Vor etwas über einem Jahr haben wir bei Mainz& schon diesen Text geschrieben – damals nannte Bundespräsident Joachim Gauck erstmals den Völkermord an den Armeniern einen Völkermord. Heute hat der Bundestag dasselbe getan – es war lange überfällig. Denn für Historiker steht schon lange fest: Es war Völkermord, unerträgliche Greuel. Die Uni Mainz beleuchtete 2015 das Geschehen und die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches dabei. Aus aktuellem Anlass noch mal unser Text dazu:
Heute vor einhundert Jahren begann die Deportation der armenischen Elite aus dem damaligen Konstantinopel, es war der Auftakt zur grausamen Vernichtung von geschätzt 1,5 Millionen Armeniern. „Völkermord“ nannte es gestern Bundespräsident Joachim Gauck – endlich. Denn nur die Türkei wehrt sich gegen diesen Begriff, die Historiker sprechen schon lange davon – zu eindeutig sind die Fakten: Deportationen, Massenermordungen, Todesmärsche. Der heutige 24. April ist für die Armenier Genozid-Gedenktag – Mainz& erinnert aus diesem Anlass noch einmal an die Ausstellung an der Mainzer Uni, die unter dem Titel „Eine ‚innertürkische Verwaltungsangelegenheit‘? Osmanisch-deutsche Verflechtungen und die ‚Armenier-Greuel‘ im Ersten Weltkrieg“ auch die Verflechtungen des Deutschen Reichs damals mit dem Osmanischen Reich aufzeigt.
Die Türkei, Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches, währt sich vehement gegen die Einstufung der Gräueltaten an den Armeniern als Völkermord – der Papost, der vor einigen Wochen in einer Messe ebenfalls von Völkermord sprach, löste prompt eine diplomatische Krise aus. Die Türkei forderte Belege vom Papst für seine Aussage. Wir sind uns sicher: Papst Franziskus weiß, was er tut, denn der Heilige Vater ist keineswegs allein mit seiner Einschätzung: Seit heute gibt es auch eine halbherzige Erklärung der Regierungskoalition zu den Gräueltaten. Wenigsten benannte Bundestagspräsident Norbert Lammert klar Ross und Reiter…
Die Ausstellung an der Uni wird von einer Veranstaltungsreihe begleitet, deren erster Vortrag am 29. April lautet gleich: „Der Völkermord an den Armeniern. Ereignis, historischer Kontext und Rezeption.“ Den Vortrag hält Dominik Schaller, und der ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere Geschichte der Universität Heidelberg. Und am 15. Juni hält der Historiker Stefan Ihrig vom Van Leer Institut in Jerusalem den Vortrag „Den Genozid rechtfertigen – Deutschland und die osmanischen Armenier, von Bismarck bis Hitler.“
Das Deutsche Reich unter den beiden Kaisern Wilhelm I. und Wilhelm II. hatte nämlich enge Beziehungen zum Osmanischen Reich: Die vielschichtige deutsch-osmanische Verflechtungsgeschichte habe „in der Vergangenheit in der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit bisher zu wenig Beachtung gefunden“, heißt es in der Ankündigung der Universtität. Das Historische Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz macht mit der Ausstellung deshalb nun „die vielfältigen militärischen, ökonomischen und diplomatischen Verstrickungen des Deutschen Reichs sowohl auf persönlicher als auch auf institutioneller Ebene“ bekannt und rekonstruiert auch unbekannte Facetten der deutsch-osmanischen Geschichte.
Die Posterausstellung wurde im Rahmen eines Projektseminars mit elf Studierenden im Historischen Seminar erarbeitet. Zwischen dem 29. April und dem 1. Juli flankieren sieben Vorträge die Ausstellung, die mit finanzieller Unterstützung der Südosteuropagesellschaft realisiert wird. Weitere Themen der Vorträge sind die Beziehungen zwischen dem Deutschen und dem Osmanischen Reich – und auch die Frage, ob die Deutschen den Gräueltaten an den Armeniern hätten Einhalt gebieten können – die Historiker meinen: Ja.
So widmet sich der Vortrag von Fabian Klose am 20. Mai denn auch dem Thema „Humanitäre Interventionen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Osmanische Reich und der Wandel der internationalen Einmischung in innere Angelegenheiten.“ Auch spannend, denn was wäre gewesen, wenn die Welt auch den Völkermord an den Juden als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ abgetan hätten? Im 20. Jahrhundert fand in dieser Haltung ein Wandel statt, der bis heute das Handeln der Großmächte beeinflusst, aber immer wieder zu heftigen Diskussionen führt.
Vor einhundert Jahren, im Frühjahr 1915, beschloss das Osmanische Reich die Vernichtung der Armenier, bei Massakern und Todesmärschen sollen in den Jahren 1915 und 1916 je nach Schätzung zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen Menschen umgekommen sein, so schreibt es Wikipedia in einem sehr fundierten Artikel. Die Vorgänge seien durch umfangreiche Materialien und Quellen belegt, heißt es in dem Wikipedia-Artikel weiter: „Weltweit erkennen die weitaus meisten Historiker diesen Völkermord daher als Tatsache an.“
Info& auf Mainz&: Eröffnet wird die Ausstellung „Eine ‚innertürkische Verwaltungsangelegenheit‘? Osmanisch-deutsche Verflechtungen und die ‚Armenier-Greuel‘ im Ersten Weltkrieg“ am Mittwoch, 22. April 2015, um 18:00 Uhr im Hörsaal P3 im Philosophicum, Jakob-Welder-Weg 18, auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Anschließend ist die Ausstellung bis zum 21. Mai 2015 im Durchgangsbereich der Bereichsbibliothek im Philosophicum zu sehen. Weitere Informationen zur Ausstellung und der Vortragsreihe findet Ihr hier. Den Wikipedia-Artikel zum Völkermord an den Armeniern Anfang des 20. Jahrhunderts findet Ihr hier.