Lässt die Stadt Mainz Hausbesitzer in engen, alten Ortskernen und Einfamilienhaussiedlungen bei der Wärmewende allein? Bei einer Online-Informationsveranstaltung am Dienstagabend präsentierten Verantwortliche von Stadt, Mainzer Stadtwerken und Beratungsbüro GEF zwar Konzepte für eine Wärmewende in Mainz – aber keine Lösung für enge, dicht bebaute, alte Ortskerne. Wie dort künftig klimaneutral und umweltfreundlich geheizt werden kann, diese Antwort blieben die Verantwortlichen schuldig. Klar wurde: Die Mainzer Stadtwerke setzen auf den Ausbau von Fernwärmenetzen, in den übrigen 19 Gebieten sollen vorwiegend Wärmepumpen oder Holzpelletheizungen zum Einsatz kommen. Und: Strom wird wohl weiter teurer. Mit Kommentar.
Es war die heißeste Debatte des Sommer 2023: Wie heizt Deutschland künftig? Nach dem Vorschlag der Grünen in der Bundesregierung sollen Gas- und Ölheizungen künftig verboten werden, da fossile Brennstoffe hochgradig CO2 ausstoßen und damit als umweltschädlich gelten. Doch Deutschland ist ein Gasheizungs-Land, viele Hausbesitzer fragten sich deshalb: Wie soll das künftig gehen? Denn die von der Bundesregierung propagierte Wärmepumpe hat gleich mehrere Nachteile: sie ist laut, sie ist teuer – und sie ist eigentlich nur für gut gedämmte Häuser sinnvoll einsetzbar.
Nach heftigem Streit über die Sommermonate verabschiedete die Ampel in Berlin im August das neue “Gebäudeheizungsgesetz”, und nun hieß es beschwichtigend: Alles nicht so schlimm. Zwar wird der Einbau neuer Gas- und Ölheizungen auch in dem neuen Gesetz verboten, doch es gebe großzügige Übergangsfristen und hohe Hilfen für Hausbesitzer. Und überhaupt sei die Grundlage die “Kommunale Wärmeplanung” der Kommunen – das müsse man erst einmal abwarten.
Wärmemasterplan 2.0: Mainz heizt zu 60 Prozent mit Gas
Am Dienstagabend stellte die Stadt Mainz gemeinsam mit den Mainzer Stadtwerken ihre Basis für die Kommunale Wärmeplanung in Mainz vor, die Mitte 2026 verbindlich werden soll. Grundlage ist ein Wärmemasterplan 2.0, der Anfang September vorgelegt und nun der Öffentlichkeit erstmals in einer Online-Veranstaltung vorgestellt wurde. Trotz der enorm wichtigen und weitreichenden Thematik fanden sich aber lediglich rund 135 Zuschauer zu Spitzenzeiten in dem Stream ein.
Dabei betrifft das Thema Heizen und Heizkosten alle rund 222.000 Einwohner von Mainz. In der Stadt gab es zum Stichtag 31. Dezember 2020 laut Statistischem Landesamt 31.788 Gebäude mit 119.073 Wohnungen. Davon werden nach Angaben der Mainzer Stadtwerke zurzeit 25 Prozent mit Fernwärme beheizt – rund 60 Prozent aber mit Gasheizungen. Doch genau diese Gasheizungen sollen nun ein Auslaufmodell sein, Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) machte am Dienstagabend noch einmal deutlich: Mainz wolle bis 2035 klimaneutral werden – auch beim Heizen.
Für die Zukunftsplanung hatte die Stadt Mainz ein umfangreiches Gutachten beim Beratungsbüro GEF aus Leimen in Auftrag gegeben, das die Stadt in 36 Bezirke unterteilt. Für jeden dieser Bezirke wurde nun eine Analyse erstellt, welche Heizform hier in Zukunft vorrangig gelten könnte. Die Einteilung sei noch nicht definitiv, betonte Steinkrüger bei der Vorstellung Anfang September, doch gleichzeitig bildet sie die Grundlage für die Kommunale Wärmeplanung – und soll schon Anfang Oktober im Mainzer Stadtrat beschlossen werden.
