Der Mainzer Winterhafen ist eine der wenigen Grünanlagen am Rheinufer in Mainz, in der noch gegrillt und gechillt werden kann, gerade während der Corona-Lockdowns wurden die Grünflächen entlang des Rheinufers zur wichtigen Zuflucht für hitzegeplagte Innenstadtbewohner. Doch nun reagiert die Stadt Mainz auf den Ansturm mit drastischen Verboten: Anfang März beschloss der Mainzer Stadtvorstand ein rigides Verbot von Glasflaschen aller Art, von Lautsprechern und sogar von bestimmten Spielen. Seither laufen vor allem die Jugendorganisationen der Parteien in Mainz Sturm gegen die Verbote – am Donnerstagabend kommt es zur Kundgebung unter dem Motto „Winterhafen für alle“.

Polizeikontrolle am Mainzer Winterhafen im Sommer 2020. - Foto: gik
Polizeikontrolle am Mainzer Winterhafen im Sommer 2020. – Foto: gik

Es war im ersten Corona-Sommer 2020, als die Stadt Mainz auf einmal die ganz großen Schweinwerfer auffuhr: Grelles Flutlicht tauchte die Wiesen am Mainzer Winterhafen urplötzlich in gleißende Helle, Lautsprecher dröhnten und forderten die Menschen zum Verlassen des Areals auf. Die Delinquenten hatten indes nicht etwa randaliert oder Krach geschlagen, die Stadt Mainz ging gegen friedlich chillende Mainzer vor, die an einem lauen Sommerabend mit Freunden ein Bierchen oder zwei am Rheinufer genossen.

Es habe vielfach Beschwerden von Anwohner am Rheinufer gegeben, verteidigte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) höchstpersönlich die Maßnahme: Es gebe „täglich, und in gravierendem Maße besonders an den Wochenenden, Ansammlungen großer Menschenmengen bis tief in die Nacht“, es komme zu erheblichem Lärm, „rote Linien“ würden überschritten. Tatsächlich hatte es gerade in Zeiten von Corona-Lockdown und heißen Sommerwochen viele Mainzer aus der Altstadt und der Neustadt ans Rheinufer gezogen, Kritiker sprachen von Ballermann-ähnlichen Verhältnissen und Lärm bis tief in die Nacht.

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Während der Corona-Zeit hatte es kaum Möglichkeiten gerade für junge Mainzer gegeben, sich mit Freunden zu treffen und abzuhängen: Clubs und Discos waren geschlossen, auch Bars und Restaurants waren dicht – Feste und Konzerte fanden nicht statt. So wurde das Mainzer Rheinufer gerade in heißen Nächten zur Zuflucht, die Stadt Mainz allerdings hatte in den vergangenen Jahren die Bereiche, an denen man noch Grillen kann, immer weiter eingeschränkt: einzig auf den Wiesen des Winterhafens darf überhaupt noch gegrillt werden am Mainzer Rheinufer.

Patrouille des Mainzer Ordnungsamtes am Mainzer Winterhafen im Sommer 2020. - Foto: gik
Patrouille des Mainzer Ordnungsamtes am Mainzer Winterhafen im Sommer 2020. – Foto: gik

Nun preschte die Mainzer Stadtspitze noch vor dem Start in die Freiluft-Saison vor, und erließ am 9. März eine neue Gefahrenordnung für den Winterhafen sowie eine Änderung der Grünanlagensatzung. Damit ist seit dem 15. März und bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres in der Zeit zwischen 18.00 Uhr abends und 6.00 Uhr morgens verboten, Glasbehältnisse in diesen Bereich mitzubringen oder mit sich zu führen – und zwar Glasbehältnisse jeder Art. Dazu wird für die Grünanlage auf der Mole ganzjährig in der Zeit zwischen 22.00 und 6.00 Uhr ein Verbot erlassen Geräte zu nutzen, „die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall wie insbesondere Lautsprecher oder Bluetooth-Boxen“ dienen. Zuwiederhandlungen sollen mit 50 Euro pro Verstoß geahndet werden.

Die Nutzung des Winterhafen-Bereichs auf der Mole habe in den vergangenen zwei Jahren stark zugenommen, es werde dort „nicht mehr nur auf den zugelassenen Plätzen gegrillt, sondern es finden regelrechte Feierlichkeiten auf den Wegen und Straßen und in der Grünanlage der Mole statt“, teilte die Stadt zur Begründung mit. Dabei werde „teils zugleich unter Nutzung von sogenannten Bluetooth-Boxen (und ähnlichen Geräten) laut Musik abgespielt, Trinkspiele werden veranstaltet“, und es komme zu erheblichen Mengen von zerbrochenem Glas, das Menschen, Tiere und Radfahrer gefährde.

