, das „halten wir für ein sehr gerechtes Modell“, argumentierte damals der Mainzer SPD-Stadtrat Andreas Behringer. Auch die Grünen nannten das System „fair“, gemeinsam mit den Sozialdemokraten sorgten sie für die Beibehaltung.

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CDU: Straßenausbaubeiträge ungerecht und unverständlich

Die CDU argumentierte hingegen, die Umlage der Beiträge sei gar nicht gerecht abzugrenzen, das Verfahren undurchsichtig und für den Bürger nicht nachzuvollziehen. In Mainz führe das etwa dazu, dass ein Ausbau der Kaiserstraße vom Land bezahlt würde, weil sie eine Landesstraße sei, der Ausbau der benachbarten Boppstraße aber werde den Bürgern in Rechnung gestellt. „Das hat alles nichts mehr mit einer verständlichen Gerechtigkeit zu tun“, kritisierte damals CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig.

Auch für den Umbau der Boppstraße erhob Mainz sogenannte "wiederkehrende Beiträge" - trotz üppiger Förderung vom Land. - Foto: gik
Auch für den Umbau der Boppstraße erhob Mainz sogenannte „wiederkehrende Beiträge“ – trotz üppiger Förderung vom Land. – Foto: gik

Dazu musste die damalige Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) einräumen: Der Stadt Mainz entstehen hohe Kosten durch das Eintreiben der Umlage. So verursachte die Straßenausbauumlage 2016 der Stadt Mainz Kosten von 203.831 Euro für die Erhebung, 2017 waren es rund 199.900 Euro. Dem standen 2017 Einnahmen von rund 350.000 Euro gegenüber, unter dem Strich also ein Zugewinn von lediglich rund 150.000 Euro. 2018 nahm die Stadt dann rund 1,618 Millionen Euro ein, 2019 rechnete man mit rund 1,2 Millionen Euro – in diesen Jahren standen große Ausbauvorhaben wie eben die Boppstraße an.

Ende vergangener Woche dann meldete sich der Bund der Steuerzahler (BdSt) erneut zum Thema: Rheinland-Pfalz sei inzwischen das letzte Bundesland, das seine Kommunen dazu zwinge, die umstrittenen Ausbaubeiträge zu erheben, kritisierte der BdSt: Gerade habe mit Nordrhein-Westfalen das vorletzte Bundesland die Straßenausbaubeiträge abgeschafft. In allen anderen Bundesländern außer Rheinland-Pfalz gebe es jetzt keine Straßenausbaubeiträge mehr, oder den Kommunen sei die Erhebung zumindest freigestellt.

Brüderle: „Reservat für unbelehrbare Ausbaubeitrags-Dinosaurier“

„Deutschlandweit sind die umstrittenen Straßenausbaubeiträge gefallen wie die Dominosteine, oder wurden zumindest zu einer Wahloption für Kommunen“, freute sich der rheinland-pfälzische BdSt-Präsident Rainer Brüderle – der BdSt hatte 2018 eine Volksinitiative „Straßenbaubeitrag abschaffen!“ gestartet, die rund eine halbe Million Unterstützer fand. Mittlerweile gebe es in neun Bundesländern überhaupt keine Straßenausbaubeiträge mehr, in weiteren sechs Bundesländern eine Option zur Erhebung – nur in Rheinland-Pfalz seien die Beiträge weiter Pflicht.

Der frühere Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) 2022 in einem Zeitzeugen-Gespräch. - Foto: Archiv des Liberalismus
Der frühere Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) 2022 in einem Zeitzeugen-Gespräch. – Foto: Archiv des Liberalismus

Zu verstehen sei das nicht, kritisierte Brüderle: Gerade das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeige, „dass das Beitrags-Aus keiner politischen Farbenlehre folgt.“ Die schwarz-grüne Landesregierung habe nämlich ebenso keine Ausbaubeiträge mehr gewollt, wie die oppositionelle SPD und FDP. „Wann begreifen SPD und Grünen hierzulande als Bremsklötze in der Beitragsfrage endlich, dass sie einem teuren wie ungerechtem Irrweg folgen“, schimpfte Brüderle nun: „Auf welcher Grundlage glauben die rheinland-pfälzische SPD und die Grünen, dass sich ihre eigenen Parteikollegen deutschlandweit komplett irren? Warum soll Rheinland-Pfalz das letzte Reservat für unbelehrbare Ausbaubeitrags-Dinosaurier bleiben?“