Mainz setzt auf Fernwärme – aber nicht für alle
Am Dienstagabend wurde noch einmal deutlich: Die Stadt Mainz setzt für die Zukunft vor allem auf den Ausbau von Fernwärmenetzen. Dafür sei schon jetzt mit dem Müllheizkraftwerk auf der Ingelheimer Aue, mit den beiden Stromkraftwerken sowie der Klärschlammverbrennungsanlage genügend Energie da, betonte Thomas Bach, Geschäftsführer der Mainzer Fernwärme AG. Gleichzeitig musste Bach aber auch einräumen: Auch die Fernwärme in Mainz wird derzeit nur zu 30 Prozent klimaneutral produziert – man suche derzeit nach Möglichkeiten, das auszubauen, es gebe “einen Strauß von Möglichkeiten.” Eine davon ist das geplante neue Rechenzentrum der KMW auf der Ingelheimer Aue, das seine Abwärme in das Fernwärmenetz einspeisen soll.
Klar ist auch: Die Mainzer Stadtwerke wollen die Fernwärme aber vor allem in den dicht besiedelten Innenstadt-Gebieten ausbauen – für Gebiete mit Ein- oder Zweifamilienhäusern soll es keine Fernwärmenetze geben. Der neue Wärmemasterplan definiert dafür sieben “Vorranggebiete”, in denen auf jeden Fall Fernwärmenetze entstehen sollen, dazu sechs Fernwärme-Eignungsgebiete – im wesentlichen sind das die Innenstadt plus Teile von Mombach und Gonsenheim mit den Hochhaussiedlungen sowie das Unicampus. Drei weitere Gebiete sind als mögliche Fernwärme-Teilgebiete definiert.
Für die übrigen 19 Bezirke in der Stadt ist ein “Vorrang für dezentrale Versorgung” oder gleich ausschließlich eine “dezentrale Versorgung” vorgesehen. Konkret heißt das nichts anders als: Die Hausbesitzer müssen sich selbst um eine klimaneutrale Heizung kümmern. Und als Alternative zu Gas oder Öl propagierten die Stadtwerke, die Umweltdezernentin und das Ingenieurbüro GEF vor allem eine Lösung: die Wärmepumpe.
Wärmepumpe braucht Platz, Strom, Dämmung – und sie ist laut
Die Wärmepumpe bringt jedoch gleich mehrere Probleme mit sich: Ihr Einbau ist derzeit zumindest noch enorm teuer, gängige Wärmepumpen kosten mindestens das Dreifache zu einer Gasheizung. Dazu kommt: Eine Wärmepumpe braucht Platz, etwa einen Garten, ihr Einbau macht laut Experten nur Sinn, wenn das Haus gut gedämmt werden kann – und in kalten Wintern kann sie womöglich das Haus nicht komplett heizen, es wird also eine Zusatzlösung fällig.
Dazu musste Stefan Richter vom Büro GEF einräumen: “Ein Nachteil von Wärmepumpen ist, dass die Pumpen mit einer gewissen Geräuschkulisse verbunden sind, das kann ich nicht kleinreden.” Im Klartext: die Pumpen machen nicht unerheblichen Lärm, das kann zu erheblichen Konflikten mit den Nachbarn führen – und macht Abstandsregeln nötig. “Man arbeitet hart daran, sie leiser zu machen, aber unter einen bestimmten Pegel wird man nicht kommen”, sagte der Experte weiter. Und auch Stadtwerke-Chef Tobias Brosze musste einräumen: Wärmepumpen sein vor allem etwas für Häuser mit Garten, die dicht bebauten alten Ortskerne in den Mainzer Stadtteilen würden sich für Wärmepumpen wohl eher weniger eignen.
Doch beim Blick auf die Vorrangkarten fällt auf: Sämtliche alten Ortskerne in den Stadtteilen sind als Gebiete für einen Fernwärmeausbau gerade nicht vorgesehen. Hechtsheim-Mitte, die Ortskerne von Bretzenheim, Weisenau, Mombach, Gonsenheim und Finthen – sie alle sollen “vorrangig dezentral” ausgebaut werden. Laubenheim, Marienborn, Drais und Gonsenheim West sollen gar ausschließlich dezentral versorgt werden – Wärmenetze sind hier gar nicht vorgesehen.
Alte Ortskerne für Fernwärme nicht vorgesehen
Dazu kommt: In vielen der alten Ortskerne gelten Denkmalschutz-Bestimmungen, Photovoltaik-Anlagen sind hier auch unter den neuen gelockerten Bedingungen meist nicht möglich, oft sind zudem die Dachflächen schlicht zu klein für eine lohnende Anlage. Denkmalschutz und Altbauten, “das engt natürlich das Lösungsspektrum ein”, räumte Richter auf eine entsprechende Frage hin ein. In Sachen Wärmepumpe werde es das Problem geben, dass die alten Häuser gar nicht ausreichend gedämmt werden könnten.