Die Stadt Mainz ging bereits im Sommer 2020 mit teils massiven Polizeiaufgebot und Kontrollen gegen friedlich Feiernde am Mainzer Winterhafen vor. - Foto: gik
Die Stadt Mainz ging bereits im Sommer 2020 mit teils massiven Polizeiaufgebot und Kontrollen gegen friedlich Feiernde am Mainzer Winterhafen vor. – Foto: gik

Die Stadtverwaltung habe in den vergangenen Jahren „vor Ort bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Situation in den Griff zu bekommen“, heißt es weiter. Dennoch sei im vergangenen Jahr „ein Zustand erreicht worden, der es aus Sicht der Verwaltung unumgänglich macht, für die bevorstehende Freiluftsaison weitere Maßnahmen zu ergreifen.“ Das diene insbesondere dem Schutz der dortigen Anwohner.

Deshalb habe der Stadtvorstand die neuen Regeln beschlossen – und zwar unter Leitung von Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), und unter Beteiligung der Wirtschafts- und Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU) sowie der Gründezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) heißt es in der Mitteilung ausdrücklich. Der Zentrale Vollzugs- und Ermittlungsdienst werde in diesem Jahr wieder verstärkt im Bereich des Winterhafens kontrollieren, Trinkspiele mittels mobilen Tischen würden „ab sofort als illegale Sondernutzung gewertet.“

Offener Brief von Jusos, JuLis und Grüner Jugend

Gegen die neuen Regeln hagelt es seither Kritik: Die Maßnahmen seien „kurzsichtig und undurchdacht“, die Maßnahmen gingen am tatsächlichen Bedarf vorbei und schadeten der Kultur in der Stadt, schimpften jüngst Jusos, Grüne Jugend und Junge Liberale in einem gemeinsame Brief an Ordnungsdezernentin Matz. „Der Winterhafen ist als Treffpunkt gerade für Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen, die nicht das Privileg einer großen Wohnung mit eigenen Grünflächen und Terrassen haben, unverzichtbar“, betonen die drei Jugendorganisationen: „Durch die zentrale Lage und die gute öffentliche Anbindung ist der Winterhafen besonders für junge Erwachsene und Menschen ohne Auto gut erreichbar, im Sommer ist es hier grün und kühl.“

Feiernde Jugendliche im Mainzer Winterhafen mit Müllscout der Stadt. - Foto: Stadt mainz
Feiernde Jugendliche im Mainzer Winterhafen mit Müllscout der Stadt. – Foto: Stadt Mainz

Das Glasverbot sowie das Verbot jeglicher Musikwiedergabe, auch in moderater Lautstärke, sei völlig unverhältnismäßig, ein Glasflaschenverbot werde zudem dem Abfallproblem nicht abhelfen. „Die Antwort auf Müll sind Mülleimer sowie Pfandsammelbehälter und nicht Plastikflaschen, die für deutlich mehr Müll sorgen“, kritisieren die Unterzeichner: „Es bestehen mildere Wege auf Einzelpersonen, die sich nicht an die Nachtruhe halten, zuzugehen und Störungen zu unterbinden. Statt mit privater Security gesetzestreue Bürgerinnen und Bürger zu schikanieren, könnte das Geld in Street Worker investiert werden.“

Durch die lokalen Verbote werde die Stadt „lediglich eine Verdrängung der Besuchenden in andere Innenstadtbereiche“ bewirken, die Konsequenz daraus könne doch nicht sein, „die gesamte Innenstadt mit einer Verbotslawine zu überrollen.“ Mainz lebe doch auf seinen Plätzen, „statt diesen wesentlichen Teil der Mainzer Lebensart zu beschneiden, wäre es zielführender, entsprechende Räume zu schaffen und die vorhandenen Gebiete an die bestehenden Bedürfnisse anzupassen“, fordern die Jugendorganisationen – und fordern eine Rücknahme der Verbote.

Grüne: Glasverbot führt zu mehr Plastikmüll, Law & Order-Aktionismus

Doch nicht nur die Jugend kritisiert das Vorgehen, auch die Grünen in Mainz schimpften, die Maßnahmen seien „überzogen“ und würden „eher zu mehr Unfrieden führen“. Für die dicht besiedelte Innenstadt „haben die öffentlichen Freiflächen am Mainzer Rheinufer eine herausragende Bedeutung“, betonte der Mainzer Grünen-Chef Jonas König. Diese Flächen müssten weiterhin zum gemeinsamen Treffen an der frischen Luft allen Mainzern zur Verfügung stehen – gerade in immer heißer werdenden Sommern.

