Der Frankfurter Flughafen ist ja eine maßgebliche Quelle für Ultrafeinstaub, jene winzigen Mikropartikel, die in Lungen und Gewebe menschlicher Körper große Schäden anrichten können. Im Umfeld des Flughafens wurden in den vergangenen Jahren Konzentrationen von 100.000-200.000 Partikeln und mehr gemessen, regelmäßig und über Tage hinweg. Zum Vergleich: Übliche Silvesterwerte nach dem Feuerwerk zu Jahresbeginn liegen um die 46.000 Partikel, und vor diesen wird regelmäßig gewarnt. Bislang behauptete das Land Hessen, der Ultrafeinstaub würde vom Frankfurter Flughafen zu den Messstationen geweht – nun belegen neue Messungen in Frankfurt Sachsenhausen das Gegenteil: Obwohl der Wind aus Richtung Flughafen wehte, maß die Messstation Ultrafeinstaub-Konzentrationen nur genau dann, wenn Landeanflug auf die Nordwestbahn des Flughafens herrschte. Sonst nicht.

Wolfgang Schwämmlein (links) und Joachim Alt mit den Ergebnissen ihrer Untersuchungen zu Ultrafeinstaub. – Foto: gik

Die neuesten Ergebnisse entspringen Analysen von Tagen im Januar 2019 und liegen Mainz& exklusiv vor. Erstellt haben sie die Ingenieure Joachim Alt und Wolfgang Schwämmlein, die Experten der Mainzer Initiative gegen Fluglärm messen bereits seit 2015 rund um den Frankfurter Flughafen Ultrafeinstaubpartikel mit professionellen Messgeräten. Ihre Messungen von 20.000 bis 100.000 Partikel Ultrafeinstaub pro Kubikmeter Luft wurden ebenso wie Spitzenwerte von bis zu 450.000 Partikeln von den offiziellen Messungen des Hessischen Landesamtes für Umwelt (HLNUG) bestätigt. Das HLNUG misst seit September 2015 Ultrafeinstaub in Raunheim und Frankfurt-Schwanheim, es gebe „tagsüber eine sehr hohe Anzahlkonzentrationen insbesondere von sehr kleinen Partikeln“, räumte das HLNUG im Juni 2018 ein.

Die ultrafeinen Partikel (UFP) sind alles andere als harmlos: UFP sind winzige Rußteilchen, die in der Folge von Verbrennungsprozessen etwa bei Motoren, in der Industrie und auch in Heizanlagen und Kaminöfen entstehen. Neueste wissenschaftliche Studien rechnen den winzigen Rußpartikeln, die rund 1.000 mal kleiner als der gut erforschte Feinstaub sind, ein hohes Gesundheitsrisiko für Atemwegserkrankungen und Herzinfarkte zu.

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Mehrere Studien in Düsseldorf sowie am Münchner Helmholtz-Institut wiesen nach, dass schon eine geringe Konzentration ultrafeiner Partikel schwerwiegende Auswirkungen haben können: Erhöhte Konzentrationen ultrafeiner Partikel, etwa im dichten Straßenverkehr, führten bereits nach fünf Minuten zu veränderter Herzfrequenz, die Forscher sehen Gefahren für Herzinfarkt, Kreislauf und Atemwegsprobleme.

Lage der Ultrafeinstaub-Messstation auf der Martin Buber-Schule in Frankfurt Sachsenhausen. Rund 500 Meter südlich verläuft die Einflugschneise zur Nordwestlandebahn, der Frankfurter Flughafen ist ca. 8 Kilometer südwestlich. – Grafik: Alt

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte bereits 2003 in einer Studie, es gebe „überzeugende Belege“, dass besonders kleinere Feinpartikel gesundheitlich problematisch seien und sich in wissenschaftlichen Studien hinsichtlich Herz-Kreislauf und Atemwegserkrankungen als „besonders risikoreich“ erwiesen hätten. Der Grund: Die Mikropartikel gelangen offenbar nicht nur in die Lunge und in die Blutbahn, sondern können sogar Schranken im Gehirn durchdringen. Das Duisburger Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) betonte vor einem Jahr, „ultrafeine Partikel (UFP) mit Partikeldurchmessern kleiner als 100 Nanometer haben sich in toxikologischen Studien als potentiell besonders gesundheitsgefährdend erwiesen“ – der Bericht wurde im Auftrag des Hessischen Landesamtes erstellt und ging diesem im Januar 2018 zu.

Trotzdem behaupten in Hessen Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) noch immer, die Auswirkungen von Ultrafeinstaub seien „bislang noch nicht hinreichend wissenschaftlich erforscht“, es gebe bislang „keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse“ für die Gefahr durch UFP. Alt und Schwämmlein, Mitglieder der Mainzer Initiative gegen Fluglärm, warnen bereits seit vier Jahren vor den Gefahren und fordern verstärkte Messungen sowie Warnsysteme für die Bevölkerung analog zu Ozonwarnungen – Gehör fanden sie damit bisher praktisch keines.