Wenn es keine Möglichkeit für eine PV-Anlage gebe, und auch weder Erdwärme noch Luftwärmepumpe funktioniere, “dann bewegen wir uns in Richtung einer Pelletheizung”, sagte Richter. Dafür allerdings brauche es einen genügend großen Lagerraum im Haus in der Nähe der Heizung. Gleichzeitig aber mahnte der Experte auch, Lösungen mit Holzheizungen seien eigentlich in Zukunft keine guten Lösungen: Der Rohstoff Holz werde zum Bauen gebraucht, und überhaupt beim Heizen endgültig vernichtet – auch das sei in Sachen Umwelt eigentlich keine gute Lösung.
Doch die Antwort auf die Frage, wie denn dann in alten, eng bebauten Ortskernen künftig geheizt werden solle, blieb die Runde Antworten schuldig. Man müsse dann eben mal “mit den Nachbarn reden” und prüfen, ob man ein gemeinsames Nahwärmenetz installieren könne, lautete der Rat des Experten. Stadtwerke-Chef Brosze wiederum räumt ein, es werde vielleicht in einzelnen Stadtteilen “Chancen für ein paar Nahwärmeinseln” geben, die unter Umständen auch die Stadtwerke aufbauen könnten: “In einem Fall wird es klappen, solche Nahwärmelösungen zu etablieren, in anderen Fällen nicht.”
Brosze: Stadtwerke werden Fernwärme und Stromnetze ausbauen
Und “vielleicht” sei ja auch die Entwicklung von grünem Wasserstoff zu Heizzwecken bis Anfang 2030 so weit, dass er marktfähig sei, sagte Brosze: “Sonst werden wir andere Lösungen finden müssen.” Mit Wasserstoff wiederum könnten heute schon die meisten Gasheizungen arbeiten, die Gasnetze für die Zulieferung von Wasserstoff genutzt werden – doch ab wann ausreichend “grün” produzierter Wasserstoff zur Verfügung stehen könne, das sei bislang völlig unklar, sagte Brosze.
Der Fokus des Unternehmens Stadtwerke werde aber eindeutig auf dem Ausbau der Stromnetze und der Fernwärme liegen, unterstrich Brosze zugleich: “Das werden so große Investitionen, dass wir nicht alles werden machen können.” Hier sei dann eben das “Solidaritätsprinzip” gefragt, sagte Fernwärme-Chef Bach: Klug sei dann, eine Eigentümergemeinschaft zu bilden, die von einer eigenen Fernwärme-Annahmestation aus ein eigenes, lokales Netz aufbaut.
Überhaupt: die Investitionen werden für Mainz teuer – und zwar für die gesamte Stadt. Denn der Ausbau der Fernwärmenetze dürfte schon in den nächsten Jahren starten: Es gebe Stadtgebiete, da sei das Gasnetz so in die Jahre gekommen, dass sich eine Erneuerung bis 2035 nicht mehr lohne, ließ Brosze durchblicken. Dazu werde man von Seiten der Stadtwerke massiv in den Ausbau des Stromnetzes investieren müssen – wegen der zu erwartenden Zunahme der strombetriebenen Wärmepumpen, aber auch der E-Autos.
Diesen Ausbau aber werden alle Bürger mitfinanzieren: “Die Kosten werden erst mal von uns getragen, wir dürfen sie dann aber in Teilen auf die Netzentgelte drauf schlagen”, räumte Brosze ein: “Das finden Sie in ihren Strombeiträgen anteilig wieder – und je mehr Strom man verbraucht, umso mehr zahlt man.” Das aber trifft dann auch Besitzer von Wärmepumpen, die zusätzlich zu den hohen Investitionskosten hohe Stromkosten einkalkulieren müssen – oder Menschen, die mit grünem Strom, und damit umweltfreundlich heizen.
“Ich glaube, die Debatte hat sich ein Stück weit versachlicht”, freute sich Dezernentin Steinkrüger am Ende der Veranstaltung: “Das brauchen wir, damit wir die Wärmewende schaffen, dass wir ohne Ängste, ohne Emotionen und sachlich unaufgeregt diese Diskussion führen.” Eine Gebäude-scharfe Planung für die künftige Wärmeplanung soll Mitte 2026 vorliegen.