Müll-Großbehälter am Mainzer Winterhafen, installiert schon vor Jahren durch die Stadt Mainz. - Foto: Stadt Mainz
Müll-Großbehälter am Mainzer Winterhafen, installiert schon vor Jahren durch die Stadt Mainz. – Foto: Stadt Mainz

Das Glasverbot wiederum werde lediglich zu mehr Plastikmüll führen und zu Situationen führen, „dass schon das bloße Mitführen einer Glasflasche, aus der man vielleicht mittags noch sein Wasser im Büro getrunken hat, am Abend ein Vergehen ist“, kritisierte König. Man stehe ja hinter dem Ansinnen, den Lärmpegel nach 22.00 Uhr zu begrenzen, betonte Grünen Vizechefin Stefanie Gorges zudem. Die Überlegung von Dezernentin Matz, „bestimmte Spiele zu verbieten“, zeige aber, „dass es nicht darum geht unterschiedliche Interessen sinnvoll abzuwägen, sondern um Law&Order-Aktionismus“, schimpfte sie.

Gorges vergaß bei ihrer Kritik pikanterweise zu erwähnen, dass das gerade das Verbot von Lautsprechern und Lärm in der Grünzone auf das Konto der Grünen-Dezernentin Steinkrüger zurückgeht. Umgekehrt „vergaß“ die SPD Mainz-Altstadt in ihrer scharfen Kritik, den eigenen SPD-Oberbürgermeister zu erwähnen – und schimpfte nur auf Matz und Steinkrüger.

SPD Mainz-Altstadt: „Jugend am Winterhafen offenbar Gefahr“

Die Maßnahmen seien „unverhältnismäßig“ und „nicht angemessen“, sie seien „weder erforderlich noch geeignet, bestehende Probleme zu lösen“, schimpften die Sozialdemokraten der Mainzer Altstadt. Der Mainzer Winterhafen sei seit Jahrzehnten ein wichtiger Treffpunkt für alle, natürlich auch für junge Menschen. „Von denen haben nicht alle das Bedürfnis oder das Geld, den Abend in der Gastronomie oder in Clubs, deren Anzahl ohnehin beständig abnimmt, zu verbringen“, heißt es weiter. Diese Treffen „auf Trinkgelage und Pöbelei zu reduzieren, wird den Mainzer Jugendlichen nicht gerecht.“

 

„Die Jugend am Winterhafen ist zur Gefahr geworden, die abgewehrt gehört – so lesen sich die von Wirtschaftsdezernentin Matz (CDU) und Gründezernentin Steinkrüger (Grüne) geplanten Verbote am Winterhafen“, schimpften die SPD-ler. Nach Vorstellung Steinkrügers wäre dann auch mit dem von der Gitarre begleiteten Geburtstagsständchen Schluss. Und die Wirtschaftsdezernentin habe ursprünglich auch sogenanntes „Wikingerschach“, ein harmloses Geschicklichkeitsspiel, als „illegale Sondernutzung“ deklarieren und damit untersagen wollen.

Die Jungen Liberalen beim Wikingerschach am Winterhafen. - Foto: BYC News
Die Jungen Liberalen beim Wikingerschach am Winterhafen. – Foto: BYC News

Die Jungen Liberalen nahmen genau das zum Anlass, um Mitte März mit einer Runde „Wikingerschach“ am Winterhafen gegen die aus ihrer Sicht ebenfalls unsinnigen Verbote zu protestieren. Das Lautsprecherverbot sei nachvollziehbar, Spiele zu verbieten gehe aber zu weit, sagte dabei auch FDP-Fraktionschef David Dietz: „Die Menschen haben ja in den letzten zwei Jahren nicht viele Möglichkeiten gehabt, sich auszuleben. Die Flächen in Mainz sind da auch eher limitiert. Und wenn dann solche Spiele in den Abendstunden noch verboten werden sollen, dann geht das absolut zu weit.“

Die Stadt müsse diesen Raum für Jugendkultur erhalten, fordert auch die SPD Mainz-Altstadt, schließlich stelle der Winterhafen eine der wenigen Möglichkeiten dar, sich in den Pandemie-Sommern ruhigen Gewissens treffen zu können. „Doch nun sollen überzogene Verbote sie dort wieder vertreiben“, kritisierte Talisa Schwall, Vorsitzende der Altstadt-SPD – die Frage sei ja ohnehin: wohin denn? „Die zubetonierten Flächen am Zollhafen sind keine Alternative“, die Stadt biete jungen Menschen aber überhaupt keine geeigneten, vergleichbaren Aufenthaltsflächen an.