Die wiederkehrenden Beiträge seien nichts weniger als „eine Geschichte voller gebrochener Versprechen“, wetterte Brüderle weiter: „Es sollte für die Bürger billiger werden – doch selbst die Ampel-Landesregierung hatte zwischenzeitlich bestätigt, dass es für die Bürger unter dem Strich teurer wird, weil die Gemeindeanteile regelmäßig niedriger ausfallen als bei einmaligen Ausbaubeiträgen.“ Auch sei die Erhebung keineswegs einfacher geworden, einen der behauptete Sondervorteil der Anlieger sei „ein Treppenwitz“, kommentierte Christoph Schöll, Vorsitzender von Haus & Grund Rheinland-Pfalz. Dazu müssten die Beiträge auch dann erhoben werden, „wenn der Stadtsäckel prall gefüllt ist“, kritisierte er.

Verbände-Aliianz und Freie Wähler fordern Abschaffung der Beiträge

Tatsächlich fordert eine ganze Verbände-Allianz aus Steuerzahlerbund, dem Hausbesitzerverband Haus & Grund sowie dem Verband Wohneigentum wie schon 2018 so auch jetzt wieder die Abschaffung der Ausbaugebühren für Rheinland-Pfalz. „Die ungerechten und bürokratischen Straßenausbaubeiträge müssen endlich auch in Rheinland-Pfalz der Vergangenheit angehören“, forderte Helmut Weigt, Vorsitzender des Verbands Wohneigentum Rheinland-Pfalz.

Umbau der Bahnhofstraße. - Foto: gik
Umbau der Bahnhofstraße. – Foto: gik

Auch die dann anfallenden Entschädigungszahlungen an die Kommunen seien kein Stolperstein, betonte Weigt: „Eine Entschädigungssumme von etwa 50 bis 70 Millionen Euro pro Jahr dürfte vollkommen auskömmlich sein“ – selbst Nordrhein-Westfalen als viel größeres Bundesland kalkuliert mit 65 Millionen Euro als Landeserstattung. „Mondschein-Entschädigungen von rund 500 bis 600 Millionen Euro, die Beitrags-Befürworter früher in Rheinland-Pfalz ins Spiel gebracht haben, hat noch kein Bundesland auch nur ansatzweise benötigt“, fügte Weigt hinzu.

Die Freien Wähler schlossen sich am Freitag umgehend den Forderungen an: „Die Straßenausbaubeiträge sind ein Relikt vergangener Tage, sie sind nicht mehr zeitgemäß und außerdem ungerecht“, schimpfte der Fraktionschef der Freien Wähler im Mainzer Landtag und Spitzenkandidat für die Europawahl, Joachim Streit. Die wiederkehrenden Beiträge müssten nämlich auf alle Baumaßnahmen gezahlt werden, was dazu führen könne, dass Geld für Leistungen entrichtet werden müsse, von denen der Beitragszahler überhaupt nicht profitiere.

„Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie endlich ein Einsehen hat, und spätestens zu den Haushaltsberatungen Ende des Jahres ein entsprechendes Kompensationsmodell für die Kommunen vorlegt“, forderte Streit. Das Land sitze übrigens auf einer Haushaltssicherungsrücklage von mittlerweile 3,6 Milliarden Euro, rechnete Streit vor – und die Summe steige Jahr für Jahr. „Die Bürger möchten nicht mehr hören, was alles nicht geht“, schimpfte Streit: „Mit der Entscheidung aus Nordrhein-Westfalen wird die rheinland-pfälzische Landesregierung endgültig zum Geisterfahrer.“

Info& auf Mainz&: Die gesamte Debatte von 2019 mit allen Argumenten – übrigens auch damals kurz vor der Kommunalwahl – könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. Mehr zu den Kosten für die Stadt Mainz bei der Erhebung der Umlage lest Ihr noch einmal hier bei Mainz&.