Die Fluglärmmessungen für Frankfurt Sachsenhausen am 1. Januar 2019 (rote Linie), kombiniert mit den Ultrafeinstaubmessungen des gleichen Tages von der Martin Buber-Schule (blaue Balken). Die hohen roten Peaks sind die Anflüge an die Nordwestlandebahn. Die rot-gelben Balken unter dem Chart zeigen die Windrichtung. – Grafik: Alt

In Rheinland-Pfalz stoppte Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) die eigentlich schon für Weihnachten 2017 geplante Anschaffung eines eigenen Ultrafeinstaub-Messgerätes für Rheinland-Pfalz: Man wolle erst einmal die Ergebnisse des derzeit laufenden Forschungsvorhabens Ufoplan des Bundesumweltamtes abwarten, sagte Umwelt-Staatssekretär Thomas Griese (Grüne) im Mai 2018 im Umweltausschuss des Mainzer Landtags.

Das 2016 gestartete Projekt Ufoplan – mitinitiiert vom Land Hessen – sollte eigentlich die Herkunft und Verbreitung von Ultrafeinstaub im Umfeld eines Flughafens erforschen, konkret am Beispiel des Frankfurter Flughafens. Bei einer Tagung in Bonn im April 2018 wurde allerdings deutlich: Das Projekt beruht lediglich auf Modellrechnungen. Sowohl die Quellen außerhalb des Flughafens wie auch die Emissionen auf dem Flughafengelände selbst seien modellhaft und zum Teil mit Hilfe von Handbüchern errechnet worden, sagten Vertreter des ausführenden Ingenieurbüros Janicke. Mit realen Messdaten habe man nicht gearbeitet, auch nicht mit den Raunheimer Daten, sagten die Projektleiter gegenüber Mainz&.

Das Messgerät für Ultrafeinstaub an der Martin Buber-Schule in Frankfurt-Sachsenhausen. – Foto: Alt

Die Ingenieure erarbeiteten lediglich abstrakte Rechenmodelle über die mögliche Ausbreitung von Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen – konkrete Messergebnisse wurden dabei nicht einbezogen, und das sei auch nicht ihre Aufgabe, hieß es weiter. „Das Modell bildet die Realität in keiner Weise ab“, sagte Alt gegenüber Mainz&. Offenbar sollten mit den Modellrechungen „Ergebnisse erreicht werden, die dem Flughafenbetreiber und dem politischen Umfeld genehm sind – man traut sich nicht, die wahren Auswirkungen des Luftverkehrs abzubilden.“

Stattdessen wird vom hessischen HLNUG und von den hessischen Ministerien weiter behauptet, der Ultrafeinstaub werde vom Bodenverkehr des Frankfurter Flughafens zu den Messstationen „herübergeweht.“ Der Bodenbetrieb auf dem Flughafengelände leiste einen Beitrag zu UFP-Belastungen, sagte Al-Wazir im Juni 2018: „Belege, dass auch Überflüge unterhalb einer bestimmten Höhe als relevante Quelle in Betracht kommen, lassen sich aus den bisherigen Auswertungen nicht ableiten.“

Die Messergebnisse von Alt und Schwämmlein zeigten von Anfang an etwas anderes: einen klaren Zusammenhang zwischen Überflügen und Ultrafeinstaubwerten. Nun können die Mainzer Ingenieure den Zusammenhang noch einmal deutlich konkreter nachweisen: „Die Daten aus dem Januar 2019 zeigen: sobald der Flugverkehr weg war, war auch der Ultrafeinstaub weg – obwohl der Wind weiter aus Richtung des Flughafens wehte“, erklärt Joachim Alt. Gemeinsam mit seinem Kollegen Schwämmlein analysierte hoch aktuelle Messwerte vom 1. Januar 2019 aus Frankfurt Sachsenhausen.

Die Stadt Frankfurt installierte vor Kurzem eine neue Messstation für Ultrafeinstaub auf der Martin Buber-Schule in Frankfurt-Sachsenhausen, das Messgerät dort gehört dem Hessischen Landesamt für Umwelt – ein offizielles Messgerät nach offiziellen Standards also. Alt und Schwämmlein nahmen die offiziellen Messdaten für Ultrafeinstaub dieser Station für mehrere Tage im Januar und legten sie unter die offizielle Fluglärmmessung des Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD), einer ebenfalls anerkannten Organisation, die seit Jahren Fluglärmspuren im Rhein-Main-Gebiet nachzeichnet.