Auch die Terrassen am Fort Malakoff sind ein beliebter Treffpunkt an Sommerabenden - Grillen darf man hier indes nicht. - Foto: gik
Auch die Terrassen am Fort Malakoff sind ein beliebter Treffpunkt an Sommerabenden – Grillen darf man hier indes nicht. – Foto: gik

„Spricht man am Winterhafen Verbote aus, werden sich die Gruppen nach 22.00 Uhr in die Umgebung verlagern, und damit näher an Wohngebäude als aktuell“, warnte Schwall – so sei es schon in den vergangenen Jahren zu beobachten gewesen. Statt weiterer Verbote seien innovative Konzepte gefragt, es brauche weitere Flächen, an denen Menschen sich treffen, grillen und Musik machen und hören könnten, forderte sie – und schimpfte: Stattdessen setzen die Stadtoberen „lieber auf Restriktionen und Sanktionen“. Zu einer Stadt „gehören junge Menschen, die Spaß haben und die manchmal Lärm machen, das wird sich nicht durch Verbote regulieren lassen“, fügte sie hinzu.

Linke: Undurchdacht, unausgewogen, handwerklich schlecht gemacht

Die Mainzer Linke spricht von „sozial unausgewogene Kientelpolitik für besserverdienende Anwohner“, ja sogar von einem „Schildbürgerstreich“. Die Regelungen gingen an den Realitäten in der Stadt vorbei und seien obendrein handwerklich schlecht gemacht. „Grundsätzlich müssen die Grünanlagen der Stadt allen Mainzern mit so wenig Einschränkungen wie möglich offen stehen – auch und gerade in heißen Sommernächten, in denen sich kleinere, schlecht belüftete Wohnungen zu Glutöfen entwickeln, in denen man nicht schlafen kann“, betonte Linken-Stadtrat Martin Malcherek.

Auf den Rheinwiesen vor der Mainzer Neustadt wurde Grillen schon vor Jahren verboten. - Foto: gik
Auf den Rheinwiesen vor der Mainzer Neustadt wurde Grillen schon vor Jahren verboten. – Foto: gik

Und überhaupt sei noch nicht einmal ersichtlich, „wie die von Steinkrüger, Matz und Ebling beabsichtigten Verbote durchgesetzt werden können“, kritisierte Malcherek weiter: Ein Verbot von „Geräten, die der Erzeugung und Wiedergabe von Schall“ dienen, werde bereits daran scheitern, dass jedes Handy darauf ausgelegt sei, Schall zu erzeugen. Das Glasverbot wiederum sei „so undurchdacht, dass bereits in der Pressemitteilung zurückgerudert und zahlreiche Ausnahmen angekündigt werden“, betonte Malcherek süffisant. Tatsächlich ist in der Mitteilung von zahlreichen Ausnahmen für Anwohner, Gewerbetreibende, Kreuzfahrtschiffe, Bootseigner und Babynahrung die Rede.

„Was bleibt sind ganz normale Mainzer, die jetzt aufpassen müssen, dass sie nicht aus Versehen eine (klimafreundliche) Wasserflasche aus Glas dabei haben – sonst werden nämlich 50 Euro fällig“, schimpfte Malcherek. Natürlich seien „nächtliche Feierlichkeiten vor der eigene Haustür nicht jedermanns Sache“, die Stadt müsse aber „mit Augenmaß abwägen, statt in Regelungswut zu verfallen.“ Wer eine Wohnung in Premiumlage kaufe, dürfe sich nicht wundern, dass auch andere die Vorteile von Grünflächen und dem (kühlenden) Rhein nutzen wollten.

Info& auf Mainz&: Jusos, Grüne Jugend und Junge Liberale laden für Donnerstag, den 31. März 2022, um 18.00 Uhr zur Kundgebung am Winterhafen in Mainz ein, unter dem Motto „Winterhafen für alle“ soll dort gegen die Verbote protestiert werden. Mehr zu den Verboten 2021 und zur nächtlichen Räumung des Mainzer Winterhafens lest Ihr noch einmal hier bei Mainz&. Korrektur&: Wir haben versehentlich die Ordnungsdezernentin Manuela Matz der Partei „Die Grünen“ zugeordnet – das war natürlich nicht korrekt. Manuela Matz ist selbstverständlich Mitglied der CDU, wir haben das korrigiert.