Kommt das Projekt Citybahn doch noch ins Rutschen? Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Wiesbaden sprach sich am Mittwoch auf ihrer Vollversammlung klar gegen das Bahnprojekt zwischen Mainz und Wiesbaden aus, 30 Wirtschaftsvertreter stimmten gegen das Projekt, nur sechs waren dafür. Für die Stadt Wiesbaden ist das ein herber Rückschlag, die Stadt hatte seit einem Jahr die Planungen für die neue Straßenbahnverbindung massiv vorangetrieben. Die IHK Wiesbaden betont indes, dies sei nur „ein Zwischenbeschluss auf Basis der derzeitigen Fakten“: Es brauche eine „seriös kalkulierte und transparente Nutzen-Kosten-Untersuchung, die auch Alternativen zur City-Bahn prüft“, teilte die IHK mit. Der Wiesbadener Verkehrsdezernent Andreas Kowol begrüßte die Diskussion: Zur Citybahn fehlten noch wichtige Informationen, das Projekt sei „noch nicht entscheidungsreif.“

Wackelt das Projekt Citybahn doch wieder? In Wiesbaden formierte sich zunehmend Widerstand. – Fotos: Citybahn GmbH

Die IHK Wiesbaden gehörte schon in der Vergangenheit ebenso wie die Wiesbadener FDP zu den entschiedenen Gegnern früherer Citybahn-Projekte. Auch dieses Mal waren die Wirtschaftsvertreter der hessischen Landeshauptstadt skeptisch, bereits Anfang August war es auf einer IHK-Veranstaltung zu deutlicher Kritik an der Citybahn gekommen. Nun stimmten die Mitglieder auf ihrer Vollversammlung mit der überwältigenden Mehrheit von 30 Nein-Stimmen gegen das Projekt. Nur sechs IHK-Vertreter stimmten dafür, drei enthielten sich, wie die IHK selbst am Donnerstag mitteilte.

Dem Beschluss sei eine gründliche Prüfung der Faktenlage sowie eine „mehrstündige offene Aussprache“ voraus gegangen, teilte die IHK weiter mit, der Tenor sei dabei eindeutig gewesen: „Für ein Projekt in dieser Größenordnung sind eine Reihe von Voraussetzungen noch nicht geklärt“, so die IHK. Man sehe zwar, dass der Verkehr in der Wirtschaftsregion Wiesbaden „zu kollabieren drohe“ und ein leistungsstarker Ausbau von ÖPNV und Radwegenetz dringend erforderlich sei. Die Citybahn sei aber kein geeignetes Mittel zur nachhaltigen Lösung der Verkehrsprobleme. Die schienengebundene Bahn sei aufgrund der starren Linienführung zu unflexibel und könne nicht mit neuen technischen Entwicklungen im Bereich der Mobilität mithalten, kritisierten die Wirtschaftsvertreter.

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Vor allem aber seien Alternativen nicht ernsthaft genug geprüft worden, kritisierte die Versammlung. Es sei beispielsweise bislang nicht plausibel vermittelt worden, warum der Einsatz größerer Busse oder die elektronische Koppelung mehrerer Busse zu einem Verbund nicht ebenso gut wie eine City-Bahn in der Lage sei, eine höhere Zahl von Fahrgästen aufzunehmen, argumentiert die Versammlung. „Es sollte eine bildliche und realistische Simulation erstellt werden, die die City-Bahn auf der geplanten Trasse und die weiteren Verkehrsträger im Tagesgang zeigt“, forderte die Versammlung. Es müsse „plausibel dargestellt werden“, inwiefern eine City-Bahn einen Kapazitätsvorteil ausspiele.

Den Wiesbadener ÖPNV statt mit der Citybahn mit E-Bussen ausbauen, das fordern Kritiker der Citybahn. – Foto: ESWE Wiesbaden

Die Unternehmer forderten zudem „eine seriös kalkulierte und transparente Nutzen-Kosten-Untersuchung, die auch Alternativen zur City-Bahn prüft und benennt.“ Das ist eine Breitseite gegen die bisherigen Planungen und die von der Citybahn GmbH vorgelegte Kosten-Nutzen-Analyse, die zu einem positiven Ergebnis gekommen war. Die Wiesbadener FDP hatte damals schon kritisiert, die Kapazitäten würden „schöngerechnet“, auch die Bürgerinitiative „Mitbestimmung Citybahn“ befürchtet hohe Kosten sowie erhebliche Folgekosten, dazu eine „Zerstörung“ des Wiesbadener Stadtbilds.