Die Ergebnisse waren an allen Tagen grundsätzlich gleich, besonders deutlich war das Ergebnis für den 1. Januar 2019: Solange Landeanflug auf die Nordwestlandebahn des Frankfurter Flughafens herrschte, maß das Gerät auf der Martin Buber-Schule UFP-Konzentrationen von bis zu 72.000 Partikel pro Kubikmeter Luft. „Wurde dort nicht geflogen, war die Belastung unten, wurde dort geflogen, stieg die Belastung“, bilanzierte Alt im Gespräch mit Mainz&: „Und das, obwohl der Wind weiter aus Richtung des Flughafens wehte.“

Solange der Wind aus Richtung der Landebahnen wehte, maß die Messstation hohe UFP-Werte – solange ein Flugzeug landete. Hier am 5. Januar 2019 wechselte die Windrichtung. – Grafik: Alt

Tatsächlich herrschte an dem fraglichen 1. Januar konstant eine Windrichtung aus südwestlicher Richtung, also genau aus der Richtung, in die der Flughafen liegt. Der Landeanflug auf den Frankfurter Flughafen erfolgte aus Richtung Osten. Die Martin Buber-Schule liegt etwa 500 Meter nördlich der Anflugschneise auf die Nordwestlandebahn und etwa acht Kilometer Luftlinie vom Frankfurter Flughafen entfernt. „Der Wind kam an dem Tag mit 7-8 Kilometer pro Stunde aus südwestlicher Richtung auf diese Station zu, genau aus Richtung der Anflugbahnen und des Flughafens“, zeigt Alt.

Genau eine Viertelstunde nach dem ersten Flieger auf der Nordwestlandebahn verzeichne das Gerät den ersten hohen UFP-Peak, die Peaks bleiben bis gegen 9.00 Uhr. Zwischen 9.00 Uhr und 13.00 Uhr sei aber kein einziger Flieger auf der Nordwestbahn gelandet, während auf den weiter südlich gelegenen Centerbahnen weiter geflogen wurde. „Der Wind kam von Westen, die Geschwindigkeit nahm sogar noch zu – trotzdem blieb der blaue Ultrafeinstaubbalken ganz unten“, analysiert Alt – der blaue Balken zeigt nun noch ein sogenanntes Grundrauschen von etwa 3.000 bis 5.000 UFP-Partikeln. „Kämen die Partikel vom Flughafen herüber geweht, hätten wir gerade in dieser Zeit einen Riesenausschlag haben müssen, dem ist aber nicht so“, sagt Alt: „Der Flughafen war voll im Betrieb, lediglich die Nordwestbahn nicht – warum also kommen keine UFP-Partikel an?“

Im September 2016 zeigte sich in Raunheim bereits das gleiche Bild, hier wird die Messstation direkt von Flugzeugen überflogen. Solange Landeanflug herrschte, wurden hier hohe UFP-Konzentrationen gemessen, danach sanken sie beträchtlich. – Grafik: Alt

Sobald aber die Flugzeuge nach 13.00 Uhr wieder auf der Nordwestbahn gelandet seien, „sind auch die UFP-Ausschläge wieder da“, betont Alt. Seine Schlussfolgerung: „Der Betrieb auf der Nordwestbahn war ausschlaggebend“ – die Flugzeuge verursachten den Ultrafeinstaub am Boden. „Dieser Tag zeigt sehr deutlich, dass die Partikel nicht vom Flughafen herüber wehen“, betont Alt, „sondern dass dem Überflug eine größere Dimension beizumessen ist, als man bisher bereit war zuzugeben.“

Die Fluglärm-Aktivisten fordern deshalb, flächendeckende Messungen rund um den Flughafen direkt unter den Einflugschneisen. „Die Messdaten müssen direkt öffentlich gemacht werden“, fordert Alt zudem – derzeit seien die UFP-Daten der Messstation an der Martin Buber-Schule im Internet nicht öffentlich einsehbar. Die neuen Erkenntnisse werden Alt und Schwämmleim am Mittwoch auf einer Pressekonferenz der Bürgerinitiative Sachsenhausen in Frankfurt vorstellen. Die Frankfurter BI betont schon jetzt, anhand der Daten lasse sich der Flugbetrieb „eindeutig als ultrafeine Partikelquelle ausmachen“: „Das HLNUG und Fraport müssen sich deshalb von ihren bisherigen unqualifizierten Aussagen trennen, nach denen der Frankfurter Flughafen eine bedeutende Bodenquelle für Ultrafeine Partikel ist.“

Info& auf Mainz&: Pressekonferenz der Bürgerinitiative Sachsenhausen „Neues zu ultrafeinen Partikeln UFP aus Flugzeugtriebwerken“ am Mittwoch, 10.04.2019 um 19.00 Uhr in der Bergkirche der ev.-luth. Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main – Sachsenhausen. Mehr zum Thema Ultrafeinstaub und Flugzeuge findet Ihr in rauen Mengen auf Mainz& – den hier am meisten angesprochenen Artikel dazu findet Ihr hier. Einen grundlegenden Artikel zu Ultrafeinstaub, auch über Mainz, sowie die Gefahren lest Ihr hier bei Mainz&.

 

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