Kommentar& auf Mainz&: Wärmewende – wo sind die Lösungen?
Stellen wir das doch einmal klar: Wir haben in Mainz derzeit zu 60 Prozent Gasheizungen im Stadtgebiet, praktisch alle Stadtteile sind an das Gasnetz angeschlossen, so gut wie jedes noch so kleine Haus. Und wir nehmen jetzt dieses flächendeckende Netz, reißen es raus, legen es still – um dann mit welchen Mitteln, bitteschön, zu heizen? Eine Antwort gab es darauf am Dienstagabend von Politik und Mainzer Stadtwerken: nicht.
Man setzt auf Fernwärme, das ist gut und richtig, nur muss dann die Frage erlaubt sein: Wie kann es sein, dass der Großteil des Mainzer Stadtgebietes dann vom Bezug der Fernwärme ausgeschlossen wird? Reihenhäuser, Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser – sie stellen den Großteil der Häuser in Mainz dar. Doch genau sie sollen eines nicht bekommen: einen Fernwärmeanschluss. Das sei “nicht wirtschaftlich” hieß es heute abwehrend – nicht wirtschaftlich für wen? Und ist es stattdessen wirtschaftlich, ein funktionierendes Netz rauszureißen, und dafür ein komplett neues zu installieren, mit hohen Kosten?
Wenn der Staat so tief in Eigentumsrechte und Lebensplanungen eingreift, dass er sich anmaßt, bestimmte Heizungsformen verbindlich vorzuschreiben und andere zu verbieten – dann hat er (zum Kuckuck!) auch die Pflicht, seinen Bürgern Lösungen aufzuzeigen. Und zwar Lösungen, die funktionieren! Und genau das tut diese sogenannte Wärmewende mit dieser Planung nicht. Ältere Häuser in engen Ortskernen – wie sollen die denn künftig beheizt werden? Na?
Wenn der Staat so tief eingreift, muss er auch Lösungen aufzeigen
Wenn die Stadt Mainz die eng bebauten alten Straßen tatsächlich nicht mit Fernwärme versorgt – wie soll dann hier künftig geheizt werden? Wollen wir wirklich zurück zu Holz-beheizten Kaminöfen in jedem Haus? Schon jetzt bekommt man stellenweise im Winter keine Luft mehr, wenn der Nachbar den Kamin anschmeißt – Kontrolle: Fehlanzeige. Das betrifft übrigens auch all zu oft Pelletheizungen, die nicht richtig eingestellt sind. Und das soll klimafreundlich sein?
Zumal die Politik ja eine Möglichkeit völlig ausspart, die offenbar nicht genehm ist: Heizen mit Strom. Dabei gibt es längst kluge, effiziente Lösungen in diesem Bereich, Stichwort: Infrarotheizung. Aber stattdessen schraubt die Politik weiter die Strompreise hoch, und durch den dringend notwendigen Ausbau der Stromnetze wird der garantiert nicht sinken. Aber auch Wärmepumpen brauchen Strom, Photovoltaik-Anlagen übrigens auch, E-Autos sowieso. Die Strompreise erdrosseln jetzt schon Privathaushalte und Unternehmen gleichermaßen – so soll die Wärmewende funktionieren?
Wenn der Staat seine Bürger im Regen stehen lässt, muss er sich über zwei Dinge nicht wundern: Eine Abkehr der Menschen von demokratischen Parteien und eine steigende Wut gegen alles, was da Klimaschutz heißt. Eine Wärmewende, die keine Lösungen aufzeigt, hilft niemanden – nur den Gasheizungsherstellern. Würde ich mit Gas heizen, ich würde jetzt sofort eine neue bestellen. Der Experte hat ja den guten Rat gegeben: einen schwungvollen Gebrauchthandel mit alten Gasheizungen zu starten. Aber schön, dass die Mainzer Umweltdezernentin eine sachliche Debatte ausgemacht hat – wen interessieren schon Lösungen? Das böse Erwachen kommt bestimmt.
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zum Wärmemasterplan samt Links zu den Unterlagen und Karten findet Ihr hier bei Mainz&. Wer die Veranstaltung noch einmal nachhören möchte, kann das hier auf Youtube bei den Mainzer Stadtwerken tun.