Die Wiesbadener Unternehmer fordern nun, die Stadt müsse sämtliche Alternativen hinreichend prüfen, und zwar „insbesondere hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit, Beförderungskapazität, Wirtschaftlichkeit und Wirkungen auf den Verkehr und die lokale Wirtschaft.“ Dabei müsse auch die bestehende S-Bahn-Verbindung zwischen Mainz und Wiesbaden stärker berücksichtigt, die Auswirkungen auf die anderen Verkehrsträger besser bedacht werden. Ein Verkehrskonzept solle die Leistungsfähigkeit an kritischen Knotenpunkten und den Hauptverkehrsachsen untersuchen, der Verkehrsfluss für alle Verkehrsträger und ausreichende Parkmöglichkeiten müssten hinreichend erhalten bleiben.

Ferner brauche es ein Finanzierungskonzept zu den Folgekosten, eine Begleitstudie müsse klären, welche Straßenzüge auf- und abgewertet würden und mit welchen Folgen für Einzelhandel und Gastronomie zu rechnen sei. Während sich die Befürworter der Straßenbahn unter den Wirtschaftsvertretern eine Belebung von Geschäften und Restaurants durch eine bessere Anbindung und mehr Fahrgäste erhofften, befürchteten die Gegner, dass sich Kundenströme verlagerten. Kein Unternehmen dürfe durch den Bau einer Citybahn in seiner Existenz gefährdet werden, forderte die IHK Wiesbaden.

Gegner der Citybahn fürchten auch eine „Zerstörung“ des Wiesbadener Stadtbildes durch eine Straßenbahn mit Oberleitungen. – Foto: gik

Der Wiesbadener Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) begrüßte die Citybahn-Debatte und sprach von „wichtigen Hinweisen“: Es sei „völlig klar, dass die Citybahn in ein integriertes Verkehrskonzept eingebunden werden muss und nicht alleine die umfangreichen Verkehrsprobleme der Stadt Wiesbaden lösen kann“, sagte Kowol. Sein Dezernat arbeite „mit Hochdruck an einem derartigen Konzept, dass alle Aspekte der künftigen Mobilitätsentwicklung und Infrastruktur berücksichtigen wird.“ Er sage ausdrücklich „eine transparente und konstruktive Debatte über die Möglichkeiten und Grenzen der Citybahn und die weitere Ausgestaltung der Mobilitätsalternativen in Wiesbaden“ zu, betonte der Dezernent.

Alternativen prüfe man in Wiesbaden aber bereits seit 17 Jahren, sagte Kowol auch. Er werde die Ergebnisse nun aktualisieren und erneut verstärkt in die Diskussion einbringen. Die ersten Zwischenergebnisse deuteten aber „schon sehr deutlich auf eine hohe Wirtschaftlichkeit einer Citybahn hin“, betonte er. Gleichwohl fehlten aber tatsächlich „noch viele Daten und Informationen“. Deren Beschaffung und transparente Aufarbeitung sei Gegenstand des aktuell laufenden Planungsverfahrens, „dieser Prozess muss dringend abgewartet werden“, betonte Kowol, und fügte hinzu: „Das Projekt Citybahn ist noch nicht entscheidungsreif.“ Bei der IHK hieß es, bei sich ändernder Faktenlage werde die IHK Versammlung „gegebenenfalls nochmals darüber diskutieren.“

Info& auf Mainz&: Die gesamte Mitteilung der IHK Wiesbaden zur Citybahn könnt Ihr hier auf der Internetseite der IHK Wiesbaden nachlesen. Unseren Bericht über die Machbarkeitsstudie der Stadt zur Citybahn findet Ihr hier, die Kritik daran in diesem Mainz&-Artikel. Mittlerweile hat sich eine weitere Bürgerinitiative in Sachen Citybahn gegründet: die Initiative „Busse statt Bahnen“ fordert einen Stopp des Citybahn-Projektes, mehr dazu findet Ihr hier.

 

 

 

 

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